Derzeit tobt ein Kampf zwischen den Lobbyisten der Versicherer und den Vertriebsmitarbeitern. Der Versicherer-Verband GDV will die Höhe der Provisionen für den Verkauf von Lebensversicherungen gesetzlich deckeln lassen. Makler und Vertreter sind strikt dagegen. Sie fürchten um ihre wirtschaftliche Grundlage. Künftig, so das Horror-Szenario der Vermittler, könnten sich nur noch Reiche Beratung gegen Stundenhonorar leisten, während Durchschnittssparer ohne Hilfe dastünden.
Das aktuelle Bild der Finanzberatung in Deutschland ist sehr differenziert. Angefangen vom Berater der Sparkasse, über den Versicherungsmakler und die Vermittler der großen Finanzvertriebe, die gegen Verkaufsprovision arbeiten, bis hin zum Honorarberater. Letztere Kategorie führt in Deutschland bisher ein Schattendasein. Lediglich etwa 1500 Berater arbeiten ausschließlich gegen Honorar. Die übrigen 300.000 Makler und Vertreter arbeiten vorwiegend auf Provisionsbasis. Sie erhalten nur Geld, wenn der Kunde tatsächlich einen Versicherungs- oder Anlagevertrag abschließt.
Bankberater und Versicherungs-Vertreter
Viele Deutsche sind weiterhin nicht bereit, für eine Finanzberatung ein Honorar von mehreren hundert Euro zu zahlen. Dabei ist vielen nicht bewusst, dass sie über Provisionen an den Vermittler oft mehr zahlen als ein Honorarberater kosten würde. Der Unterschied ist, dass die Provisionen schleichend und weitgehend unbemerkt abfließen. Die Rechnung des Honorarberaters dagegen belastet das eigene Konto sofort und sichtbar.
Nach wie vor dominieren die Einfirmen-Vertreter den Beratermarkt. Deutsche Anleger werden daher selten objektiv beraten. Das liegt nicht unbedingt am Berater selbst, sondern an dessen Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Hauseigene Produkte werden bevorzugt empfohlen, mitunter sogar unabhängig vom tatsächlichen Bedarf des Kunden. Einzelne Banken geben ihren Beratern Listen mit Finanzprodukten an die Hand, die zu verkaufen sind- egal ob der Anleger Berufseinsteiger, Familienvater oder Rentner ist. So verwundert es kaum, dass ein und dasselbe Investment Kunden mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen ins Depot gedrückt wird.
Selbst wenn ein an einen Finanzdienstleister gebundener Berater frei wäre bei der Auswahl der Produkte, so bleibt immer noch der falsche Anreiz durch unterschiedlich hohe Provisionssätze. So bringt der Verkauf eines geschlossenen Fonds mit hohen Weichkosten deutlich mehr ein als ein Banksparplan. Es besteht die Gefahr, dass der Berater das Produkt mit dem höchsten Provisionssatz und nicht das mit dem höchsten Nutzen für den Anleger empfiehlt.
Dass die von Banken und Versicherungen gesteuerten Berater so leichtes Spiel haben, liegt auch an der mangelnden Bereitschaft vieler Anleger, sich mit den eigenen Finanzen auseinander zu setzen. Hinzu kommen eklatante Bildungslücken bezüglich Kapitalanlagen und Risikovorsorge. Nach einer Studie der Direktbank ING-Diba haben die Deutschen europaweit die schlechteste Bildung in Finanzfragen. Wer seine eigenen Finanzen nicht kennt, hinterfragt die Ratschläge seines Beraters nicht. Stattdessen sind viele Anleger froh, wenn sie sich mit einer Unterschrift des lästigen Problems entledigen können.
Versicherungsmakler
Da einzelne Banken und Versicherungen nur bei einigen Produkten top sind, bei vielen anderen es jedoch bessere Angebote gibt, sollten sich Kunden nicht ausschließlich auf den Tipp des Hausinstitutes verlassen.
Anders als Einfirmen-Vertreter bieten Versicherungsmakler ihren Kunden eine Auswahl an Angeboten verschiedener Versicherungen. Zwar erhalten auch Makler Provisionen für einen Abschluss, dafür sind sie jedoch nicht von einem Anbieter abhängig. Meist stützen sie sich bei ihren Empfehlungen auf Makler-Software, die Versicherungstarife vergleicht und analysiert. Ob das vom Makler ausgesuchte Produkt tatsächlich das jeweils optimale ist, hängt davon, wie gewissenhaft der Versicherungsexperte arbeitet. Eine Mitgliedschaft in einem anerkannten Verband, beispielsweise dem Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM), ist ein Hinweis auf bestimmte Mindeststandards in der Ausübung des Berufes. Eine Garantie für die beste Empfehlung ist eine Mitgliedschaft jedoch nicht.
Unabhängige Versicherungsberater
Vielen Verbrauchern ist gar nicht bewusst, welchen Vorsorgebedarf sie überhaupt haben. In vielen Haushalten klaffen Lücken im Versicherungsportfolio, die im Schadensfall zu einer enormen finanziellen Belastung werden können. Fehlt beispielsweise eine Haftpflichtversicherung kann eine Unachtsamkeit eine Familie finanziell ruinieren. Unabhängige, gerichtliche zugelassene Versicherungsberater können diese Lücken, ebenso wie überflüssige Policen, aufspüren und beim Wechsel in einen günstigeren Tarif helfen.
