Energieeffizienz „Mieter werden bei Modernisierungen belastet – nicht entlastet“

Energetische Sanierung, wie eine Isolierung der Außenfassade, macht das Wohnen für den Mieter insgesamt teurer. Quelle: imago images

Investoren setzen auf marode Immobilien. Auch deren Mieter würden profitieren. Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund hält das für reines Marketing. 

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Massiv steigende Kreditzinsen verteuern den Immobilienkauf und belasten den Markt. Vor allem bei älteren Bestandsbauten kommen die sprunghaft erhöhten Energiekosten hinzu, sodass deren Eigentümer entweder teuer sanieren müssen oder Mieter durch ihre Heizkosten extrem belastet werden. Dennoch setzen einige Investoren gezielt auf marode Immobilien und erhoffen sich in diesem Segment besonders hohe Renditen, wie wir hier beschrieben haben. Dabei, so das Versprechen, wollen sie sozialverträglich modernisieren und Mieter nicht verdrängen.

Stimmt das? Wir haben darüber mit Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund gesprochen.

WirtschaftsWoche: Frau Weber-Moritz, kommt es im untersten Segment des Mietwohnungsmarktes, bei schlecht oder gar nicht sanierten Immobilien, am häufigsten zu Beschwerden von Mietern?
Melanie Weber-Moritz: Nach unseren Erfahrungen kann ich sagen, dass es bei Immobilien mit schlechter Energieeffizienz nicht unbedingt zu mehr Beschwerden kommt.

Zur Person

Welche Probleme gibt es bei solchen Immobilien häufiger?
Zu Problemen kommt es oft, wenn Immobilien saniert werden. Und hier sind in der Tat vor allem Immobilien mit schlechter Energieeffizienz betroffen, deren Mieten tendenziell niedrig sind. Damit betrifft dies vor allem sozial schwache Mieter. Vor allem die Modernisierungsumlage führt dabei oft zu Streit. Diese Umlage wurde vor vielen Jahren eingeführt und stellt eigentlich einen Fremdkörper im Mietrecht dar. Damals ging es nicht so sehr um Klimaschutz, sondern eher um die Ertüchtigung des Gebäudebestandes. Die Umlage berechtigt Vermieter die Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen, zeitlich unbegrenzt.

Dahinter steht der Gedanke, dass Modernisierungen oft den Energieverbrauch senken. Davon profitiert der Mieter, nicht der Vermieter, der aber für die Modernisierung aufkommen muss. 
In der Theorie ist das nachvollziehbar. Aber in der Praxis ist die Angelegenheit viel komplizierter.

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von Niklas Hoyer

Warum? 
Es fängt damit an, dass auch der Anbau von Balkonen oder eine moderne Briefkastenanlage eine Modernisierung darstellen. So etwas mag die Wohnqualität steigern, aber es senkt nicht die Kosten der Mieter. Aber selbst wenn wir wirklich über Energieeffizienz bei der Modernisierung reden, also eine neue Dämmung, bessere Fenster oder eine modernere Heizung, geht das Kalkül in aller Regel nicht auf. Die Energiekostensenkung gleicht den Mietanstieg nicht aus. Sprich: Unter dem Strich zahlen Mieterinnen und Mieter nach Abschluss der Modernisierung eine höhere Warmmiete als vorher.  

Dabei wurden die Regeln für die Modernisierungsumlage in den vergangenen Jahren geändert. Hat das etwas gebracht? 
Dass eine Kappungsgrenze bei der Modernisierungsumlage eingeführt wurde, begrüßen wir beim Deutschen Mieterbund sehr. Nun kann die Miete nicht mehr extrem erhöht werden. Auch die Senkung der jährlichen Umlage von elf auf acht Prozent der Gesamtkosten ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es bleibt eben dabei, dass Mieter durch die Modernisierungsumlage belastet werden – keinesfalls entlastet.

Stimmt das wirklich so pauschal?
Die wenigen Fälle, bei denen nach einer energetischen Sanierung die Warmmieten nur leicht gestiegen sind, gab es bei Beständen von Genossenschaften oder kommunalen Wohnungsunternehmen. Bei den Beständen rein gewinnorientierter Vermieter sind Modernisierungen, was die Mietkosten angeht, meist eine schlechte Nachricht für die Mieter. 

Allerdings sind die Energiekosten zuletzt ja massiv gestiegen. Damit zahlen sich doch auch Energieeinsparungen für Mieterinnen und Mieter viel mehr aus, oder?
Schon. Aber zugleich haben sich auch Modernisierungsmaßnahmen massiv verteuert, wegen der gestiegenen Bau- und Materialkosten. Bislang sehe ich nicht, dass das Ergebnis sich hier zu Gunsten der Mieter verschoben hätte.

Ohne Modernisierung würde der Bestand aber veralten. Auch das wäre für die Bewohner schlecht.
Die Umlage hat aber Nebenwirkungen. So beantragen Vermieter teils gar keine staatliche Förderung für ihre Investitionen, weil der bürokratische Aufwand dabei groß ist. Sie gehen dann lieber den einfacheren Weg und legen die Kosten auf die Mieter um. Fließen doch Fördermittel, darf der Vermieter aber nur die restliche Investition umlegen.

Auch Instandhaltungsausgaben müssen rausgerechnet werden. Nur der Rest darf auf die Mieter umgelegt werden.
Das stimmt zwar. Allerdings ist die Abgrenzung von Modernisierung und Instandhaltung häufig schwierig. Wir beobachten jedenfalls, dass viele Vermieter die Instandhaltung schleifen lassen und dann lieber später eine umlagefähige Modernisierung daraus machen, also ein größeres Projekt. Der Verdacht liegt nahe, dass dabei dann Instandhaltungsausgaben beim Mieter landen. Auch vor Gericht lässt sich diese Abgrenzung oft schwer nachweisen.

Investoren berichten, dass sie auch vor dem Hintergrund des ESG-Trends, also einem Fokus auf Umweltschutz, Sozialstandards und guter Unternehmensführung, viel Wert auf sozialverträgliche Modernisierungen legen.
Das ist aus meiner Sicht reines Marketing. Wenn Mieterhöhungen von 20 oder 30 Prozent sozialverträglich sind, dann mag es stimmen. Aus meiner Sicht sind sie das aber nicht. Und mit ein paar Prozentpunkten Mieterhöhung kommen eben die wenigsten Wohnungsunternehmen aus. In vielen Fällen werden Bestandsmieter durch Modernisierungen verdrängt. Wenn Immobilien komplett saniert werden, dann gibt es oft sogar gezielt Angebote der Wohnungsunternehmen, um Bestandsmieter zum Wohnungswechsel zu bewegen. Danach werden die Objekte dann weiterverkauft oder neu vermietet, an andere Mieter zu deutlich höheren Mieten. Bei einer umfassenden Sanierung greift dann aufgrund der Ausnahmeregelung auch keine Mietpreisbremse, selbst wenn sie vor Ort gilt.

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Welche Themen treiben Mieter noch um, abseits von Modernisierungen und den damit verbundenen Mieterhöhungen?
Bei uns spielt aktuell vor allem die Kontrolle von Betriebskostenabrechnungen eine große Rolle. Durch die massiv gestiegenen Energiekosten wird sich das Problem der ohnehin hohen Mieten noch verschärfen. Momentan sehen wir erste Anzeichen davon. Aber noch ist es wohl die Ruhe vor dem Sturm.

Lesen Sie auch, wie Investoren ausgerechnet mit maroden Immobilien gutes Geld verdienen wollen.

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