Wohnungsmarkt Hamburg In der Hansestadt sind die Wohnungen knapp

Dass die Sache nicht ganz einfach wird, schwant einem schon bei der Internet-Recherche: Ganze 14 Wohnungen hat Marktführer Immoscout heute im Stadtteil Altona im Angebot, der hat immerhin fast 50.000 Einwohner.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Immobilienbanker Wiechern, Bertling Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Gerade mal sechs stehen in ganz Harburg zum Verkauf, 13 in Hoheluft. Aber hier: eine "lichtdurchflutete Dachwohnung mit Loft-Charakter" wäre zu haben, für knapp 500.000 Euro, in einer "ruhigen Nebenstraße von Uhlenhorst". Es gebe dafür "natürlich zahlreiche Interessenten", sagt der Makler am Telefon, man müsse "schnell besichtigen, angesichts der aktuellen Begebenheiten auf dem Markt", meint er vieldeutig, gleich morgen früh, zehn Uhr.

Am nächsten Morgen ist der Verkehr dicht und der Himmel trübe. Die Menschen tragen Mäntel und blicken missmutig an den roten Ampeln geradeaus. Die vielen Dixi-Klos und Betonmischmaschinen in den Vorgärten fallen auf – Zeugen der wieder erwachten An- und Umbaulust der Investoren und Hausbesitzer. Vor einem schlichten vierstöckigen Backsteinhaus steht ein junger Mann mit Dreitagebart, hellem Mantel und modischem Sommerschal. Eine Schreibunterlage und seinen Aktenkoffer hält er umständlich in einer Hand, während die andere in der Manteltasche nach dem bimmelnden Handy gräbt – muss der Makler sein. Das Loft entpuppt sich als oberste Etage des Eckhauses, vor dem die "ruhige Uhlenhorster Wohnstraße" auf den vierspurigen Mundsburger Damm mündet.

Der Markt trocknet aus

 "Gut gefunden?", ruft der Makler leutselig durch den Verkehrslärm. Während er noch telefoniert, stemmt er die Haustür gekonnt mit dem linken Bein auf. Im Treppenhaus riecht es nach großmütterlicher Küche. Die Wohnung sei trotz der zentralen Lage "nicht explizit laut", so der Jungmakler. Wenn man die Fester schließe und "zum Beispiel leise Musik anmacht", gehe es. Das Treppenhaus sei sonst gepflegt, die Putzfrau leider erkrankt, "der Rücken..." Die Wohnung ist alles, nur kein Loft. Vier Menschen und zwei Katzen teilen sich die beiden Ebenen. Die untere besteht aus einem einzigen Raum mit Küche, die obere ist kaum begehbar für Menschen, die größer sind als 1,80, wegen der allgegenwärtigen steilen Dachschrägen.

Wie denn geheizt werde, mit Fernwärme etwa?, fragt der Interessent. Da sei er überfragt, sagt der Makler. Wie lange der Mietvertrag der Katzenbesitzer noch laufe und wie hoch der Mietzins sei, will der Käufer wissen. Auch das sei, "normalerweise kein Ding", so der Makler, aber dieses Detail hat er "gerade nicht parat". Verkaufen wird er die Wohnung trotzdem bald. "In Hamburg können Sie zurzeit so gut wie alles verkaufen", sagt der Immobilien-Finanzierer Manfred Wiechern, der Markt sei dabei, "regelrecht auszutrocknen". Auf einen Verkaufswilligen kämen mindestens zehn Interessenten, schätzt Thorsten Reimers vom Großmakler Dahler & Company, "in den beliebten Alster-Vierteln eher 20".

Die Konkurrenz ist groß, ebenso die Nachfrage

Bürgerinitiativen-Gründer Leske, Planer Bloem Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Sogar für sehr kapitalkräftige Anleger ist Hamburg ein schwieriger Markt geworden, sagen sie. "Betuchte Kunden suchen meist ein Zinshaus mit 10 bis 40 gut vermieteten Wohnungen", erklärt Wiechern. Der Markt für diese Häuser sei aber "leergekauft. So was gibt es fast nicht mehr." Wenn doch mal ein Zinshaus auf den Markt komme, gehe es unter der Hand weg, wo die Leute dafür "Mondpreise" bezahlten, so der Financier. Die 35-fache Jahreseinnahme an Kaltmieten sei inzwischen keine Seltenheit; früher habe er von Objekten mit Preisen jenseits der 25-fachen Jahreskaltmiete abgeraten, so Wiechern; eine Mietrendite sei dann kaum mehr zu erzielen.

