Eine lange Menschenschlange hat sich vor dem Info-Schalter der Bahn in Dortmund gebildet, die Angestellten rufen wie Marktschreier in die Menge: „Essen!“ „Münster!“ „Düsseldorf!“ - „Hier! Düsseldorf!“, meldet sich eine junge Frau. Sie bekommt einen Zettel von dem Bahn-Angestellten in die Hand gedrückt, hört noch „Finden Sie noch drei weitere Personen, die mit Ihnen fahren“ und er geht zurück zum Schalter.
Da der Zugverkehr aufgrund des Unwetters in Richtung Düsseldorf „bis auf weiteres ausfällt“, wie die Anzeigen informieren, verteilt die Bahn Taxi-Gutscheine an die Reisenden. Vor den Hauptbahnhöfen in Nordrhein-Westfalen bilden sich daher große Menschentrauben, die auf Taxen warten.
Laut der Dortmunder Zeitung „Ruhr Nachrichten“ spricht die Dortmunder Taxi-Zentrale von einer „chaotischen“ Lage, so ein Sprecher. „Wir haben alles auf der Straße, was Räder hat.“ Die 650 Dortmunder Taxen hätten trotzdem Wartezeiten bis zu einer Stunde. Einige Fahrer sind über die Regelung nicht sehr erfreut, meiden den Hauptbahnhof oder verlangen Bargeld.
Die junge Frau findet drei weitere Pendler zwischen Dortmund und Düsseldorf. Nach einigem Warten und Winken nimmt sie ein Taxi mit - nachdem mehrere leer an ihnen vorbei gefahren sind. Der Fahrer ist angestellt und bekommt ein Festgehalt - daher macht es für ihn ökonomisch gesehen keinen Unterschied, ob er in Dortmund tätig ist oder bis nach Düsseldorf fährt.
„Für die, die auf Provision fahren, wäre das aber Mist“, sagt er. Lange und extrem kurze Strecken zahlten sich kaum aus. Besser seien viele Strecken mittlerer Länge. Der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband (BZP) kann das nicht bestätigen: „Rund 90 Prozent unserer Taxiunternehmen fahren gerne für die Bahn“, sagt BZP-Sprecher Frederik Wilhelmsmeyer.
Unter Durchschnittstarif
Allerdings dürfen Taxi-Fahrer entscheiden, ob sie Bahn-Fahrgäste mitnehmen oder nicht. Es herrscht zwar Beförderungspflicht, aber nicht, wenn bargeldlos bezahlt wird - wie etwa mit den Bahn-Gutscheinen. „Die Akzeptanz ist zwar gut“, sagt Wilhelmsmeyer, doch mit den Scheinen sei eben zusätzlicher Abrechnungsaufwand verbunden. „Der Zettel muss eingereicht werden, und dann dauert es auch, bis das Geld da ist.“
Zudem hat der BZP seit Frühjahr 2007 mit der Deutschen Bahn einen Rahmenvertrag über die Beförderung abgeschlossen. Der dort festgelegte Kilometerpreis liegt leicht unter dem Durchschnitt aller 802 Taxitarife Deutschlands. „In den neuen Bundesländern liegt der Bahntarif teilweise über den lokalen Tarifen, daher werden Fahrgäste hier besonders gerne mitgenommen“, sagt Wilhelmsmeyer. „Insbesondere im Südwesten der alten Bundesländer liegt er teilweise darunter. Deswegen verzichten einige auf die Beförderung“.
Grundsätzlich müssen Taxi-Fahrer aber die Personen mitnehmen, egal wie kurz oder weit die Strecke ist, sofern sie innerhalb des Tarif- bzw. Pflichtfahrgebietes liegt. Langstrecken können abgelehnt werden, etwa wenn es in eine andere Stadt gehen soll. Das entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 5 Ss owi 316/89) bei einem Fall, in dem eine Familie nur einige hundert Meter vom Flughafen zum Flughafenparkplatz gebracht werden wollte. Der Fahrer weigerte sich und erhielt ein Bußgeld.
Einige Fahrgäste waren verwundert, dass die Bahn auch bei höherer Gewalt für Ersatz sorgte. Bereits im September 2013 hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass die Eisenbahnunternehmen der EU ihren Kunden auch dann die Fahrpreise erstatten müssen, wenn höhere Gewalt im Spiel ist. Eine Sprecherin der Bahn erklärte jedoch auf Nachfrage: „Das mit den Taxi-Scheinen ist nichts Neues und hat nichts mit dem Urteil zu tun. Das macht die Bahn schon länger.“ Der BZP erklärt ebenfalls, dass die Bahn hier öfter aus Kulanz reagiert habe.
Zu Anzahl der ausgegebenen Taxischeine sowie zu den entstandenen Kosten konnte die Bahn bislang keine Angaben machen. „Allerdings sind allein in Köln seit gestern über 850 Gutscheine ausgegeben worden“, so eine Bahnsprecherin. Auf dem Taxometer der vier Pendler zwischen Dortmund und Düsseldorf standen später rund 120 Euro. Ganz billig wird das Unwetter für die Bahn also nicht.