Zweimal im Jahr, zum traditionellen Jahresausblick und zur Hauptversammlungssaison, häufen sich Artikel über „Dividendenraketen“, „Dividendenstars“ oder „Die besten Dividendentitel“. Sie thematisieren Aktien mit hoher Dividendenrendite, also einem hohen Verhältnis von Dividende zu Aktienkurs. Oftmals suggerieren diese Artikel:
1. Dividenden seien sichere Einkommen.
2. Auf Basis erwarteter Dividendenrenditen ließen sich optimale Anlageentscheidungen treffen.
3. Aktien mit hohen Dividendenrenditen seien besonders geeignet für einkommensorientierte Anleger.
Doch solche Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen, entsprechen sie doch einer verkehrten Darstellung der Funktionsweise der Finanzwelt und begünstigen suboptimale Anlageentscheidungen.
Falsche Sicherheit
Spätestens seit der Finanzkrise und der folgenden Niedrigzinsphase scheint sich die Idee zu verfestigen, dass Dividenden relativ sichere Einkommen seien. Zuletzt wurde sogar propagiert, Dividenden seien die „neuen Zinsen“. Damit wird Dividenden eine Art fest planbarer Zinscharakter zugesprochen – Dividenden also als Alternative zu Anleihezinsen.
Dividenden sind jedoch keine Zinsen und auch keine sicheren Einkommen! Dividenden sind vornehmlich Gewinnausschüttungen und zukünftige Gewinne können nicht garantiert werden. Selbst wenn ein Unternehmen eine gewisse Dividende in künftigen Jahren anstrebt, ist ein Anspruch der Aktionäre darauf nicht vertraglich festgelegt. Im Gegensatz dazu sind Anleihezinsen vertraglich geregelt. Im Insolvenzfall werden zudem Anleiheanleger bevorzugt vor Aktionären bedient. Ein Aktieninvestment ist daher relativ riskanter als eine Anlage in Unternehmensanleihen.
Tunnelblick auf die Dividendenrendite
Ein ausschließlicher Fokus auf die Dividendenrendite verkennt, dass zudem die Aktienkursentwicklung entscheidend ist. Die tatsächliche Aktienrendite (sog. Total Shareholder Return) – also der eigentliche Gewinn oder Verlust, den ein Anleger über seinen Anlagezeitraum erzielt – berechnet sich aus der Summe eventueller Dividendenzahlungen plus dem Unterschiedsbetrag zwischen Aktienpreis zum Ende und zu Beginn des Anlagezeitraums, dividiert durch den Aktienpreis zu Beginn des Anlagezeitraums (vgl. Abbildung 1).
Ein Beispiel: Wenn ein Anleger in eine Aktie mit einer Dividendenrendite von sechs Prozent investiert, der Aktienkurs im gleichen Zeitraum aber um 15 Prozent fällt, erleidet der Anleger über diesen Zeitraum einen Verlust in Höhe von neun Prozent. Für Anlageentscheidungen sollte also nicht nur die erwartete Dividendenrendite berücksichtigt werden, sondern auch die erwartete Aktienkursentwicklung – kurz: die gesamte Aktienrendite.

Risikostreuung sollten auch einkommensorientierte Anleger nicht vergessen
Viele Anleger und einige Berater scheinen zudem zu glauben, dass Aktien mit hohen Dividendenrenditen für einkommensorientierte Anleger besonders geeignet sind. Einkommensorientierte Anleger streben laufende Einkommenszahlungen an, zum Beispiel als dritte Einkommensquelle neben staatlicher und betrieblicher Rente. Deren Portfolios sind öfters derart strukturiert, dass jährlich benötigte Einkommenszahlungen durch Dividenden und Anleihezinsen gedeckt werden. Dividendenzahlende Aktien und Anleihen werden im Portfolio daher übergewichtet.