Gekauft wird trotzdem. "Verlangt ein Verkäufer von einem Tag auf den anderen zehn Prozent mehr, springt deswegen kaum ein Interessent ab", sagt ein Makler, "mit etwas Glück setzen wir dann ein Wettbieten in Gang." Allmählich dünne der Markt sogar bei Einfamilienhäuschen und Etagenwohnungen aus, ein "Segment", sagt Wiechern, das "Kapital-Anleger bis vor zwei, drei Jahren überhaupt nicht interessiert hat, wegen des hohen Verwaltungsaufwands im Verhältnis zu den Mieteinnahmen".

Vermietung bringt keine Rendite mehr

Dass der Immobilienboom schon bald seinen Höhepunkt erreicht, glauben die beiden Finanzierer nicht. Aus ihrer Zusammenarbeit mit Privatbanken und Vermögensverwaltern wissen sie, dass "es ein Riesenheer von Kapitalanlegern mit sehr viel Geld gibt, die noch an der Seitenlinie abwarten". Diese Leute hätten sich wohl "angesichts der schnell steigenden Preise ein wenig erschreckt", sagt Bertling, aber erfahrungsgemäß würden sie früher oder später auf den Markt drängen, denn: "Wer einmal den Entschluss gefasst hat, eine Immobilie zu kaufen, der gibt ihn in der Regel nicht so schnell wieder auf."

Anders als die Neulinge haben die ersten Profis in Hamburg schon die Segel gestrichen, der hohen Preise wegen. Bertling berichtet von einem neuen geschlossenen Fonds, der nur in Wohnimmobilien westdeutscher Metropolen investiert. Schon für die erste Tranche hatte es kaum noch passende Objekte gegeben. Ein zweiter, fast baugleicher Fonds sei geplant gewesen, doch Wiechern und er hätten abgewinkt, sagt Bertling: "Es gibt keine Hamburger Objekte mehr, die man günstig in den Fonds reinkaufen könnte; wie soll da noch eine vernünftige Rendite durch Vermietung rauskommen?"

"Die Wohnung ist schon weg"

In der Petkumstraße in Uhlenhorst wirbt vor einer hübschen vierstöckigen Jugendstilvilla der Immobilienkonzern Gagfah für Wohnungen, die hier zu verkaufen seien. "Können Se ruhig fotografieren, das Schild", tönt es von links, "die Wohnung ist aber schon weg!"

Ein älterer Herr, angetan mit heller Fotografen-Weste und Cargo-Hosen, keucht die Straße herauf. In der Hand hält er eine Jutetasche, aus der eine Packung Fischstäbchen lugt. Er komme vom Supermarkt und wohne in der Villa, schnauft er, und er sei sauer auf die Gagfah, weil jeden Tag zehn bis zwölf Menschen um das Verkaufsschild schleichen, ihre Nasen an den Fenstern plattdrücken und die Blümchen im Vorgarten zertrampeln, "obwohl die Wohnung schon seit Wochen verkauft ist". Seit 30 Jahren lebt er im ersten Stock, zuerst zur Miete, vor drei Jahren hat er seine 110-Quadratmeter Wohnung gekauft, für 3000 Euro den Quadratmeter.

"Als Mieter hatten wir ein Vorkaufsrecht. Ich fand das damals zu teuer, aber heute zahlen Sie hier das Doppelte", weiß er. Er besitze noch eine zweite Wohnung, gleich um die Ecke, "Ende der Neunziger aus steuerlichen Erwägungen gekauft". Die habe sogar ein "klein bisschen Alsterblick – im Winter, wenn das Laub ab ist". So was bekomme man heute aber nicht für unter 5.000 den Quadratmeter, erzählt er gut gelaunt. "Da habe ich 1997 zweitausend für bezahlt – D-Mark!" Das "Deeee-Maark!", zieht er in die Länge, mit ein paar Vokalen mehr als nötig, und hält den Zeigefinger hoch.

Rundherum werde jetzt "nachverdichtet", parliert er gekonnt im Fachjargon, "heißt: überall kommen Lofts auf die Dachböden oben auf. Da ziehen dann die Schnösel ein", erklärt er. "Und für jeden Schnösel fallen drei Parkplätze für die Anwohner weg." Wegen der breiteren Feuerwehrzufahrten, die wegen der Lofts notwendig seien – "eine Zumutung", findet der Mann, "mal von dem ständigen Baulärm ganz ab". Seine Jutetasche hat jetzt eine nasse Ecke – die Fischstäbchen tauen.

