
Romain Faubert ist ein Horrorpatient. Mit eingebildeten Krankheiten treibt er Ärzte in den Wahnsinn und seine Krankenversicherung in den Ruin. Wo Mediziner nur gesunde Organe erkennen, sieht er Tumore wachsen. Ständig bedrohen ihn Bakterien und Viren: „Wartezimmer sind eine Erfindung der Ärzte, um ihre Kundschaft zu vergrößern“, sagt er. „Wir warten nicht auf den Arzt, sondern der Arzt wartet, dass die Krankheiten schön die Runde machen.“
Auch ohne teure Patienten wie die Filmfigur Faubert aus dem Kinostreifen „Super-Hypochonder“ nimmt in der privaten Krankenversicherung (PKV) der Kostendruck zu. Apparatemedizin, neue Medikamente und immer ältere und damit teurere Versicherte lassen die Beiträge hochschnellen. Bei laufenden Verträgen wurden 2013 im Schnitt 7,4 Prozent mehr fällig.
Krankenversicherer legen Geld zurück
Marktführerin DKV nahm im Frühjahr ihre Garantie, bis April 2015 die PKV-Tarife BestMed nicht zu erhöhen, zurück. Die Mehrkosten von 20 Millionen Euro kassiert die DKV zwar nicht direkt von den Versicherten, sie fließen jedoch aus Rückstellungen, die sie aus Beiträgen gebildet hat.
Krankenversicherer legen Geld für künftige Leistungen zurück und investieren dieses Kapital. Je weniger sie wegen der allgemein niedrigen Zinsen damit erwirtschaften, desto mehr Geld müssten die Versicherer zurücklegen. Gerechnet wurde bisher mit 3,5 Prozent Zinsen pro Jahr. 2013 gab es bei 18 von 48 PKV-Anbietern Zweifel, ob sie die 3,5 Prozent in den kommenden Jahren schaffen. Die Finanzaufsicht BaFin hat daher empfohlen, den Rechnungszins von 3,5 auf 2,75 Prozent abzusenken. Die Versicherer müssten dann mehr Geld zurückstellen – Geld, das fehlt, um kurzfristig Beiträge stabil zu halten. PKV-Gutachter Peter Schramm aus Diethardt bei Frankfurt schätzt, dass die Versicherer auf eine reguläre Beitragserhöhung im Schnitt etwa fünf Prozentpunkte wegen des Niedrigzinses draufschlagen werden.
Vorteile der privaten Krankenversicherung
Mehr Leistungen beim Facharzt und im Krankenhaus:
Typische Angebote in den PKV-Tarifen sind etwa die Übernahme spezieller Behandlungsmethoden oder alternativer Heilverfahren, Chefarztbehandlung sowie Ein- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus. Zudem zahlt die PKV auch häufig für besseren Zahnersatz.
PKV-Versicherte haben oft kürzere Wartezeiten auf einen Arzttermin. Viele Spezialisten nehmen überhaupt nur noch Privatpatienten an.
Hohes Zinsrisiko
- Hoher Selbstbehalt: Wenn die Versicherten jung und gesund sind, zahlen sie fast alles aus eigener Tasche. Die Einstiegsprämien sind niedriger als bei Tarifen ohne Selbstbehalt. Weil die Kosten im Alter deutlich über den Selbstbehalt steigen, wächst das Risiko des Versicherers sprunghaft. Folge: Die Beiträge müssten schneller steigen als bei Tarifen ohne Selbstbehalt. Dies könnte der Versicherer mit zusätzlichen Rückstellungen verhindern. Bei Niedrigzinsen ist dafür jedoch mehr Geld nötig.
- Alttarife: Neukunden können seit Ende 2012 nur noch die neuen Unisex-Tarife mit gleichen Beiträgen für Männer und Frauen abschließen. Alte Tarife, die nicht mehr aktiv vertrieben werden, drohen zu vergreisen. Mehr Rückstellungen sind nötig. Auch haben die Anbieter, weil sie hier keine neuen Kunden mehr aufnehmen können, weniger Interesse an stabilen Beiträgen.
Höhere Beiträge wegen des Niedrigzinses werden die PKV nicht populärer machen. Bereits im vergangenen Jahr verloren die privaten Krankenversicherer mehr Versicherte an die gesetzlichen Krankenkassen, als sie gewannen (siehe Grafik).
Dabei bietet die private Krankenversicherung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen durchaus Vorteile. Dazu zählen:
Wer in die private Krankenversicherung wechseln kann
Wechseln kann jeder, der im Jahr vor dem Wechsel mehr als 53 550 Euro brutto verdient hat.
Umzusatteln lohnt meist nur bis zum 40. Lebensjahr. Denn:
- Finanzpuffer: Je später der Versicherte zu den Privaten wechselt, desto weniger Zeit hat er, Rückstellungen aufzubauen, damit Beiträge im Alter langsamer steigen.
- Gesundheit: Je älter die PKV-Einsteiger sind, desto mehr Vorerkrankungen bringen sie mit. Sind die gravierend, berechnen die Versicherer Risikozuschläge. Entsprechend höher sind die Einstiegsprämien.
Wer kann wechseln?
Anders als in der GKV unterscheiden sich die Leistungskataloge der PKV-Tarife stark. Beispiel: Jeder Tarif hat eine eigene Liste für Heil- und Hilfsmittel, etwa Hörgeräte oder Krankengymnastik, die er erstattet. Einige Versicherer zahlen nur für das, was in der Liste steht (geschlossen). Andere dagegen passen ihre Kataloge dem medizinischen Fortschritt an (offen). Es wird auch das bezahlt, was es bei Vertragsschluss noch gar nicht gab.
Für Laien sind die komplizierten Klauseln kaum zu durchschauen. Das Hamburger Analyseunternehmen Softfair hat für die WirtschaftsWoche etwa 800 PKV-Tarife unter die Lupe genommen, selektiert und bewertet (siehe Tabelle auf der letzten Seite dieses Artikels).
Entscheidend für das Ranking ist das Preis-Leistungs-Verhältnis der Tarifkombinationen. Dabei gingen die Leistungen zu 70 Prozent, die Beitragshöhe zu 30 Prozent ein. Je mehr Leistung der Versicherte für seine Prämie bekam, desto mehr Sterne erhielt die Tarifkombination.
