Ein Million verschiedene Zertifikate und Optionsscheine werden derzeit an deutschen Börsen angeboten. Zertifikate sind künstliche Anlagepapiere, deren Kurs von der Entwicklung eines Basiswerts abhängt. Basiswerte können Aktien, Indizes, Währungen, Anleihen oder Rohstoffe sein.
Im Wechselspiel zwischen Zertifikat und Basis liegt der Sinn oder Unsinn dieser Papiere. Warum soll man ein Kunstprodukt (Zertifikat auf eine Aktie) kaufen, wenn man ohne Probleme den echten Basiswert (die Aktie) bekommt? Die Frage stellt sich umso mehr, weil bei ihnen ein neuer Teilnehmer ins Spiel kommt: die Emissionsbank, die Gebühren kassiert – und im schlimmsten Fall, wie bei der Zertifikatebank Lehman, pleitegehen kann.
"Für private Anleger sind Zertifikate dann interessant, wenn sich mit ihnen Investmentszenarien umsetzen lassen, die mit Aktien oder Anleihen nicht oder nur mit großem Aufwand möglich wären", sagt Dieter Lendle, Vorstand des Frankfurter Zertifikateberaters Anlagematrix. Nur wenn Zertifikate einen Mehrwert bieten, wenn sie etwa einen Trend investierbar machen, ihn verstärken oder Wetten gegen ihn ermöglichen, ist ihr Einsatz für Anleger sinnvoll. Bei den folgenden Papieren ist dies der Fall.
Wende mit Zinsen
Mehr als drei Jahrzehnte sind die Zinsen gesunken. Für Bundesanleihen ging die durchschnittliche Rendite von über elf Prozent auf weniger als ein Prozent zurück. Schuld sind die Notenbanken. Von direkten Zinssenkungen bis zu Käufen maroder Staatsanleihen nutzen sie alle Mittel, die Renditen am Boden zu halten und angeschlagenen Staaten so Zinszahlungen und Schuldentilgung zu erleichtern.
Die Geldflut führt zu Inflation, warnen die Wirtschaftsforschungsinstitute. Selbst in Deutschland liegt sie mit rund zwei Prozent über dem durchschnittlichen Zinsniveau für Anleihen (derzeit 1,2 Prozent). Der Realzins nach Inflation ist negativ. Auf Dauer kann das nicht so bleiben, weil dann niemand mehr Geld verleihen würde. Wer darauf setzt, dass die Zinsen drehen, sollte Spielraum einbauen – etwa mit Shortzertifikaten auf den Bund-Future.
Fünf Zertifikate für weltweite Anlagetrends
Zertifikat: Bund-Future-Short
Emittentin: HSBC Trinkhaus
Ausfallprämie: 1,1 Prozent - geringes Risiko
Funktion: Wandelt Kursverluste im Bund-Future (141,25 Prozent) mit sechsfachem Hebel in Gewinne um; keine Laufzeitgrenze;
Achtung: Totalverlust, wenn Bund-Future Basisschwelle (aktuell 162,23 Prozent) berührt oder überschreitet.
Kurs/ Stoppkurs: 21,56/ 17,25 Euro
ISIN: DE000TB3MT94
Chance/ Risiko: 10/9¹
¹ 10=hoch; 1=niedrig
Quelle: Thomas Reuters, Bloomberg, eigene Recherchen; Stand 29. Oktober 2012
Zertifikat: MDax-Partizipation
Emittentin: UBS
Ausfallprämie: 1,3 Prozent - geringes Risiko
Funktion: Steigt und fällt wie der MDax (aktuell 11.352 Punkte); 100 Zertifikate entsprechen dem Indexstand; keine Laufzeitgrenze.
Kurs/ Stoppkurs: 113,52/ 96,49 Euro
ISIN: CH0018600087
Chance/ Risiko: 6/5¹
¹ 10=hoch; 1=niedrig
Quelle: Thomas Reuters, Bloomberg, eigene Recherchen; Stand 29. Oktober 2012
Zertifikat: Nyse-Arca-Natural-Gas-Partizipation
Emittentin: Société Générale
Ausfallprämie: 1,9 Prozent - mittleres Risiko
Funktion: Läuft wie US-Branchenindex Nyse-Arca-Natural-Gas; zehn Zertifikate entsprechen dem Indexstand (aktuell 670 Punkte); Dividenden nicht enthalten, keine Laufzeitgrenze, keine Währungssicherung.
