




Viele Immobilienkäufer bevorzugen einen Neubau, weil sie glauben, dass sie dann am wenigsten Ärger und Arbeit mit der Instandhaltung und Ausstattung ihres neuen Zuhauses haben. Klingt logisch, ist aber nur die halbe Wahrheit: Tatsächlich haben Bauherren auch mit ihren nagelneuen Domizilen jede Menge Stress, manchmal geraten sie deshalb sogar in Finanznot.
Eine Studie des Bauherren-Schutzbundes kommt zu dem Ergebnis, dass sich in den elf Jahren von 2002 bis 2013 die durchschnittlichen Schadenhöhe an Neubauten von 33.000 auf 67.000 Euro verdoppelt hat. Die Schadenfälle haben sich im gleichen Zeitraum sogar mehr als vervierfacht.
Die Bauexperten des Vereins sehen die Hauptursache in den strengeren Vorschriften, die den Energieverbrauch senken sollen. Immer häufiger tauchen die Wärmedämmung sowie die Haustechnik unter den gemeldeten Versicherungsschäden auf. Die Erneuerbare Energien-Verordnung (EnEV), die in der betrachteten Zeitspanne mehrfach verschärft wurden, erschwert es den Bauhandwerkern offenbar, mängelfreie Arbeit abzuliefern.
Das Instituts für Bauforschung Hannover (IFB) hatte für die Studie knapp 5000 Fälle der Versicherungsgesellschaft AIA AG untersucht, die bei der Berufshaftpflicht für Handwerks- und Bauunternehmen einen Marktanteil von 30 Prozent hat. Die Zahl stieg in den vergangenen drei Jahren stark an, wie IFB-Direktorin Heike Böhmer betonte. Es wurden jedoch nach einem langen Rückgang auch mehr neue Wohnungen genehmigt. Nicht gestiegen ist laut Bundesamt in dieser Zeit die Zahl der Baustreitigkeiten, in denen Amts- und Landgerichte entschieden haben.
Typische Mängel in Neubauten
In 19 Prozent der vom Institut für Bauforschung untersuchten Baumängel gab es ein Problem mit dem Rohbau, der Statik oder der Dachkonstruktion. Damit ist dieser häufiger von Neubaumängel betroffen als jeder andere.
Das Haus in eine dicke Isolierschicht zu packen, ist inzwischen für Neubauten sogar durch die Energie-Einsparverordnung (EnEV) vorgeschrieben. 13 Prozent der Mängel sind hier angesiedelt.
Ebenfalls in 13 Prozent der Fälle gibt es Mängel an Estrichböden oder dem Wandputz bzw. den Trockenbauwänden im Hausinneren.
Bei der Isolierung der Gebäudehülle sowie dem baulichen Brand- und Schallschutz kommt es häufig zu fehlerhafter Ausführung. Zwölf Prozent der Mängel an Neubauten entfallen auf dieses Gewerk.
Auch ohne Wärmedämmung, Abdichtungen und Isolierschichten beziehen sich noch immer neun Prozent der Neubaumängel auf die Bereiche Fassade und Dach.
Jeweils acht Prozent der untersuchten Neubaumängel betreffen Fenster sowie Türen oder die Luftdichte Ebene. Die technischen Anlagen eines Neubaus sind in sieben Prozent der Fälle mangelhaft, vier Prozent betreffen die Bausicherheit.
Nach einer Untersuchung des Instituts für Bauforschung und des Bauherren-Schutzbundes haben 45 Prozent der Baumängel in Neubauten ihre Ursache in einer fehlerhaften Ausführung der Arbeiten durch die Handwerker. In einem Viertel der Fälle liegt der Fehler in der Bauleitung, bei rund 20 Prozent handelt es sich um Planungsfehler. Fehlerhaftes Material ist in nicht einmal sechs Prozent der Fälle die Ursache.
Planungs- und Ausführungsfehler sind häufig auf eine fehlerhafte Bau- und Leistungsbeschreibung zurückzuführen. Gerade mal ein Prozent der Baubeschreibungen entsprechen durchgängig den geforderten Mindeststandards. Mehr als die Hälfte ist zwar im Wesentlichen vollständig, aber die Beschreibungen sind fehlerbehaftet. Bei 42 Prozent der Baubeschreibungen sind die gewünschten und benötigten Leistungen unvollständig oder nicht eindeutig beschreiben. In vier Prozent der Fälle fehlen sogar wesentliche Angaben und die Leistungsbeschreibung ist mangelhaft. Die Fehler betreffen vor allem notwendige Unterlagen und technische Nachweise, den Bereich Planung und Bauleitung, Erdarbeiten sowie die allgemeinen Objektangaben.