Da es in Hamburg zu wenig geeignete Flächen gibt, sind auch dem sogenannten Nachverdichten, das den Anwohner so nervt, enge Grenzen gesetzt. 8.000 Menschen zieht es jedes Jahr per saldo in die Hansestadt, der Senat schätzt den Bedarf auf 6000 neue Wohnungen pro Jahr, damit der Bestand wenigstens nicht überaltert, gebaut werden seit Jahren nur 3.000 – der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die Hansestadt will nun gegensteuern. Auf dem Gleisbett vor dem Kopfbahnhof Altona sollen von 2012 an auf 30 Hektar mehr als 3200 Wohnungen gebaut werden. Doch es gibt Stunk. Ihn störe gar nicht, dass "viele Menschen wieder in der Innenstadt wohnen wollen, statt draußen die Landschaft zu zersiedeln. Das ist an sich eine begrüßenswerte Entwicklung", sagt Stadtplaner Mario Bloem.

Und doch unterstützt er die Bürgerinitiative Altopia, die gegen die Pläne ankämpft. Ihn mache "die Art und Weise wütend, in der Stadt und Eigentümer Deutsche Bahn eines der letzten großen unbebauten Gelände in Hamburg regelrecht verhökern", erklärt deren Gründer Thomas Leske, 72, Nervenarzt und Psychiater im Ruhestand. Das Gelände sei "ein Rohdiamant", sagt Bloem, bei dem die Altopia-Leute und andere Anwohner sich Rat holen. "So ein riesiges, zentrales Baugrundstück gibt es in Städten wie Hamburg oder München nur alle 100 Jahre zu bebauen." Umso mehr ärgert Leske, dass die Stadt bereits Filetstücke in der Mitte des Geländes an Investoren verkauft habe, "ohne ein richtiges Gesamtkonzept für das Areal zu haben. Da geht es nur darum, wer am schnellsten den größten Reibach macht", vermutet der Mediziner. Damit die Kalkulation der Investoren aufgeht, muss die Stadt in ihrem Flächennutzungsplan das Industrie- in ein Wohngebiet umwandeln. Dass das passiert, ist angesichts der Wohnungsnot sehr wahrscheinlich. „Wenn Sie auf dem Grundstück dann sechsstöckige Wohngebäude bauen dürfen, können sie – vereinfacht – jeden Quadratmeter sechs Mal verkaufen, ein enormer Gewinn entsteht“, erklärt Bloem. Leske meint, der Gewinn müsse von der Stadt teilweise abgeschöpft und in den sozialen Wohnungsbau gesteckt werden, „sonst leben in der Innenstadt in zehn Jahren nur noch Betuchte“.

Hier entsteht Betongold

Dass die Investoren mit dem Gelände Gewinn machen werden, ist so gut wie sicher. "Wie bei Stuttgart 21 geht es in Altona nur sekundär darum, wo ein ICE-Bahnhof am besten steht. Vor allem geht es um die frei werdenden Baugrundstücke in bester Zentrumslage", sagt Stadtplaner Bloem. "Hier wird das berühmte Betongold erschaffen." Ein Gutachten der Lawaetz-Stiftung bezifferte den zu erwartenden Reingewinn aus dem Projekt auf 318 Millionen Euro. Die Zahl wurde auf Basis der Verkaufspreise von 2006 berechnet; inzwischen dürften sich diese aber verdoppelt haben. Entstehen würde der Gewinn aus Bodenwertsteigerung (durch das Umwandeln von billigem Bahngelände in Wohnungsbauland) und die Gewinnspanne beim Verkauf der rund 3300 Eigentumswohnungen auf dem Gelände.

Konkret läuft die Betongold-Schöpfung so: Der Projektentwickler, in Altona die ehemalige Bahn-Tochter Aurelis, die heute dem Baukonzern Hochtief und US-Finanzinvestor Redwood Grove gehört, erwerben die Grundstücke billig; für den Einkaufspreis maßgeblich sind die Bodenrichtwerte der Städte – und die sind bei Gleisanlagen und Industriebrachen sehr niedrig. Beim Projekt Mitte-Altona rechnet die Studie mit 200 Euro je Quadratmeter, zuzüglich 60 Euro für Dekontaminierung und Freimachung.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%