Kurs/ Stoppkurs: 52,50/ 44,62 Euro
ISIN: DE000SG0F4M5
Chance/ Risiko: 7/6¹
¹ 10=hoch; 1=niedrig
Quelle: Thomas Reuters, Bloomberg, eigene Recherchen; Stand 29. Oktober 2012
Zertifikat: Gold-Hebel-Long
Emittentin: Deutsche Bank
Ausfallprämie: 1,3 Prozent - niedriges Risiko
Funktion: Steigt und fällt vier Mal so stark wie der Goldpreis (aktuell 1710 Dollar); keine Laufzeitgrenze, keine Währungssicherung;
Achtung: Totalverlust, wenn Goldpreis Basisschwelle (aktuell 1289,10 Dollar) berührt oder unterschreitet.
Kurs/ Stoppkurs: 32,80/ 27,85 Euro
ISIN: DE000DX12HL8
Chance/ Risiko: 8/7¹
¹ 10=hoch; 1=niedrig
Quelle: Thomas Reuters, Bloomberg, eigene Recherchen; Stand 29. Oktober 2012
Zertifikat: Brent-Bonus-Cap
Emittentin: Goldman Sachs
Ausfallprämie: 1,8 Prozent - mittleres Risiko
Funktion: Bleibt Ölpreis (Brent, aktuell 108,90 Dollar) bis 13. Mai 2013 über 80 Dollar, Rückzahlung von 130 Euro (9,2 Prozent in sieben Monaten); Währungssicherung; Verluste bei Ölpreisrückgang auf 80 Dollar und weniger.
Kurs/ Stoppkurs: 119,05/ 101,19 Euro
ISIN: DE000GT04DP6
Chance/ Risiko: 6/5¹
¹ 10=hoch; 1=niedrig
Quelle: Thomas Reuters, Bloomberg, eigene Recherchen; Stand 29. Oktober 2012
Der Bund-Future ist das wichtigste Barometer für Anleihezinsen. Er ist ein Terminkontrakt, in dem die Kurse langlaufender Bundesanleihen verrechnet sind. In den vergangenen Jahren ist der Bund-Future kräftig gestiegen, weil die Zinsen gesunken sind. Wenn die Zinsen steigen, wird der Bund-Future sinken – und Shortzertifikate auf ihn werden zulegen.
Wichtig ist, Zertifikate auszuwählen, deren Risiko möglichst niedrig ist. Denn im Extremfall droht Totalverlust – wenn der Bund-Future den Basispreis des Zertifikates berührt oder überschreitet. Die Basis ist die Schwelle, von der ab sich der Wert eines Zertifikats berechnet.
Derzeit steht der Future bei 141 Prozent. Zertifikate mit einer Basis bei 162 Prozent (siehe Tabelle) kosten derzeit rund 21 Euro. Sinkt der Future um zehn Prozent auf 127, steigen die Zertifikate auf etwa 35 Euro. Das wären etwa 60 Prozent Plus. Der Mehrwert dieser Papiere besteht darin, dass sie die Kurse des Futures umdrehen und dazu eventuelle Gewinne vervielfachen.
Aktienindizes mit Potenzial
Indexpapiere gehören zu den Klassikern unter den Zertifikaten. Besonders vielversprechend unter den bekannten Indexkurven ist derzeit der MDax. Trotz Krise hat das Barometer deutscher Nebenwerte sein Top-Niveau um 11 500 Punkte erreicht. Diese relative Stärke ist Vorbote weiterer Kursgewinne. Das konjunkturelle Umfeld ist zwar nicht rosig, doch die Geschäftserwartungen für 2013 sind stabil. Nach Analystenschätzungen können die 50 Unternehmen des MDax ihren Nettogewinn in diesem Jahr um ein Fünftel erhöhen, 2013 werden weitere 15 Prozent Gewinnplus erwartet. Danach hätte der MDax ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von zwölf. Die Gewinne der ähnlich bewerteten Dax-Unternehmen dürften schwächer zulegen, daran gemessen ist der MDax moderat bewertet.
