Immobilien Wenn der Traum vom eigenen Heim platzt

Es ist die größte Investition im Leben und in Zeiten wachsender Mobilität die schwierigste: der Kauf einer Immobilie. Doch der Traum vom Eigenheim rechnet sich oft nicht. Mieter bauen bis zum Lebensende oft mehr Vermögen auf als Häuslebauer.

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Größte Investition im Leben: Quelle: dpa

Wenn es Ihnen auf der nächsten Stehparty unter Mitgliedern der Generation 40+ langweilig zu werden droht, versuchen Sie es doch mal mit der Frage: „Nachbarn von Freunden verkaufen gerade günstig ihre Doppelhaushälfte. Was meint ihr: Lohnt sich das heute noch?“ Das Häppchen ist noch nicht verspeist, da wird die Rede sein von wundersamen Wertzuwächsen für Eigentumswohnungen in Innenstadtlagen, auf deren Grund neulich noch Fabrikschlote rauchten. Von Oma ihr klein Häuschen, das abbezahlt und vermietet nun kräftig Geld abwirft. Von Bauern, deren Äcker weit draußen vor den Toren der Stadt zu Gold wurden, weil die Gemeinden sie als Bauland deklarierten.

Und nicht zu vergessen: Das Totschlag-Argument Altersvorsorge – rechnet einem doch schließlich jede Bausparkasse vor, dass es keine bessere gibt. Außerdem zahlt jeder lieber eine Immobilie ab und damit in die eigene Tasche als in die des Vermieters.

Grundsätzlich gibt es einige Argumente für einen möglichen Immobilienkauf. Die Hypothekenzinsen sind trotz des jüngsten Anstiegs historisch noch niedrig, die Börsen wackeln, und Anleihen schaffen netto gerade mal einen Inflationsausgleich. Alternative Anlagen wie beispielsweise Hedgefonds brachten in diesem Jahr im Durchschnitt bisher keinen Cent Gewinn.

Traurige Wahrheiten. Worüber mit dem Weinglas in der Hand nur vermeintliche Nihilisten parlieren: über Citylagen, deren Werte sinken, weil ganze Straßenzüge jahrelang umgegraben und neu bebaut werden. Über Omas Haus, das energietechnisch zur Bruchbude verkommen ist, und über günstige Neubauten im grünen Speckgürtel, die für Familien wegen teurer Fahrtkosten zum Arbeitsplatz und Jugendmusikschule jeden finanziellen Vorteil zunichte machen.

Und selbst die Altersvorsorge nimmt der Spielverderber ins Visier: Will doch in 25 Jahren eine alternde Gesellschaft womöglich kein Reihenhaus mit 140 Quadratmetern mehr kaufen, die sich auf drei stufenreichen Etagen verteilen, sondern begehrt eine schicke Eigentumswohnung – ebenso groß, aber ebenerdig.

Abgerechnet wird zum Schluss. Das gilt vor allem bei sehr langfristigen Investitionen wie dem Kauf einer Immobilie. Tatsache ist: Wer in den vergangenen zehn Jahren seine Immobilie mit einem jährlichen Wertzuwachs von nur zwei Prozent weiterverkaufen konnte, darf schon einen Sekt aufmachen.

Der Maklerverband IVD umschreibt die traurige Wertentwicklung elegant: „Die Kaufpreise blieben im Bundesdurchschnitt stabil, nur Eigentumswohnungen wurden um knapp ein halbes Prozent preiswerter.“ Oder anders ausgedrückt: Wer sich in den vergangenen Jahren nicht in Top-Lagen von Boom-Städten wie Köln oder München einkaufte, schreibt real – abzüglich der Inflation – Verluste.

Neuss ist überall. Selbst Eigentum, das sich ohne Kredit finanzieren lässt, führt nicht automatisch zu einem Rendite-gewinn. Das wurde Carsten Kullmann* schon beim groben Überschlagen klar. Der Neusser Familienvater hatte sich für ein helle, offene 100-Quadratmeter-Wohnung samt Gärtchen in einer gepflegten Anlage in der Innenstadt entschieden – als Mieter. Der Bauträger, in finanzielle Schwierigkeiten geraten, redete dem Ingenieur noch bei der Unterschrift zum Mietvertrag gut zu, ob er die Wohnung nicht doch kaufen wolle. Man sei auch bereit, vom zunächst genannten Kaufpreis von 220.000 Euro zehn Prozent abzuziehen.

