
Nach einem jahrelangen Rechtsstreit hat die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eine schwere Schlappe in höchster Instanz erlitten. Rund 1,7 Millionen Versicherte dürfen nun auf einen Rentenaufschlag hoffen.
Besonders bitter: Die VBL fiel mit einer Neuregelung ihrer Zusatzversorgung schon zum zweiten Mal vor dem Bundesgerichtshof (BGH) durch. Und die VBL ist nicht irgendwer: Mit Zahlungen von fast fünf Milliarden Euro im Jahr ist sie immerhin die größte Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Sie zahlt Angestellten im öffentlichen Dienst Betriebsrenten. So sollen deren Nachteile im Vergleich zur Versorgung mit einer Beamtenpension etwas abgemildert werden.





Im Jahr 2002 hatte die VBL ihre Zusatzversorgung umgestellt. Die Höhe der Betriebsrenten sollte sich stärker an den geleisteten Beiträgen der Versicherten orientieren. Problematisch waren dabei die Übergangsregelungen: Wie sollten die bereits aufgebauten Ansprüche von Versicherten, im Fachjargon Rentenanwartschaften genannt, im neuen System berücksichtigt werden?
Die VBL versuchte, diese Anwartschaften mit Startgutschriften im neuen System zu berücksichtigen. Ein Versuch, der gründlich misslang. Bei nach 1947 geborenen Versicherten, die zum Zeitpunkt der Umstellung noch relativ weit von ihrem Rentenstart entfernt waren (rentenferne Versicherte), führten die Startgutschriften zu Problemen.
BGH kippt Reform der Reform
Schon 2007 hatte der Bundesgerichtshof das erste Mal geurteilt, dass es durch die Berechnung der Startgutschriften zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung für eine Vielzahl rentenferner Versicherter komme (IV ZR 74/06). 2011 kam es deshalb zu einer Reform der Reform. Zwar sollte es grundsätzlich beim alten System bleiben. Durch eine ergänzende Vergleichsrechnung sollten aber Probleme gelöst werden: durch eine Erhöhung der Startgutschrift in diesen Fällen.
Zahlreiche Versicherte klagten aber auch gegen die Neuregelung. Die Probleme seien mitnichten gelöst. So verweigere die Neuregelung zum Beispiel jüngeren Pflichtversicherten ab Jahrgang 1961 trotz längerer Ausbildungszeiten einen Aufschlag auf die Startgutschriften, was nicht gerechtfertigt sei, erklärte Friedmar Fischer von der Arbeitsgemeinschaft Startgutschriften, einer Initiative Betroffener. Viele der unter die Umstellung fallenden Angestellten des öffentlichen Dienstes könnten demnach weiterhin aufgrund ihrer berufsnotwendig langen Ausbildungszeiten rein rechnerisch nicht die für eine volle Rente nötigen 44,44 Pflichtversicherungsjahre erreichen.
Tatsächlich kippte der BGH nun erneut die Regelung (IV ZR 9/15 und IV ZR 168/15): Auch die Neuregelung der Startgutschriften sei unwirksam. Wie schon vorher vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden, führe auch die geänderte Berechnung zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung. Die WirtschaftsWoche hatte bereits Anfang 2015 über den Streit und die absehbare erneute Schlappe für die VBL berichtet. Nun muss die VBL die Zusatzversorgung erneut neu regeln. Einige der ehemals rentenfernen Versicherten sind mittlerweile schon in Rente. Es wird also Zeit, dass es diesmal klappt.