Flexi-Rente Was die Teilrente Sparern abfordert

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Arbeitnehmer wollen schon mit 60 raus

Die YouGov-Umfrage zeigt, dass die zu erwartende Rente wesentlich darüber entscheidet, ob ein Arbeitnehmer vorzeitig ausscheidet oder lieber länger arbeitet. „Es gibt kein einheitliches Wunschalter. Die Vorstellungen sind höchst unterschiedlich“, sagt Manfred Bauer, Vorstand beim Finanzdienstleister MLP, der die Umfrage in Auftrag gegeben hat. „Ein Drittel der Befragten wünscht sich mehr Spielraum für das Arbeiten über das Regelrentenalter hinaus. Ein weiteres Drittel ist an einer Teilrente ab 60 Jahren interessiert.“

Wie die Rente sicher bleibt
Herausforderung DemografieDie deutsche Bevölkerung wird immer älter - das belastet die gesetzlichen Rentenkassen. Der demografische Wandel hat auf Lange Sicht erheblichen Einfluss auf die Finanzierungsstruktur der deutschen Alterssicherung. Die Bevölkerung altert doppelt: Nicht nur leben die Leute länger, auch immer weniger Kinder kommen in Deutschland auf die Welt. Die Geburtenrate liegt schon seit den 1960er Jahren deutlich unter dem Niveau, das den ursprünglichen Bevölkerungsbestand erhalten könnte. Quelle: dpa
Deutschland - eine Greisengesellschaft Laut den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes die Bevölkerung im Jahr 2050 um rund neun Prozent schrumpfen – auf 74,6 Millionen Einwohner. Im gleichen Zeitraum verdoppelt sich der Altersquotient. Dieser beschreibt das Verhältnis der Rentner zu Personen im erwerbsfähigen Alter. Er steigt von derzeit 31 auf 61 Prozent. Eine mögliche Lösung wäre es, die Geburtenlücke durch externe Einwanderer – etwa aus Südeuropa – zu schließen. Allerdings gehen die wenigsten davon aus, dass der derzeit hohe Zuwandererstrom nachhaltig ist. Quelle: dpa
Die KrisenreformenSeit 25 Jahren kämpft die Politik damit, den Druck auf Ausgaben und Beitragssätze bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu mindern. Erst wurden Ausfall- und Ersatzzeiten gestrichen, später Leistungen gekürzt. Ab 1992 wurde zum Beispiel die Bruttolohn- auf die Nettolohnanpassung umgestellt. Außerdem wurden Abschläge bei vorzeitigem Rentenbezug eingeführt. Und: Die Rente wurde zunehmend durch Einnahmen aus der Steuerkasse querfinanziert. Quelle: dpa
Weniger BeiträgeGleichzeitig haben die Politiker durchgesetzt, dass die Bevölkerung immer weniger für ihre Rente zahlen soll: Die als langfristig tragbar angesehenen Beitragssatzobergrenzen wurden schrittweise gesenkt. Mit dem Rentenreformgesetz (RRG) 1992 waren es 28 Prozent bis zum Jahr 2030, mit dem Wachstumsförderungsgesetz 1996 sollten 26 Prozent nicht überschritten werden, beim RRG 1999 (Blüm-Reform) waren es 24 Prozent und mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz 2001 und dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz die aktuell gültigen 22 Prozent bis zum Jahr 2030. Quelle: dpa
Den Studienautoren sind diese Maßnahmen nicht genug, sie schlagen folgende Schritte zur Schaffung eines nachhaltigen Rentensystems vor:1) Beibehaltung der Rentenreform Nach den Reformen der letzten Jahre liegt Beitragssatzobergrenze seit 2005 bei 22 Prozent. Daran sollte laut Studie auch nicht gerüttelt werden. Würden alte Reformen rückabgewickelt – wie manche Politiker bereits fordern – läge der Beitragssatz bis 2050 bei etwa 30 Prozent und damit deutlich höher. Auch der Bund müsste dann mehr zuschießen. Quelle: dpa
2) Die LebensleistungsrenteDie von der ehemaligen Sozialministerin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Lebensleistungsrente sieht vor, niedrigen Renten langjährig Beschäftigter aufzustocken. Tatsächlich müsste jemand in Westdeutschland über 35 Beitragsjahre jeden Monat 2.065 Euro brutto verdienen, um bei der Rente auf die Grundsicherung (700 Euro) zu kommen. Ohne Aufstockung bestehe laut Studie die Gefahr, dass Geringverdiener irgendwann in eine (Solo-)Selbstständigkeit flüchten – und die Zahl der Beitragszahler sinkt. Quelle: dpa
3) Ausweitung des Versichertenkreises der RentenversicherungSelbstständige, die in keinem Alterssicherungssystem abgesichert sind, sollten zu Pflichtmitgliedern in der allgemeinen Rentenversicherung werden – zumindest, wenn sie ein bestimmtes Alter nicht überschritten und bislang keine eigene Altersvorsorge aufgebaut haben. Das Risiko von Altersarmut für solche Soloselbstständigen könne – so die Studie – verringert werden. Quelle: AP

