Am Münchner Flughafen fühlt sich Josef Gerber wohl, zirkuliert hier doch viel Geld aus fremden Ländern. Aber auch der Euro ist einen Blick wert. Die Kellnerin in der Gaststätte Airbräu gibt ihm als Wechselgeld einen 20-Euro-Schein und Kleingeld zurück. Die Münzen wandern in die Hosentasche – mit Hartgeld konnte er noch nie etwas anfangen. Gerbers Aufmerksamkeit gilt der Registriernummer des Scheins. „Nichts Besonderes“, brummelt er, während er ihn ins Portemonnaie steckt. Diese 20 Euro wird er nicht aus dem Verkehr ziehen.
Der Scheinreiche
Andere Scheine aber verbannt der 62-Jährige nur allzu gern in Alben. Er besitzt die weltgrößte Sammlung von Banknoten, „insgesamt eine hohe sechsstellige Zahl“. Im Tresor seiner Bank liegen Scheine von Großmächten und Kleinstaaten, Fehldrucke, Not- und Falschgeld.
Zu sammeln gibt es noch genug. Rund drei Millionen verschiedene Geldscheine gibt es auf dem Globus, darunter 961 verschiedene Euro-Noten. Verglichen mit der Numismatik (Münzen) und der Philatelie (Briefmarken) ist die Notaphilie (Banknoten) ein eher wenig verbreitetes, aber dafür um so teureres Sammelgebiet.
Nicht nur sammeln, auch verkaufen
Der ehemalige Spediteur aus dem bayrischen Eching hat vor fast 40 Jahren die Faszination von Banknoten entdeckt. „Geldscheine zeigen das Kulturgut und die Geschichte der jeweiligen Länder, aus denen sie stammen.“ Sie erzählen aber auch Währungsgeschichte. So betrachtet Gerber die Euro-Krise aus einem ganz besonderen Blickwinkel: Dass Deutschland zur D-Mark und Griechenland zur Drachme zurückkehre, hält er für unwahrscheinlich – allein aus ganz pragmatischen Gründen: „Denn schon die Euro-Einführung dauerte Jahre.“
Eine Frage von Quanti- und Qualität
Und selbst wenn die griechische Zentralbank eine Ersatzwährung im Keller liegen hätte – wie im Kalten Krieg die alte Bundesrepublik –, würden die Bürger sie noch lange nicht annehmen. „Das wäre dann wie in Simbabwe, wo die Einheimischen lieber mit US-Dollar bezahlen“, schätzt der Sammler. Er holt eine 100-Billionen-Note des von der Geldentwertung geplagten Landes hervor, die er für 30 Euro-Cent bekommen hat. Diese ist für einen Kalender bestimmt, den er über seinen Online-Shop vertreibt – eines seiner vielen Projekte.
„Geldscheine sind die Visitenkarten der Länder“
„Niemand achtet erst einmal darauf, was auf den Scheinen abgebildet ist“, sagt er. Bei ihm änderte sich das 1969, als er im Flieger zurück aus dem Iran saß. Als Spediteur überführte er früher Spezialfahrzeuge und Luxuswagen in alle Welt – und hatte deshalb nacheinander an die 50 verschiedene Währungen in seiner Geldbörse. Es begann, was heute Beruf und Berufung zugleich ist: Gerber beschäftigte sich mit den Scheinen, sammelte, verkaufte seine Doubletten, schrieb Bücher, hielt Vorträge und stellte seine Sammlung aus. Den Spruch „Geldscheine sind die Visitenkarten der Länder“ habe Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl in den Siebzigerjahren von ihm übernommen, sagt er.
Kostbares Papiergeld | |
Die teuersten deutschen Geldscheine | Wert (Euro) |
100-Mark-Reichsbanknote vom 1. Januar 1876 | 20.000 |
50-Mark-Reichskassenschein vom 10. Januar 1882 | 15.000 |
20-Mark-Reichskassenschein vom 10. Januar 1882 | 10.000 |
50-Mark-Reichskassenschein vom 5. Januar 1899 | 8500 |
100-Billionen-Mark-Reichsbanknote vom 15. Februar 1924 | 8000 |
Quelle: Katalog Holger Rosenberg |
2002 brachte ihm der Anruf eines Nürnberger Anwalts dann die endgültige und hochoffizielle Anerkennung als Experte. Ob er in einem Gerichtsverfahren irakische Scheine begutachten könnte, wollte der Anwalt wissen. Bundesbank-Experten konnten dem Richter nicht helfen. Gerber, mit einem Irak-Album unter dem Arm, dagegen schon. Er stellte fest, dass es sich bei den Scheinen um echte Banknoten handelte, die in China gedruckt wurden und erst im Irak mit einer Nummer versehen werden sollten. Das milderte die Strafe für die drei Täter, die V-Leuten in einem Hotel im Schwarzwald ins Netz gegangen waren und ihnen die Noten für fünf Millionen D-Mark angeboten hatten. Der Richter bedankte sich auf seine Art – mit einer Vereidigung zum Gutachter für Banknoten und historisches Papiergeld. Gerber ist seither einer von zwei vereidigten Sachverständigen in Deutschland.
