Studie zur Mehrwertsteuer Die Fisch- & Shrimps-Connection

Warum ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent gerechter ist und die zusätzliche Belastung für die Verbraucher quer durch alle Schichten minimal bleibt.

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Beispiele für den Mehrwertsteuer-Irrsinn
Bei Edelmetallen herrscht ein wahrer Steuerdschungel, der für Laien kaum zu durchschauen ist. So sind etwa Goldmünzen oder -barren, die die Voraussetzungen für Anlagegold erfüllen, vollständig von der Mehrwertsteuer befreit. Münzen und Barren aus Silber sind meist mit 19 Prozent besteuert – für bestimmte Silbermünzen gelten aber Ausnahmen. Dann wird nur der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent angesetzt. Diese Münzen werden jährlich vom Bundesfinanzministerium bestimmt. Für andere Edelmetalle wie Platin oder Palladium ist stets der volle Steuersatz von 19 Prozent fällig. Noch komplizierter wird es bei den folgenden Beispielen, die sogar vor Gericht gingen. Quelle: dapd
Personen warten vor einer Pommesbude Quelle: dpa/dpaweb
Leute im Biergarten Quelle: dpa
Erstklässler in einer Mensa Quelle: dpa
Essen in einer Mensa Quelle: dapd
Mensaessen Quelle: dpa
Leute in einem Krankenhaus Quelle: dpa

Der frühere Wirtschaftsweise Professor Rolf Peffekoven hat 2010 in einem Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) vorgeschlagen, die Vergünstigungen in der Mehrwertsteuer zu streichen: Außer Mieten und Pachten sollen alle Güter und Dienstleistungen mit einem einheitlichen Satz von 16 Prozent besteuert werden.

Seine Begründung: Das heutige System weicht vom ursprünglichen Modell der Konsumbesteuerung ab. Die vielen Ausnahmen führen zu Wettbewerbsverzerrungen, da einzelne Güter, Branchen oder Rechts- und Organisationsformen subventioniert werden. Die Mehrwertsteuer ist über die Jahre zu einem Einfallstor zur Bedienung von Sonderinteressen geworden.

So benachteiligt die völlige Befreiung der Deutschen Post von der Mehrwertsteuer im Briefverkehr die Konkurrenz.

Die Privilegierung der nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belegten über 50 Warengruppen, die den Wettbewerb verzerren, ist in den meisten Fällen unsinnig und nicht nachvollziehbar. Warum sind auf Langusten und Schnecken, abgepacktes Trinkwasser sowie Frucht- und Gemüsesäfte 19 Prozent Mehrwertsteuer zu zahlen, für die meisten Lebensmittel aber nur sieben Prozent – zum Beispiel bei Fisch und Shrimps, Hausschwein und Kartoffel. Beim Wildschwein und der Süßkartoffel sind es 19 Prozent. Warum fallen bei der Taxifahrt sieben Prozent Mehrwertsteuer an, beim Mietwagen 19 Prozent?

Zudem führt weder die völlige Befreiung von der Mehrwertsteuer noch der ermäßigte Satz zu einem zielgerichteten sozialen Ausgleich, wie gern behauptet wird. Denn die Vergünstigungen werden häufig nicht oder nur teilweise an die Konsumenten weitergegeben.

Dann aber handelt es sich lediglich um Unternehmenssubventionen. Und da, wo die Vergünstigungen an die Konsumenten weitergereicht werden, haben alle und nicht nur die sozial Schwächsten etwas davon, sondern auch die Bezieher hoher Einkommen. Anstatt über die Mehrwertsteuer sollte der soziale Ausgleich über die Einkommensteuer oder Transfers zielgerichtet erfolgen – Subjekt- statt Objektförderung.

