Wagniskapital Geldsammeln á la Stromberg - Wie sicher ist Crowdfunding?

Mit Crowdfunding können Anleger nicht nur in den Stromberg-Film, sondern vor allem in Start-Ups investieren. Gewinne dürften die Investoren allerdings nur selten sehen.

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Das Leben ist kein Ponyhof: Anlegergeld soll Ekel Stromberg und Freundin Jennifer ins Kino helfen. Quelle: Brainpool/Willi Weber

Unsympathischer kann ein Serienheld kaum sein. Bernd Stromberg ("Büro ist Krieg") tyrannisiert als Abteilungsleiter der Capitol Versicherung Mitarbeiter, schikaniert Frauen, diskriminiert Behinderte – und buckelt fleißig nach oben. Dennoch, oder gerade deswegen, hat "Deutschlands fiesester Chef" eine treue Fangemeinde.

Die sollte helfen, die TV-Kultfigur auf die Kinoleinwand zu bringen. Um den Streifen "Stromberg – Der Film" drehen zu können, bat die Kölner Produktionsfirma Brainpool Stromberg-Fans um einen Kostenzuschuss. Im Gegenzug sollen sie an den Erlösen beteilig werden, die der Film irgendwann einmal an den Kinokassen einspielen könnte.

Die ungewöhnliche Aktion, im Internet propagiert, hatte unerwartet rasch Erfolg: Binnen fünf Tagen ging eine Million Euro auf dem Konto von Brainpool ein. Rund 3000 Stromberg-Fans haben das Geld im vergangenen Dezember aufgebracht. Heute sollte es längst für sie arbeiten, doch jetzt hakt es bei der bislang größten und spektakulärsten Aktion von Crowdfunding ("Schwarmfinanzierung") in Deutschland.

Die Grundidee der Schwarmfinanzierung ist simpel: Eine große Zahl von Anlegern investiert kleine Beträge, damit ein Businessplan verwirklicht werden kann, für den Banken kein Geld geben. Organisiert wird die Kollekte kostengünstig im Web. Geschickt wird hier der Modebegriff der Schwarmintelligenz genutzt, der verheißt, dass sich aus vielen Entscheidungen einzelner eine profitable Weisheit der Masse (Crowd) herauskristallisiert. Neben einzelnen Projekten wie dem Stromberg-Film werden vor allem junge Unternehmen finanziert. Rund 15 Portale bieten in Deutschland Crowdfunding an. Die drei Marktführer Seedmatch, Innovestment und Companisto haben rund 40 Startups finanziert.

Was die Marktführer im Crowdinvesting eingesammelt haben, was sie verlangen. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Damit das Geschäftsmodell funktioniert, müssen die Schwarmfinanzierer in großem Stil Kleinanleger ködern. "Start-up-Investments sind immer risikoreich. Mit ein wenig Glück sind aber Renditen von mehreren 100 Prozent durchaus möglich", verspricht Jens-Uwe Sauer, Chef der größten deutschen Plattform Seedmatch.

Die umworbenen Investoren sollten freilich auf der Hut sein. Viel wahrscheinlicher als solche Traumgewinne ist ein Totalverlust. "Die Mehrzahl aller Startups scheitert“, warnt die britische Finanzmarktaufsicht FSA in einer Studie zum britischen Markt, „Anleger können ihr gesamtes Geld verlieren." Crowdfunding sei nur für sehr erfahrene Investoren geeignet. Und die sollten nur Geld in Projekte stecken, dessen Verlust sie problemlos verschmerzen könnten.

Dass Schwarmfinanzierung kein Selbstläufer ist, zeigt der Stromberg-Film. Eigentlich sollten die Dreharbeiten längst begonnen haben – im Oktober. Doch der Produktionsstart wurde aufs Frühjahr 2013 verschoben. Produzent Ralf Husmann macht hierfür gegenüber der WirtschaftsWoche mehrere Gründe verantwortlich: Stromberg-Darsteller Christoph Maria Herbst sei bei anderen Produktionen engagiert, eine Schauspielerin wurde schwanger, das Drehbuch muss überarbeitet werden.

Bis zu 50 Prozent Rendite?