Indexzertifikate auf den MDax bieten drei Vorteile: Anleger vermeiden erstens das Risiko, mit einzelnen Aktien auf die Nase zu fallen. Zweitens ist die Kauf-Verkaufs-Spanne mit 0,05 Prozent gering; und drittens fließen knapp drei Prozent Dividendenrendite, die es von den Aktien gibt, automatisch in die Indexkurve und damit in den Zertifikatekurs mit ein.
Gas ohne Ende
Zu den heißesten Anlagetrends gehört die Entwicklung auf dem weltweiten Gasmarkt. Erst entfachten in Schiefergestein gefundene Vorkommen in den USA einen stürmischen Boom; dann ließ die Überproduktion den Gaspreis kollabieren. Nun keimt wieder Hoffnung. An den amerikanischen Terminbörsen haben sich die Preise für Erdgas sei dem Frühjahr fast verdoppelt.
Noch sind die US-Preise niedriger als die in Europa und Asien. Mit Ausbau der Transportkapazitäten, besonders für verflüssigtes Erdgas (LNG), dürften sich die Preise weltweit angleichen, der US-Preis also weiter anziehen.
Davon werden auch wichtige Aktien der Branche profitieren. Sie stecken im Natural-Gas-Index der New Yorker Börse; etwa die der Gasförderer Chesapeake, Devon oder Anadarko. Indexzertifikate auf diese Kurve sind mit fast zwei Prozent Kauf-Verkaufs-Spanne zwar nicht billig, dank unbegrenzter Laufzeit aber als langfristiges Investment geeignet.
Gold mit Hebel, Öl mit Schwankungen
Die weiteren Aussichten des gelben Metalls sind gut. "Notenbanken kaufen Gold, es gibt negative Realzinsen, ein Abwertungswettbewerb von Währungen beginnt – dies alles gibt dem Gold Aufwärtspotenzial", sagt Stefan Schilbe, Chefvolkswirt bei HSBC Trinkaus. Die Diskussion um den Verbleib des Goldes der Bundesbank wirft zudem ein Schlaglicht darauf, wie hellhörig jede Entwicklung um das Edelmetall verfolgt wird.
Man kann mit Zertifikaten zwar auch im Verhältnis eins zu eins auf den Goldpreis setzen. Doch in diesem Fall ist physisches Metall sicherer. Wenn schon Zertifikate, dann gleich ein Feature nutzen: einen Hebel, der den Gewinn im Erfolgsfall vervielfacht.
10 Tipps für Börseneinsteiger
Bevor ein potentieller Anleger zum ersten Mal Aktien kauft, sollte er sich Gedanken darüber machen, welches Ziel er mit der Geldanlage verfolgt und für welchen Anlegertyp er sich hält. Wenn mit den Aktien später die Altersvorsorge aufgestockt oder das Studium der Kinder finanziert werden soll, muss an der Börse eine andere Taktik angewendet werden, als wenn es um kurzfristige Gewinne geht. Die grundlegende Frage ist: Sind Sie auf den Betrag angewiesen und investieren deshalb lieber mit möglichst geringem Risiko oder können Sie eventuelle Verluste verschmerzen und renditestärkere aber auch riskantere Papiere kaufen?
Wer die Frage nach der eigenen Risikoneigung mit "no risk, no fun!" beantwortet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er zwar sehr viel gewinnen, aber auch sehr viel verlieren kann. Für den Anfang schadet es nicht, auf eine langfristige Strategie zu setzen und die Entwicklungen an den Märkten zu beobachten. Kleine Zockereien für den Nervenkitzel sind dann im Verlustfall besser zu verschmerzen. Nach dem Geckoschen Leitsatz "Greed is good" sollten Börsenneulinge nicht handeln.
Was eine Aktie ist und wie sie funktioniert, dürfte jedem klar sein. Wer sein Depot auch mit Anleihen und Zertifikaten füllen möchte, sollte nur in Produkte investieren, die er auch versteht. Wer nur auf die Renditeversprechen hört und Produkte kauft, deren Vor- und Nachteile, beziehungsweise Funktionsweisen er nicht begreift, fällt über kurz oder lang auf die Nase.
Bevor Sie ein Depot eröffnen, vergleichen Sie die Gebühren der Banken. Je höher die Gebühren sind, desto geringer fällt die Rendite nachher aus. Direktbanken haben im Regelfall günstige Konditionen und bieten kostenlose Depots an.