Peffekovens Rechnung

Die größten Steuerverschwendungen der Regierung
Deutschland ist Weltmeister im Hopfenexport. Da könnte man meinen, diese Sparte der Landwirtschaft kann auch ohne Subventionen auskommen. Das sieht die Bundesregierung anders: Rund 260.000 Euro zahlt das Landwirtschaftsministerium für die Entwicklung einer automatischen Hopfenernte. Damit kann die Branche in Zukunft ihr Margen erhöhen – zu Lasten der Saisonarbeiter und des Steuerzahlers. Quelle: dpa
Auch der Sportwagenhersteller Porsche springt auf den Trend E-Auto an und arbeitet an einer elektrischen Version des Panamera. Da freut die Bundesregierung sehr – und zahlt Porsche dafür rund 850.000 Euro. Bei einem Gewinn in 2012 von 1,8 Milliarden Euro wohl Peanuts für die Stuttgarter – und umso ärgerlicher für das Gemeinwesen. Und das ist erst der Anfang: Mehr als 22 Millionen Euro Steuergelder fließen in ein E-Auto-Gemeinschaftsprojekt von führenden Industrieunternehmen und Universitäten – auch das ist Porsche mittendrin. Quelle: dpa
Die Deutschen mögen ihren Wein – so sehr, dass sie auch den Winzern unter die Armen greifen. Da Weinberge an manchen Stellen schwer zugänglich sind, geben die Bürger 800.000 Euro für die Entwicklung Roboter-Hubschraubers aus, der eigenständig Pflanzenschutzmittel auf den Reben verteilen soll. Quelle: dpa
Die großen Energieriesen in Deutschland wollen grüner werden – und das nicht nur aus Imagegründen.. Schon allein aus finanziellen Gründen haben die Unternehmen ein Interesse daran, ihre Emissionen zu verringern. Da helfen groß angelegte Forschungsprojekte, etwa an CO2-Filteranlagen für Braunkohlekraftwerke. Ein Glück, das trotz der Milliardenumsätze der Konzerne auch die Bundesregierung ihren finanziellen Beitrag – oder besser, den der Bürger – dazu leisten will: bis 2013 noch gut 4,2 Millionen Euro aus der Staatskasse. Und das für eine etwas saubere Verbrennung eines fossilen Energieträgers. Quelle: dpa
Die Fußball-Fans freuen sich über die Erfolge der deutschen Teams in der Champions League. Gerade Bayern München und Borussia Dortmund begeistern – und das soll auch mit Hilfe von Steuergeldern in Zukunft so bleiben. Denn gerade der BVB ist für die Zukunft gut aufgestellt – mit dem automatisierten Hightech-Trainingsraum Footbonaut. Damit der bald noch besser funktioniert, gibt der Bund rund 572.000 Euro für die Weiterentwicklung des Trainingsroboters aus. Quelle: dpa
Auch der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes für das Bauunternehmen Züblin liegt der Politik an Herzen. Da es als Demonstrationsobjekt für Niedrigstenergie-Gebäude dienen soll, gibt Vater Staat rund 560.000 Euro dazu. Und bevor sich das Säckel wieder schließt, hat sich Züblin – ein Konzern mit Milliardenumsatz – nach den Informationen des Steuerzahlerbundes weitere 600.000 Euro Forschungszuschüsse gesichert. Quelle: dpa
Firmen, die an Energiewende-Projekten arbeiten, profitieren momentan besonders von Subventionen. So gehen etwa 6,4 Millionen Euro an Bxi Innotech, die Brennstoffzellen für Eigenheime entwickelt – und das unternehmerische Risiko federt der Steuerzahler deutlich ab. Quelle: dpa

Peffekovens Rechnung: Der weitgehende Wegfall der Mehrwertsteuerbefreiung würde 15 Milliarden Euro Mehreinnahmen bringen, der Wegfall des ermäßigten Satzes 20 Milliarden. Dadurch wäre eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16 Prozent problemlos finanzierbar.

Monatliche Zusatzbelastung der Haushalte in Euro durch eine einheitliche Mehrwertsteuer von 16 Prozent
FamilienMittleres Einkommen22,51 Euro
Niedriges Einkommen20,43 Euro
Arbeitslosengeld I22,85 Euro
Arbeitslosengeld II17,99 Euro
Rentner1 Person, mittleres Einkommen10,56 Euro
1 Person, niedriges Einkommen8,92 Euro
2 Personen, mittleres Einkommen13,97 Euro
2 Personen, niedriges Einkommen16,04 Euro
SinglesMittleres Einkommen5,00 Euro
Niedriges Einkommen6,51 Euro
Arbeitslosengeld I5,48 Euro
Arbeitslosengeld II4,92 Euro

Da die Bezieher sehr niedriger Einkommen dabei per saldo stärker belastet würden, müsste die Reform begleitet werden von einer Neuberechnung des Existenzminimums und – daraus folgend – der Erhöhung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer sowie der Anhebung von Transferzahlungen, vor allem des Hartz-IV-Leistungen, des Kindergelds, des Wohngelds und der Bafög-Sätze.

Familien zahlen mehr

Im Auftrag der INSM hat das Consultingunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW econ, im April 2013 die Belastung durch einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent für unterschiedliche Haushaltstypen für das Jahr 2012 berechnet. Danach hätten Familien die höchste monatliche Mehrbelastung in Höhe von rund 20 Euro und Singles mit ungefähr fünf Euro die niedrigste (siehe Tabelle). Bei Rentnern liegt sie, je nach Einkommen und Personenzahl im Haushalt, zwischen 9 und 16 Euro.

Die Umverteilungswirkung hält sich also in Grenzen. „Zwar werden einkommensärmere Haushalte tendenziell stärker belastet als einkommensreiche, die Unterschiede fallen jedoch gering aus“, lautet das Fazit der Studie. Das liegt vor allem daran, dass die Ärmeren einen größeren Teil ihrer Ausgaben für Mieten ausgeben, die mehrwertsteuerfrei bleiben. Zudem zahlen sie derzeit schon für einen beachtlichen Teil ihrer Ausgaben den vollen Satz, während auch die Wohlhabenderen von der aktuellen Steuerermäßigung zum Beispiel bei Theaterbesuchen profitieren.

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