Internationale und deutsche Crowdfunding-Plattformen
Kickstarter
startnext
MySherpas
VisionBakery
IndieGoGo
ArtistShare

Vor allem aber ist die Finanzierung des Films immer noch nicht komplett gesichert. Erst Anfang November hat die deutsche Filmförderungsanstalt 320 000 Euro Zuschuss gewährt. Die Verhandlungen mit dem Sender Pro Sieben, der sich an den Produktionskosten beteiligen soll, laufen hingegen noch. Offenbar gibt es Zweifel, ob der Film jemals seine Kosten, geschweige denn Gewinne, einspielen wird.

Ohnehin müsste der Streifen ein außergewöhnlicher Kassenschlager werden, damit die Investoren die prächtigen Profite kassieren können, mit denen Brainpool winkt. Auf der Web-Site "Myspass" rechnet Brainpool vor, dass Anleger zwar Renditen von bis zu 50 Prozent erzielen können. Doch dazu müssten insgesamt zwei Millionen Zuschauer ein Ticket für den Film lösen. So viele Besucher fanden 2011 nur zwei deutsche Kinofilme – "Kokowääh" und "Rubbeldiekatz". Selbst wenn die Investoren ihr Kapital nur zu 100 Prozent wiedersehen wollten, müsste der Stromberg-Streifen eine Million Zuschauer anziehen. Voriges Jahr schafften es nur acht deutsche Filme, so viele Menschen ins Kino zu locken. Die fünf Stromberg-Staffeln fanden je Folge zwischen einer Million und zwei Millionen Zuschauer.

Brainpool spricht vollmundig von einem "Investment", an dem Anleger "verdienen" könnten. Laut Vertrag aber erwerben Investoren nur ein "virtuelles Recht", den Film fördern zu dürfen – sie sind an keinerlei Vermögenswerten beteiligt. Aufgrund dieser recht luftigen Konstruktion benötigte Brainpool für das Stromberg-Funding nicht die an sich erforderliche Genehmigung der deutschen Finanzaufsicht BaFin.

In den USA sind Schwarmfinanzierer, die Geld von Fans einsammeln, mit ihren Ankündigungen erheblich vorsichtiger. Marktführer Kickstarter warnt seine Geldgeber ausdrücklich davor, Gewinne zu erwarten. Die New Yorker Plattform fördert Musiker, Filmemacher und andere Künstler, die von den Fans Unterstützung bekommen, damit sie ihr nächstes Projekt verwirklichen können. Als Lohn akzeptieren Spender auch mal nur eine CD. Seit 2009 sammelte das Kickstarter-Team, das milieugerecht in einem Keller an der East Side untergebracht ist, gut 350 Millionen Dollar ein. Ähnlich wie Kickstarter funktioniert das deutsche Startnext, das über 400 Projekte finanzieren konnte. Beide Portale haben sich kreative und gemeinnützige Ziele auf die Fahne geschrieben.

Lasst 1.000 Blumen blühen Bloomy-Days-Gründerin Franziska von Hardenberg im Hyazinthenfeld. Quelle: Presse

Ganz im Gegensatz dazu sind die Plattformen Seedmatch, Innovestment und Companisto klar kommerziell ausgerichtet; sie wollen Kapital für junge Unternehmen einwerben. Im Gegenzug erhalten die Schwarminvestoren eine Beteiligung an den Gewinnen, die die Startups möglicherweise erwirtschaften. Obendrein gibt es Geld, wenn die Firmen verkauft werden. Um den Unterschied zum Crowdfunding zu betonen, spricht Companisto-Gründer Tamo Zwinge bewusst von "Crowdinvesting".

Jeweils 100 000 Euro von über 100 Privatpersonen sammelten zum Beispiel die folgenden Unternehmen ein:

  • Bloomy Days aus Berlin, die Unternehmen regelmäßig mit frischen Schnittblumen beliefern. Auch Privatleute können sich von Bloomy Days per Abonnement Chrysanthemen, Gladiolen oder Levkojen ins Haus liefern lassen.
  • Das Startup LeaseRad aus Freiburg, das in großem Stil das Leasing von Elektrofahrrädern einführen will. Arbeitgeber sollen ihren Angestellten lieber ein schickes E-Bike überlassen als einen klimaschädlichen Dienstwagen. Alle drei Jahre sollen die Dienstrad-Flotten durch die neuesten Modelle ersetzt werden.
  • Mutisun aus München bietet Sonnenschutzmittel an, deren Wirkstoffe individuell auf die Kunden abgestimmt sind. So sollen Sonnenbrand und allergische Reaktionen verhindert werden.