Anleger sollten ihr Geld - und damit auch ihr Risiko - zumindest am Anfang möglichst breit streuen. Verteilen Sie Ihr Geld auf verschiedene Märkte wie Rohstoffe und Energie, sowie auf Aktien, Fonds und Anleihen.
Wer seinem Portfolio Fonds oder Zertifikaten beimischt, sollte auch innerhalb dieser Anlageklassen auf eine gute Mischung achten. Fondsanbieter und deren Produkte lassen sich online schnell vergleichen. Wer nicht nur in ein oder zwei Gesellschaften investiert, ist auf der sicheren Seite.
Besonders wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen für Ihre Geldanlage und Ihr Depot regelmäßig überprüfen: Welche Anlageinstrumente haben sich wie entwickelt? Ist es Zeit, das Depot umzuschichten, oder läuft alles in meinem Sinne?
Bei der Überprüfung des Depots sollte man sich immer mal wieder fragen: Würde ich diese Aktie oder diesen Fonds heute noch kaufen? Lautet die Antwort ja, behalten Sie das Produkt. Sind Sie von der Qualität nicht mehr überzeugt, wird es Zeit zum Verkauf.
Entwickelt sich eine Aktie oder ein sonstiges Produkt nicht so, wie geplant, sollten Sie nicht zögern, es zu verkaufen. Sogenannte Stopp-Loss-Orders, also Untergrenzen, bei denen verkauft werden soll, können hilfreich sein. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn man den Kurs nicht permanent selbst im Auge behalten kann oder will.
Grundsätzlich gilt: Verlieren Sie nicht die Nerven. An der Börse gibt es Kursschwankungen, Aktienkurse können unerwartet einbrechen. Das sollte aber kein Grund sein, den Kopf zu verlieren. Panische und unüberlegte Deals kosten meist mehr Geld als die Abwärtstrends.
Wie bei Shortzertifikaten auf den Bund-Future errechnet sich bei Longzertifikaten auf Gold deren Wert aus der Differenz zwischen Basispreis und aktuellem Goldpreis. Bei Longpapieren, die vom steigenden Goldpreis beflügelt werden, liegt der Basispreis unter den aktuellen Metallnotierungen. Das heißt: Longpapiere mit einer Basis bei 1289 Dollar je Unze sind bei einem Goldpreis von 1710 Dollar zunächst 421 Dollar wert. Zehn Zertifikate beziehen sich auf eine Unze, ein Zertifikate kostet damit also 42,10 Dollar gleich rund 32 Euro.
Schon wenn der Goldpreis nur sein bisheriges Hoch bei gut 1900 Dollar erreicht, können aus elf Prozent Plus im physischen Metall im Zertifikat mehr als 40 Prozent Gewinn werden.
Bonus für Öl
Zu den Jahrhunderttrends gehört der steigende Verbrauch von Rohöl. In diesem Jahr, so die Internationale Energieagentur, dürfte der weltweite Tagesverbrauch um 0,7 Millionen Barrel auf 89,7 Millionen Barrel steigen; 2013 wird ein Anstieg auf 90,5 Millionen Barrel erwartet.
Mehr Verbrauch bedeutet nicht gleich höhere Ölpreise, auch das Angebot kann ja steigen. Doch Spannungen im Nahen Osten führen eher zu einer Drosselung als zu einer Ausdehnung der Produktion. Robin Batchelor, Rohstoffexperte des Fondskonzerns Blackrock, erwartet einen zwischen 90 und 120 Dollar schwankenden Preis für Nordsee-Öl.
Wenn ein Basiswert schwankt, können Bonus-Cap-Zertifikate ihre Vorteile ausspielen: Bleibt der Ölpreis innerhalb einer Bandbreite, gibt es am Ende der Laufzeit eine feste Rendite (Bonus). Die Zertifikate eignen sich also für Seitwärtsphasen. Bonuszertifikate mit einer Untergrenze bei 80 Dollar bringen bis Mai 2013 gut neun Prozent Gewinn. Aufs Jahr gerechnet wären dies 18 Prozent Rendite. Bei hochverzinslichen Anleihen müsste man, um die zu schaffen, deutlich höhere Risiken eingehen. So gesehen dürfte der Ölbonus kein schlechtes Geschäft sein.