Ergo gewinnt Klage Keine höhere Auszahlung für Lebensversicherte

Der Bund der Versicherten kann sich mit einer Klage vor dem Landgericht nicht durchsetzen. Viele Lebensversicherte müssen damit Hoffnungen auf höhere Auszahlungen vorerst begraben. Doch der Streit ist noch nicht zu Ende.

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Das Logo der Ergo-Versicherung ist an der Zentrale in Düsseldorf hinter der nackten Frauenskulptur Aurora von Arno Breker: Der Versicherer gewann vor dem Gericht ein Prozess um die Auszahlung von Bewertungsreserven. Quelle: dpa

Axel Kleinlein ist um große Worte nicht verlegen. „Die 2014 gesetzlich vorgesehene Kürzung der Bewertungsreserven stellt aus unserer Sicht faktisch eine Enteignung dar“, begründete der Vorsitzende des Bundes der Versicherten seine Klage gegen die zum Düsseldorfer Konzern Ergo gehörende Victoria Versicherung. Der BdV wollte mit dem Gang vor das Gericht höhere Auszahlungen für Lebensversicherte erstreiten.

Doch die Richter am Düsseldorfer Landgericht folgten am Donnerstag nicht der Linie des wortgewaltigen Verbraucherlobbyisten mit dem markanten Kinnbart. Nach dem Amtsgericht Düsseldorf eine Woche zuvor kamen nun auch die Juristen in der zweiten Instanz zu dem Urteil, dass Lebensversicherer ihre Kursgewinne überwiegend bis vollständig selbst behalten dürfen.

Es ist ein wichtiger Punktsieg für Ergo – mit dem die juristische Auseinandersetzung jedoch noch nicht beendet ist. Denn der BdV will mit seiner Beschwerde notfalls bis in die letzte Instanz nach Karlsruhe ziehen. Für die Verbraucherschützer geht es um Grundsätzliches. Sie sehen das 2014 verabschiedete Gesetz als verfassungswidrig an und hofften, das Verfahren als Musterprozess mit bundesweiter Bedeutung führen zu können.

Der Verband setzte darum darauf, dass der Streit letztlich in Karlsruhe landen werde. Die Ergo wollte sich nach der Urteil mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu der Entscheidung äußern. Der BdV kündigte dagegen an, gegen die Entscheidung weiter rechtlich vorzugehen.

Hintergrund des Streits ist eine Rechtsänderung durch das Lebensversicherungsreformgesetz von 2014 in Reaktion auf das schwierige Niedrigzinsumfeld für die Assekuranzen. Seitdem dürfen die Versicherer die Bewertungsreserven nur noch in dem Maße ausschütten, wie Garantiezusagen für die restlichen Versicherten sicher sind. Zuvor waren 50 Prozent verpflichtend.


Reserven in Milliardenhöhe

Für die Branche steht dabei viel auf dem Spiel. Denn das Verhalten der Victoria-Versicherung, die in dem Musterfall einem Kunden die Auszahlung sogenannter Bewertungsreserven vorenthielt, ist auch bei anderen Versicherern gang und gäbe. Das Unternehmen hatte dem Kunden vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Beteiligung von 2821,35 Euro in Aussicht gestellt. Später waren es nur noch 148,95 Euro. Bewertungsreserven sind dabei beispielsweise Buchgewinne etwa auf ältere Staatsanleihen. Sie kommen zustande, wenn der Marktwert der gehaltenen Papiere steigt.

Die Buchwerte festverzinslicher Papiere, die Versicherer vor Jahren erworben haben, sind in der Zinsflaute beispielsweise deutlich gestiegen. Entsprechend hoch fiel die Beteiligung der Kunden aus. Dabei geht es nicht um Kleingeld: Im Jahr 2013 beliefen sich diese Reserven der Versicherer auf über 75 Milliarden Euro.

Das Vorgehen der Unternehmen sei gesetzeskonform, aber wahrscheinlich verfassungswidrig, klagt nun der BdV. Die Klage der Verbraucherschützer ist durchaus ernst zu nehmen: Erst 2005 hatte der BdV vor dem höchsten Gericht erstritten, dass Kunden überhaupt an den Bewertungsreserven zu beteiligen sind.

Manche Experten sahen die Haltung der Verbraucherschützer jedoch von Anfang an skeptisch. „Man hätte die Beteiligung an den Bewertungsreserven 2008 gar nicht einführen dürfen, weil es nicht der Logik des Lebensversicherungssparens entspricht“, argumentiert Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata. Denn zuvor hätten Unternehmen immer mehr hochprozentige Papiere verkaufen müssen, um scheidende Kunden an den üppigen Reserven zu beteiligen - zulasten der großen Mehrheit der anderen Versicherten, deren Verträge weiterlaufen.

Die Richter in Düsseldorf lehnten die Argumentation des Verbraucherverbandes nun ebenfalls ab. Wegen der niedrigen Zinsen habe die konkrete Gefahr bestanden, dass einige Lebensversicherer ihre vertraglich zugesagten Garantiezinsen nicht mehr erwirtschaften konnten, argumentierten die Juristen. Deshalb sei das Gesetz von 2014, das Ausschüttungen kappt, nicht zu beanstanden.

„Es ist zu beachten, dass der Gesetzgeber durch diese Neufassung gewichtige Interessen des Allgemeinwohls verfolgte“, hieß es in der Urteilsbegründung. Doch das Urteil in Düsseldorf wird nur ein Zwischenschritt sein. Die Juristen auf beiden Seiten wappnen sich bereits für ein Wiedersehen – und zwar in Karlsruhe. (AZ 9S46-16)

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