Diese Berater verkaufen keine Versicherungen und bekommen daher auch keine Provisionen. Stattdessen verlangen sie von Ihren Kunden Honorare. Ein Besuch bei einem Versicherungsberater lohnt sich vor allem, wenn die Betroffenen entweder bei mehr als einem Versicherungsproblem Fragen haben oder es um teure und komplexe Versicherungen geht, beispielsweise eine private Krankenversicherung oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung.
Die Bezeichnung „unabhängiger Versicherungsberater“ ist nicht geschützt. Jeder, der nicht an einzelne Versicherung gebunden ist, kann sich so bezeichnen. Wer einen gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater in seiner Nähe sucht, kann die Suchfunktion der Internetseite des Bundesverbandes der Versicherungsberater nutzen (www.bvvb.de)
Honorarberater
Inzwischen hat auch die Politik eingesehen, dass es in Deutschland einen wachsenden Bedarf an unabhängiger Finanzberatung gibt. Bisher ist der Begriff Honorarberater in Deutschland rechtlich nicht geschützt. So können sich Vermittler Honorarberater nennen, die neben einem Stundensatz auch Provisionen kassieren. Die Bundesregierung hat daher in diesem Jahr ein Gesetz verabschiedet, dass das Berufsbild des Honorarberaters auf eine gesetzliche Grundlage stellt.
Der vom Gesetz definierte Honorar-Anlageberater muss sich an eine Reihe von Vorgaben halten:
- Die Beratung muss einen breiten Marktüberblick bieten und sich nicht auf einzelne Anbieter beschränken
- Ausschließlich der Kunde darf den Berater bezahlen. Bei Produkten, die nicht provisionsfrei zu haben sind, muss der Berater die Vergütung an den Kunden weiterreichen.
- Als Wertpapierdienstleister unterstehen sie der staatlichen Finanzaufsicht und müssen sich in einem Register eintragen lassen.
Was für mehr Wettbewerb auf dem Beratungsmarkt sorgen sollte, erweist sich in der Praxis als Hemmschuh. Honorar-Anlageberater können derzeit keine umfassende Beratung in allen Finanzfragen leisten. Versicherungen und Baufinanzierungen beispielsweise schließt das Gesetz für dieses Berufsbild aus.
Internet-Vergleichsportale und Verbraucherzentralen
Honorar-Anlageberater, die Anleger bezüglich Aktien oder Anleihen beraten wollen, müssen sich als Wertpapierhandelshaus registrieren lassen. Dass ist mit erheblichen Kosten und bürokratischem Aufwand verbunden. Alternativ können sich die Berater unter das Haftungsdach eines Finanzdienstleisters begeben. Wie objektiv sie unter dem Haftungsdach arbeiten können, hängt von dem Innenverhältnis zwischen Berater und dem Institut ab, dass die Haftung übernimmt.
Zusätzlich schafft das Gesetz das Berufsbild des Honorar-Finanzanlagenberaters. Er unterliegt nicht den Anforderungen des Wertpapierhandelsgesetzes, sondern der Gewerbeordnung. Der Finanzanlagenberater muss sich bei den Industrie- und Handelskammern anmelden und darf seine Kunden jedoch nur zu Investmentfonds und geschlossenen Beteiligungen beraten.
Unabhängig vom neuen Gesetz können sich Verbraucher nach wie vor gegen Honorar zu Versicherungen und Baufinanzierung beraten lassen. Diese Berater unterliegen jedoch nicht den gesetzlichen Vorgaben und dürfen sich auch nicht Honorar-Anlageberater nennen.
Selbsthilfe
Es gibt natürlich auch Sparer, die keine umfassende Finanzberatung benötigen. Kostengünstige Hilfe bieten beispielsweise die Verbraucherzentralen. Zwar arbeiten auch sie nicht kostenlos, die Honorare bleiben in der Regel unter denen von Honorarberatern. Für einfache Fragen zur Altersvorsorge und Versicherungen sind sie eine preiswerte Alternative.
Helfen können auch Internet-Vergleichsportale, beispielsweise für Versicherungen oder Baukredite. Sie bieten allerdings nur eine grobe Orientierung, denn die Portale zeigen nicht das gesamte Marktangebot, sondern nur die Anbieter, die mit dem Portal einen Vertrag geschlossen haben. Bei einem Abschluss übers Internet oder einem dem Portal angeschlossenen Vermittler fließt wie beim Einfirmen-Vertreter oder Makler Geld. Ein Blick ins Internet erspart daher in der Regel nicht das persönliche Beratungsgespräch.
Berater können dem Anleger die Eigenverantwortung nicht abnehmen. Je besser vorbereitet er in das Gespräch mit dem Experten geht, desto schneller und zielgenauer bekommt der Anleger die nötige Hilfe. Es lohnt sich, ein paar Stunden zu investieren, um die eigenen Aktenordner zu Geldanlage, Versicherungen und Steuern auf Vordermann zu bringen: Bei einem Honorarberater, der nach Stundensatz abrechnet, spart der Kunde schließlich Geld.
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Bei WirtschaftsWoche Online können Sie einer unabhängigen Honorarberaterin Ihre drängendsten Fragen rund um das Thema Geldanlage stellen. Wir sprechen am Mittwoch, den 09. Oktober um 13 Uhr mit der Münchner Honorarberaterin Stefanie Kühn. Haben Sie eine Frage an Frau Kühn? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an aktion@wiwo.de, wir leiten Ihre Fragen an Frau Kühn weiter. Das entsprechende Hangout können sie live bei WirtschaftsWoche Online verfolgen.