Über die 100.000-Euro-Grenze

Wer Beteiligungen vermittelt, benötigt dafür grundsätzlich eine Lizenz der BaFin. Nur wenn die eingeworbenen Anlegergelder die Grenze von jeweils 100.000 Euro pro Startup nicht überschreiten, können die Plattformen sich die BaFin-Lizenz sparen. Wenn sie nicht über 100.000 Euro einsammeln, benötigen auch die Unternehmen keinen Wertpapierprospekt. Das spart Kosten.

Anleger verzichten so aber auf jede Kontrolle durch die Finanzaufsicht – und ohne Aussagen in rechtsverbindlichen Prospekten bleiben Schadensersatzforderungen nahezu aussichtslos. Dass die Crowdinvesting-Plattformen fast ausnahmslos noch unter der 100.000-Euro-Grenze bleiben, ist ein Warnsignal für Investoren.

Seedmatch bemüht sich derzeit um Genehmigungen, damit die Plattform auch größere Investments vermitteln kann. "Für 2013 planen wir pro Monat im Schnitt drei Finanzierungen bis zu 100.000 Euro. Dazu soll jeweils ein Investment von maximal 500.000 Euro kommen", sagt Firmenchef Sauer. Auch Konkurrent Innovestment aus Köln will künftig mit BaFin-Segen größere Beteiligungen anbieten.

Die meisten über die Plattformen finanzierten Startups erzielen heute noch wenig Umsatz und keine Gewinne. Sie setzen auf schnelle Umsatzsteigerung, doch die Geschäftsmodelle sind meist stark marketing- und wenig technologielastig, die Barrieren für Wettbewerber, die Idee zu kopieren, sind nicht sehr hoch. Überdies wirken manche Geschäftsmodelle arg schräg.

  • Andrea Bregar und Isabelle Kurth etwa glauben, dass sie einen neuen Werbeträger entdeckt haben – Tampon-Boxen. Die Gründerinnen von "Tampons for You" bedrucken deren Pappschachteln mit Reklame und verteilen sie gratis. Zahlen sollen das Hersteller von Parfüms, Kosmetika und Ähnlichem. Bisher ist die Zahl der Firmen, die Anzeigen auf Tampon-Schachteln schalten, eher bescheiden.
  • Die Berliner Ludufaktur will Gesellschaftsspiele wie Dame, Skat und Mensch ärgere dich nicht wiederbeleben. Ganz nach den Wünschen der Kunden bedruckt die Firma Spiele-Sets mit persönlichen Bildern und Texten. Wer mag, kann beim nächsten Geburtstag ein Skatspiel überreichen, auf dem der Beschenkte als Kreuz-König zu sehen ist und seine Partnerin als Herz-Dame. Um das Startgeld für den skurrilen Businessplan zusammenzukratzen, benötigte die Ludufaktur zwei Anläufe auf verschiedenen Crowd-Plattformen.
  • "Wir geben Deinen Kurven ein Zuhause" verspricht das Portal SugarShape. Die Firma bietet Dessous für eher üppige Frauen an. Auf der Plattform können die Kundinnen abstimmen, welche Formen und Farben ihre Traum-BHs haben sollen. Produziert werden jene Designs, für die sich die Mehrheit entscheidet. "Dolce Vita" heißt die erste Kollektion, die basisdemokratisch in die Produktion ging. Mit 49,99 Euro sind die BHs im XXL-Format freilich nicht ganz billig.

Hoffnungslose Geschäftsmodelle?

Bei so ausgefallenen Geschäftsideen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Startup scheitert, enorm hoch. In der Frühphase einer Unternehmensgründung kann niemand vorhersagen, ob neue Dienstleistungen bei den Kunden Anklang finden. Daher zögern Risikoinvestoren, Startups in der hochriskanten ersten Phase zu finanzieren. Das überlassen sie den Förderbanken von Bund und Ländern oder halbstaatlichen Gründerfonds. Die unterstützen Tausende junger Unternehmen, legen aber strenge Kriterien an die Förderbarkeit an.

