Grundsteuerreform Mutloser Vorschlag mit großer Sprengkraft

Ralph Henger arbeitete nach dem Volkswirtschaftsstudium zunächst am ifo Institut für Wirtschaftsforschung, promovierte 2010 an der Universität Göttingen. Seitdem ist er Senior Economist im Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Kompetenzfeld Finanz- und Immobilienmärkte. Seit 2014 ist er zudem Dozent für Immobilienökonomie an der Akademie deutscher Genossenschaften. Quelle: Presse

Olaf Scholz spielt bei der Grundsteuerreform auf Nummer sicher, indem er die bisherige Systematik behalten will. Sein Vorschlag birgt enorme Sprengkraft und vergibt die Chance auf eine investitionsfreundliche und sozial ausgeglichene Steuer, schreibt Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft in seinem Gastbeitrag.

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Gerade einmal drei Seiten umfasst das Papier des Finanzministeriums zur Grundsteuerreform. Damit stellt es noch keinen konkreten und ausgearbeiteten Vorschlag dar, sondern ist nur eine Skizze mit den wesentlichen Eckpunkten. Finanzminister Olaf Scholz drängt auf eine zügige Lösung, die verfassungskonform und sozial gerecht ist, aber gleichzeitig das Grundsteueraufkommen von 14 Milliarden Euro nicht antastet. Zwei Modelle bringt er für die anstehende Diskussion mit den Ländern ein, ein wertunabhängiges und eine wertabhängiges Modell.

Das wertunabhängige Modell entspricht der so genannten Flächensteuer oder dem ehemaligen Südmodell, das Bayern seit Jahren fordert. Die Idee: Alle Immobilien werden nach Grundstücks- und Gebäudefläche besteuert, unabhängig davon, ob sie in München am Marienplatz oder am Münchner Ortsrand stehen. Scholz bringt das Modell in die Diskussion mit ein – macht aber in dem Papier deutlich, dass der Vorschlag weder sozial gerecht noch verfassungskonform ist.

Stattdessen wird in dem Papier zu Recht ein wertabhängiges Modell bevorzugt. Hier würde der Gesetzgeber den Wert von Grund und Boden wie bisher ermitteln. Ab dem Jahr 2025 würde dann der aktuelle Bodenrichtwert gelten und nicht mehr die Werte aus den Jahren 1935 (Ostdeutschland) und 1964 (Westdeutschland). Verwaltungstechnisch ist das unproblematisch. Zugleich würden Grundstückeigentümer die richtigen Anreize haben, um ihre Flächen möglichst effizient zu nutzen. Auch die Systematik der Gebäudebewertung soll gleich bleiben, sie würde weiterhin mit dem sogenannten Ertragswertverfahren erfolgen. Der Wert des Gebäudes bemisst sich dann an Miete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert, wobei die Miete die zentrale Größe ist.

Hier verbirgt sich nun die wahre Neuerung mit ihren Problemen. Nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums soll die tatsächliche Miete herangezogen werden, nicht mehr wie bisher das Mietniveau in einer Gemeinde.

Das Problem dabei: In Ballungszentren sind die Mieten in guten Lagen stark gestiegen, diese Wohnungen wären am stärksten von der Reform betroffen. Scholz verspricht eine sozial gerechte Verteilung – mit diesem Vorschlag würde er sein Versprechen nicht erfüllen. Das Modell ist auch deshalb unsozial, weil es bei einer Mieterhöhung Mieter doppelt belastet: durch die Miete selbst, aber auch durch höhere Nebenkosten.

Dieses Problem ließe sich lösen, indem die Betriebskostenverordnung geändert würde. So könnte verhindert werden, dass Vermieter die Grundsteuer über höhere Nebenkosten auf ihre Mieter abwälzen. Zu diesem wichtigen Punkt trifft das Papier jedoch keine Aussagen – wahrscheinlich weil auch im Finanzministerium viele wissen, dass viele gute Gründe wie beispielsweise das Verursacherprinzip für eine Umlagefähigkeit der Grundsteuer sprechen. Zu Verwerfungen wird auch führen, dass für Selbstnutzer eine „fiktive Miete“ ermittelt werden soll. Dies hätte zur Folge, dass Wohnungen in einem Gebäude bei gleicher Größe alleine deswegen anders besteuert werden, weil sie selbst genutzt oder vermietet werden.