Die Pick-Nummern
Der zweite ist der heute 89-jährige Albert Pick, der seine Sammlung an die Bayerische Hypobank (heute Teil von UniCredit) verkaufte. Auf ihn gehen die Pick-Nummern zurück, mit deren Hilfe Sammler jede Banknote eindeutig bezeichnen können. Picks frühere Stücke gehören heute einer Stiftung und lagern bei der Druckerei Giesecke & Devrient in München. Er sammelte vor allem historische und damit teurere Noten. Deshalb ist die Sammlung zwar mehr wert als die von Gerber, doch der führt bei der Anzahl der Scheine deutlich.
Ein Buch über Geldscheine
Geld ist dennoch nicht alles im Leben des Josef Gerber: Gerade ist er aus Madagaskar zurück. 20 Brunnen und eine Schule will der Arbeitskreis Entwicklungshilfe Eching dort in diesem Jahr bauen. Gerber ist Vize-Vorsitzender und hat natürlich Scheine mitgebracht. Sie zeigen die Tier- und Pflanzenwelt des Inselstaats, den Gerber einst bei der Einführung neuer Banknoten beraten hatte.
Auch nach vielen Jahren entdeckt Gerber immer noch Neues – wie kürzlich auf einem Notgeldschein. Die oberbayerische Gemeinde Murnau hatte ihn 1923 ausgegeben, zum Höhepunkt der Hyperinflation. Der Grafiker des Scheins über 500 000 Mark hat auf der Rückseite in den Randornamenten eine Liebeserklärung versteckt. „Ich hab dich lieb Gisela Lipunsky“ ist dort mit der Lupe zu lesen.
Weniger amüsant ist die Geschichte um die 1000-D-Mark-Note von 1960. Diese ist auf dem Sammlermarkt heiß begehrt, weil sehr selten. Der Grund dafür ist die Entführung von Fabrikantensohn Richard Oetker 1976. Der verurteilte Erpresser Dieter Zlof entkam am Münchner Stachus mit einem Lösegeldkoffer von 21 Millionen DM in eben jenen 1000-Mark-Scheinen. Die Bundesbank zog daraufhin alle übrigen 1000-Mark-Noten des Jahrgangs 1960 ein. Die Lösegeldscheine waren zu rund 80 Prozent registriert. Zlof schaffte es, vier einzulösen, bevor er verhaftet wurde. Das Lösegeld wurde in London sichergestellt und vernichtet. Bis zu 3500 Euro zahlen Sammler heute für einen der wenigen Scheine, die der Bundesbank durch die Lappen gingen.
Geschäft mit Fehldrucken
Nie gültiges Zahlungsmittel wurde die einzige deutsche Gedenknote, der Sonderdruck des 20-Mark-Scheins der DDR vom 22. Dezember 1989. „Da hat jemand kurz vor Schluss noch einmal richtig Geld verdient“, sagt Gerber. 500 000 Stück, schätzt der Experte, sind davon gedruckt worden, macht zehn Millionen Ostmark, für nichts als buntes Papier.
Den Gedenknoten aus aller Welt hat Gerber sein neuestes Buch gewidmet. Darin abgedruckt findet sich ein 10-Euro-Schein des kürzlich verstorbenen Pop-Art-Künstlers James Rizzi. Die Geschichte dazu: Rizzi entwarf Briefmarken und gab seine Arbeit bei Giesecke & Devrient in Leipzig ab. Dort entdeckte der Amerikaner, dass die Druckerei auch Banknoten herstellt. Der Direktor schenkte Rizzi zehn Euro, die der Künstler auf der Rückseite bemalte. Die Europäische Zentralbank genehmigte später den Druck von 409 Stück.
Neulingen empfiehlt Gerber, das Sammelgebiet klein zu halten. Scheine sollten nicht der Sonne ausgesetzt oder in Folien mit Weichmachern aufbewahrt werden. „Und ich warne vor dem Sammeln von Fehldrucken“, sagt er, „da sind viele Plagiate auf dem Markt.“ Druckbögen würden oft einfach zerschnitten und dann als kostbare Fehldrucke verkauft.
Mit dem heute vielfach ungeliebten Euro dagegen sei durchaus Rendite zu machen. Eine Rarität ist etwa der 5-Euro-Schein mit dem Buchstaben P für Holland und der Kennung R003 für die Bundesdruckerei in Berlin – erst zwei Jahre alt, aber heute schon 700 Euro wert.