Dem gegenüber standen 670 Euro Kaltmiete und 260 Euro Nebenkosten. Beim Kauf käme noch das verpflichtende Hausgeld hinzu, die Rücklage der Eigentümergemeinschaft: 240 Euro pro Monat.

Kullmann nahm die Offerte ernst: „Ich habe damals nachgerechnet: Würden wir die 200.000 Euro Kaufpreis zu netto fünf Prozent im Jahr anlegen, blieben uns nach Abzug der Steuer rund 7000 Euro Zinsertrag pro Jahr – plus Zinseszinsgewinne.“ Pro Monat hätte die Familie weiter knapp 600 Euro aus diesem Topf. „Wir investieren seit Jahren in Aktien und Festgeld, fünf Prozent Nettorendite haben wir bisher immer geschafft“, so Kullmann.

Ist Ihnen das neue Häuschen am Ende so viel wert?

Seine Gegenrechnung: Kauft er die Wohnung, verliert er die 600 Euro Zinseinnahmen monatlich und zahlt zugleich 240 Euro Hausgeld und die Nebenkosten von 260 Euro, die immer anfallen. Summa summarum: Statt 930 Euro Miete würde ihn die bar ohne Kredit gekaufte Wohnung 1100 Euro im Monat kosten.

Möglicher Vorteil eines Kaufes der Eigentumswohnung: ein Wertzuwachs, der in der als mittel geltenden Lage aber schwierig einzuschätzen ist. Nachteil: „Im Gegenzug wären nahezu alle unsere Ersparnisse darin gebunden, und wir wären finanziell unflexibel geworden“, befürchtete Kullmann vor drei Jahren, als das Angebot vorlag.

Auch sein Freiheitsgewinn wäre überschaubar gewesen: In der Wohnung hätte ihm nicht viel mehr als die Luft zwischen den Wänden gehört hätte – die Wände sind schon Gemeinschaftseigentum. Eben diese Gemeinschaft hat seit Kullmanns Einzug entschieden, Grillen im Garten zu verbieten, und eine Schaukel für die vielen Kinder der Anlage minimiere die Verhandlungsbasis verkaufswilliger Wohnungsbesitzer. Auch ziehen beständig neue Mieter ein und aus. Deshalb kommt Mieter Kullmann zu dem Schluss: „Unsere Entscheidung, nicht zu kaufen, war goldrichtig.“

Sehnsucht und Begehr rauben den Verstand. Das gilt auch für die Liebe zur Immobilie. Viele Verliebte rechnen sich die wahren Kosten und mögliche Wertzuwächse schön. 250.000 Euro für das ältere Reihenhäuschen im Berliner Umland hören sich einfach vernünftiger an als die fast eine halbe Million Euro, mit der es womöglich die nächsten Jahrzehnte einer Familie auf der Tasche liegt.

Zwei Beispiele:

Eine 250.000 Euro teure und schöne Dachgeschosswohnung in der Hanauer Innenstadt kostet tatsächlich knapp 439.000 Euro (Annahme: 200.000 Euro Kredit, 5,3 Prozent Zins, 1,5 Prozent Tilgung, keine Sondertilgung, 1133 Euro Monatsrate; insgesamt 388 700 Euro für den Kredit plus 50.000 Euro Eigenkapital).

Bei nur 1,0 statt 1,5 Prozent Tilgung sind es sogar fast 50.000 Euro mehr.

Das ältere Reihenendhaus in Köln-Deutz für 390.000 Euro belastet eine Familie mit knapp 590.000 Euro (Annahme: 300.000 Euro Kredit, 5,3 Prozent Zins, 1,0 Prozent Tilgung, 5000 Euro jährliche Sondertilgung, 1575 Euro Monatsrate; insgesamt 499.000 Euro für den Kredit plus 90.000 Euro Eigenkapital).

Daumenregel: Es endet oft beim Doppelten des Kaufpreises.

Ist Ihnen das neue Häuschen am Ende so viel wert?

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