An anderer Stelle wird das Papier wiederum sehr konkret: So kündigt es eine „radikale Absenkung der so genannten Steuermesszahl“ an. Die Steuermesszahl ist ein Teil der Grundsteuerberechnung: Durch die Multiplikation des Grundstückwertes, der Steuermesszahl und des Hebesatzes der Gemeinden wird die Grundsteuerbelastung festgelegt. Hier ändert sich bei allen Vorschlägen nichts. Vor der Presse spricht Scholz aber davon, die Steuermesszahl auf 0,319 Promille absenken zu wollen. Offensichtlich hofft er, mit dieser kleinen Zahl die Öffentlichkeit zu beruhigen.

Die Grundsteuer braucht eine Reform, die ihrem Namen gerecht wird

In der Tat entspricht das einer Absenkung der aktuellen Steuermesszahl um den Faktor zehn. Die Idee ist richtig – andernfalls müssten die Kommunen ihre Hebesätze absenken, um ihr Aufkommen konstant zu halten. Gleichzeitig verhindert der Schritt, dass einzelne Bundesländer im Länderfinanzausgleich schlechter gestellt werden. Andererseits werden die Wertsteigerungen der vergangenen Jahrzehnte nicht „komplett neutralisiert“, wie Scholz versprochen hat: Die neue Regelung würde lediglich dafür sorgen, dass die Grundsteuer insgesamt konstant bleibt. Innerhalb einer Gemeinde werden diejenigen benachteiligt, die in den vergangenen Jahrzehnten starke Mieterhöhungen hinnehmen mussten. Haushalte mit geringeren Mieterhöhungen könnten sich über eine Entlastung freuen.

Scholz hat also ein weiteres Modell für eine wertabhängige Grundsteuer vorgelegt, das nicht überzeugt. Insgesamt ist der Ansatz auch zu aufwändig. So müssten viele Daten von den Finanzämtern erhoben und dann alle sieben Jahre aktualisiert werden. Zudem müssten Grundstückseigentümer zukünftig eine Steuererklärung vorlegen. Die zusätzlichen Verwaltungskosten würden also einen erheblichen Teil der Grundsteuereinnahmen schlucken.

Das beste Modell steht nicht zur Debatte

Der größte Fehler der Strategie des Finanzministeriums besteht jedoch darin, dass es das beste Modell gar nicht in die Diskussion einbringt. Den Verantwortlichen fehlt offensichtlich der Mut für eine Reform, die Antworten auf aktuelle Probleme in den Immobilienmärkten liefert. Die Grundsteuer braucht eine Reform, die ihrem Namen auch gerecht wird, und nicht nur eine Aktualisierung der bestehenden Systematik.

Der große Wurf könnte so aussehen: Lediglich Grund und Boden werden mit einer Bodenwertsteuer besteuert. Dieser Vorschlag hat zuletzt enorm Zustimmung gewonnen, etliche Fachleute und Verbände unterstützen ihn. Der Verwaltungsaufwand wäre überschaubar: Mit Hilfe von Bodenrichtwerten lässt sich der Bodenwert schon heute bestimmen. Die unverhältnismäßig aufwendige und zeitraubende Gebäudebewertung würde wegfallen, es gäbe also weniger Bürokratie, nicht mehr.

Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer

Vor allem würden Eigentümer nicht mehr bestraft, die in ein Grundstück investiert haben, so wie bei der Gebäudebewertung der Fall: Werden Gebäude mitbesteuert, führen Investitionen, insbesondere Neubau, aber auch Ausbau und Renovierung, zu einer höheren Besteuerung. Zudem besteht ein Anreiz zur Bodenspekulation – und das wiederum führt zu einer Verknappung des Angebots, aber auch zu steigenden Bodenpreisen und Wohnungsmieten.

Anders die Bodensteuer: Sie verhält sich neutral gegenüber Investitionen, verteuert Spekulation und schafft Anreize für eine dichtere Bebauung. Sie ist auch sozial gerecht: Große Gebäude mit vielen Wohnungen, in denen vorrangig Mieter wohnen, würden in der Tendenz entlastet werden.

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