Landen auf den Crowd-Plattformen also vor allem Startups, die weder von Banken, Venture-Capital-Firmen noch Förderinstituten Geld bekommen? Ist Schwarmfinanzierung die Resterampe für hoffnungslose Geschäftsmodelle?

Seedmatch-Chef Sauer weist das zurück. "Wir gehen den Markt nicht von hinten an. Anfragen, die uns nicht überzeugen, lehnen wir ab", versichert er. Es wäre wichtig, dass die Plattformen gut selektieren, denn Investoren, die auf einen windigen Existenzgründer hereingefallen sind, haben keine Chance, ihn zu stoppen. Anleger erwerben meist eine stille Beteiligung, mit der keine Mitspracherechte bei Aufsicht und Leitung des Startups verbunden sind. Sie zahlen, haben aber nichts zu sagen. Auch auf Dividenden müssen sie warten. Die meisten Startups brauchen Jahre, bis sie schwarze Zahlen schreiben, viele gehen früh pleite. Zum Glück ist die Haftung der Anleger meist auf die eigene Einlage beschränkt.

Eine Million Euro sammelten die Macher der TV-Serie "Stromberg" bei Fans ein. Crowdfunding heißt die Methode, mit der immer mehr Gründer, Künstler und junge Unternehmen ungewöhnliche Ideen erfolgreich finanzieren.
von Katja Joho

Nach Auslaufen der Beteiligung erhalten die Investoren bei vielen Plattformen einen Anteil am Unternehmenswert. Doch haben die Firmen dann genügend flüssige Mittel, um Anleger auszahlen zu können? Eher nicht. "Die meisten Startups sind illiquide", warnt die britische FSA. Damit nach Ende der Beteiligungsverträge das nötige Kleingeld vorhanden ist, sieht der Berliner Anbieter Companisto vor, dass Startups dann nach Möglichkeit verkauft werden, etwa an einen Venture-Kapitalisten oder Wettbewerber. "An den Erlösen des Exits werden die Anleger im Verhältnis ihrer Einlagen beteiligt", verspricht Companisto-Gründer Zwinge. Was er nicht so gern sagt: Die meisten Startups finden nie einen Käufer. Verkaufen kann ein Anleger seine Anteile auch nur schwer – für Crowdinvestments gibt es noch keinen Markt, an dem Anteile wie an der Börse gehandelt werden können.

Virtuelle Börsengänge

Diesen Mangel wollen Guido Sandler und Dennis Bemmann beheben. Sie haben den Berliner Schwarmfinanzierer Bergfürst aus der Taufe gehoben, der über das Internet Aktien von Startups ausgeben will. Anfang 2013 sollen die ersten virtuellen Börsengänge stattfinden. Pro Börsengang will Bergfürst zwei bis fünf Millionen Euro einsammeln. Die Anleger können ihre Anteile auf der Plattform auch handeln. "Bergfürst hebt Schwarmfinanzierung auf eine höhere Stufe", wirbt das Unternehmen vollmundig.

Ende Oktober erhielt Bergfürst von der BaFin die erforderlichen Lizenzen für die geplanten Finanzdienstleistungen. Das Unternehmen darf jetzt unter anderem Aktien platzieren und eine elektronische Handelsplattform betreiben. "Ich habe bereits zwei Banken gegründet und Erfahrung in diesem Metier", sagt Sandler. Seine Erfolge in der Finanzindustrie sind allerdings eher übersichtlich. Vor rund zehn Jahren half er mit, die deutsche Tochter des amerikanischen Online-Brokers E-Trade auf die Beine zu stellen. Das Angebot schlug nie recht ein, 2009 wurde E-Trade Deutschland aufgelöst.

Zuvor hatte Sandler bereits die Berliner Effektenbank mitgegründet, die mit der Blase am Neuen Markt gigantisch wuchs und nach deren Platzen an den Broker Consors verkauft wurde. Der Neue Markt verschwand mit Getöse im Orkus der Finanzgeschichte. Die böse Geschichte könnte sich wiederholen – wenn auch in viel kleineren Dimensionen.

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