Dass die Bauschäden aufgrund der zunehmenden Bautätigkeit zugenommen haben, ist jedoch nur eingeschränkt richtig. Der Studie zufolge haben die Schadensfälle auch in den Jahren zugenommen, in denen die Bautätigkeit rückläufig war. Auffällig ist jedoch, dass sich das Verhältnis abgeschlossener Schadenfälle zu den in Bearbeitung befindlichen Schäden seit 2005 deutlich verschoben hat. Der Anteil abgeschlossener Versicherungsfälle ist stetig gesunken, während die in Bearbeitung befindlichen Fälle weiter rasant anstiegen. Bis Schäden von der Berufshaftpflicht des Handwerkunternehmens oder Bauträgers reguliert sind, vergehen zunehmend Jahre.
Nur gut jeder fünfte gemeldete Schaden fällt der Studie zufolge schon während der Bauphase auf. Die meisten Bauschäden - knapp ein Drittel - werden innerhalb des ersten Jahres nach Fertigstellung gemeldet. Mit den Folgejahren nehmen die gemeldeten Fälle immer weiter ab. Knapp zehn Prozent der Bauschäden werden sogar erst nach Ablauf der fünfjährigen Gewährleistungspflicht entdeckt und der Versicherung gemeldet. Sie können eine erhebliche finanzielle Belastung für die Bauherren darstellen.
Häufige Handwerkertricks
Die meisten Beschwerden über Handwerker erreichen Schiedsstellen und Verbraucherschützer wegen überhöhter Rechnungen, die deutlich über den Kostenvoranschlag hinaus gehen. Grundsätzlich ist ein Kostenvoranschlag aber unverbindlich – die Branche spricht auch von einem „freibleibenden Angebot“. Damit kann der Handwerker mit seiner Rechnung auch über den Kostenvoranschlag hinausgehen. Gerichte erkennen Preiserhöhungen von zehn bis 20 Prozent noch als vertretbar an. Der Handwerker ist nur dann an den Kostenvoranschlag gebunden, wenn explizit ein Festpreis, also ein verbindlicher Kostenvoranschlag, vereinbart wurde.
Das Angebot vieler Handwerker „ohne Rechnung wird es etwas billiger“ mag verlockend klingen, schließlich spart der Kunde so mindestens die Mehrwertsteuer. Der Haken: Wer Handwerker schwarz beschäftigt, hat auch keinen Gewährleistungsanspruch. Die Durchsetzung von Mängelbeseitigungen wird erschwert. Handwerker dürfen im Vertrag aber die Gewährleistung ausschließen. Prüfen Sie das Kleingedruckt und die AGB daraufhin. Wird dort etwa statt der sonst üblichen Gewährleistung nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) die Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauarbeiten (VOB/B) vereinbart, schränkt dies die Gewährleistung ebenfalls ein.
Wer aus Not nachts einen Installateur oder Schlüsseldienst kommen lässt, muss mit Zuschlägen für den Nacht- oder Wochenendeinsatz von 50 bis 70 Prozent auf den üblichen Stundenlohn leben. Mehr ist unüblich und zu beanstanden. Ein Zuschlag auf die Gesamtrechnung ist unzulässig. Und Handwerker, die mittags gerufen werden, aber erst nach der regulären Arbeitszeit auftauchen, dürfen auch keine Zuschläge verlangen.
Was tun, wenn statt eines erwarteten Handwerkers zwei vor der Tür stehen? Sicher, es gibt Arbeiten, für die vier Hände nötig sind. Aber zum einen muss der Auftraggeber das nur da, wo nötig, akzeptieren. Zum anderen sollte er darauf achten, dass die ungelernte Hilfskraft, die als Handlanger fungiert, auf der Rechnung nicht als teurer Facharbeiter auftaucht - mit deutlich höherem Stundensatz.
Vielleicht haben Sie das schon erlebt, als Sie mir Ihrem Auto zur Inspektion in eine Werkstatt fuhren: Anstatt sich auf den fälligen Ölwechsel und Filteraustausch zu beschränken, eröffnet Ihnen der Mechaniker, die Stoßdämpfer seien angeschlagen und sollten getauscht werden. Für einen Laien ist das schwer zu überprüfen. Wer aber einen zweiten, vertrauensvollen Automechaniker um Überprüfung bittet, erfährt mitunter, dass es die Stoßdämpfer noch tun und erst getauscht werden sollten, wenn sie tatsächlich die Funktion verweigern. Über Schlüsseldienste zum Beispiel gibt es immer wieder Beschwerden, sie würden unnötigerweise bei der Öffnung einer Tür auch das Schloss beschädigen und unnötigen Ersatz verkaufen und installieren. Ist die Waschmaschine defekt, genügt manchmal ein Stück Schlauch für die Reparatur, der Handwerker baut aber gleich eine neue Pumpe ein. Eine zweite Meinung kann auch hier helfen, viel Geld zu sparen.
Gerade bei Bauarbeiten ist dem fertigen Werk aber nicht unbedingt anzusehen, welche Materialien darin verarbeitet wurden. Kritiker von Baupfusch beklagen immer wieder, dass Arbeiten nicht gemäß der Bauvorschriften durchgeführt wurden und zum Beispiel zu wenig Isoliermaterial Anwendung fand. Eine Prüfung der Dekra ergab, dass es im Hausbau durchschnittlich 32 Mängel gibt. Auf der Abrechnung sieht es dann aber so aus, als entspräche alles den Bauvorschriften.
Grundsätzlich gibt es Materialien, bei denen auch mit Verschnitt gerechnet werden muss, zum Beispiel bei Bodenbelägen oder Wandfliesen. Zuviel sollte es aber nicht sein. Die Versuchung ist groß, deutlich zu viel Material zu berechnen, als tatsächlich benötigt. Vor allem da, wo es von außen nicht sofort ersichtlich ist. Handwerker sollten in der Lage sein, zu erklären wo und wie viel sie von dem Material verwendet haben.
In der Regel sollten Handwerker nicht mehr als 15 Minuten Autofahrt berechnen. Muss der Handwerker nochmal zurück zum Betrieb um fehlende Ersatzteile oder Werkzeug zu holen, muss der Kunde das nicht zahlen. Es ist das Versäumnis des Handwerkers. Für die Zeit der Abwesenheit kann natürlich auch kein Stundenlohn verlangt werden. Schlüsseldienst fielen Verbraucherschützer oft negativ auf, weil sie in den Gelben Seiten mit lokalen Rufnummern werben, aber letztlich ein Callcenter die Anfragen entgegen nimmt und Handwerker mit langer Anfahrt zum Kunden schickt.
Den durchschnittlichen Streitwert jener Fälle, die vor Gericht landen, beziffert die Studie mit 42.000 Euro. Da sich an dieser Summe auch Anwalt- und Gerichtskosten bemessen, sind Gerichtverfahren wegen Baumängeln ein finanzielles Risiko für private Bauherren, zumal Rechtschutzversicherungen baurechtliche Streitigkeiten nicht übernehmen und die Verfahren auch Jahre dauern können. Die Baumängel, die gar nicht erst gemeldet werden, weil die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist oder der Handwerker nicht in die Haftung genommen werden kann, bleiben zudem im Dunkeln.
„Die Anforderungen an die Handwerker sind in diesen Jahren sehr gestiegen“, sagte der Bauherren-Berater Stefan Würzner bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Preis- und Zeitdruck würden die Bauschäden ebenfalls ansteigen lassen. Weil einheimische Handwerker oft ausgebucht seien, arbeiteten auf den Baustellen auch häufiger ausländische Kollegen, die hiesige Bauvorschriften noch nicht ausreichend kennen.
„Die Bauqualität in Deutschland muss besser werden, so kann es definitiv nicht weitergehen“, sagte Böhmer vom IFB. Inzwischen beträfen mehr als 18 Prozent der Bauschäden mehrere Bauteile. Darin liegt auch eine mögliche Erklärung für die gestiegenen Schadenhöhen, zumal die Baukosten selbst im gleichen Zeitraum nur um knapp ein Fünftel gestiegen sind.