Erstaunlich ist dabei, dass fast jedem dritten Deutschen das Regierungsvorhaben zur Flexi-Rente nicht bekannt ist, obwohl die Regierung noch im Dezember einen Gesetzentwurf oder zumindest ein Konzept vorlegen will. Dabei betrifft die Flexi-Rente alle Arbeitnehmer.

Das Desinteresse ist nur damit zu erklären, dass die bisherigen Verhandlungen in weiten Teilen noch zu wenig Konkretes hervorgebracht haben. Die verschiedenen Interessengruppen haben sich jedoch vor dem Hintergrund der Koalitionsgespräche zur Flexi-Rente längst in Stellung gebracht.

Ihre Befürchtung: Wenn der Renteneintritt flexibler gestaltet werden soll, muss irgendwer leiden. Arbeitgeber, Steuerzahler, Sozialkassen oder jüngere Arbeitnehmer könnten dann draufzahlen. Für letztere besteht das Risiko, dass sie von den billigeren alten Arbeitnehmern verdrängt werden.

Umstrittene Teilrente ab 60

Der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verfolgt als Vertreter der Arbeitnehmer klare Ziele: Er will den Eintritt in die Teilrente nach 35 Arbeitsjahren schon mit 60 Jahren ermöglichen und damit drei Jahre früher als bislang. Wäre die Vollrente bereits mit 60 Jahren möglich, müsste der Rentner nach derzeitigen Regeln einen Abschlag auf seine Rente von bis zu 25 Prozent in Kauf nehmen.

Bei einer Teilrente wären die Abschläge nur dann niedriger, wenn dank Teilzeitanstellung weiter in die Rentenkasse eingezahlt würde. Deshalb will der DGB einen höheren Nebenverdienst neben dem Bezug der Teilrente erlauben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt die Teilrente ab 60 jedoch ab. Die Bundesregierung stehe zur Rente mit 67 und arbeite auch an einer Flexibilisierung der Rentenübergänge, sagte Merkel auf dem Deutschen Arbeitgebertag in Berlin. "Allerdings warne ich davor, Erwartungen zu wecken, dass man ab 60 solche flexiblen Übergänge machen könnte. Das sehe ich nicht." Neue Belastungen für das Rentensystem dürfe es nicht geben. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte diese ebenfalls kategorisch abgelehnt.

Kapitalbedarf bei Rente ab 60 - Bsp. 1

Im Gegenteil soll belohnt werden, wer länger arbeitet. Denn viele Unternehmen profitieren von der langjährigen Berufserfahrung ihrer älteren Mitarbeiter. Die Arbeitgeber wollen daher keine Beschränkung des Nebenverdiensts. Die derzeitige Begrenzung des Hinzuverdienstes sei "nicht notwendig", sagte etwa Arbeitgebervertreter Alexander Gunkel. Richtig sei es dagegen, an der Höhe der derzeitigen Abschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn und an den Zuschlägen bei hinausgezögertem Rentenbeginn festzuhalten.

Ob eine Neuregulierung durch die Flexi-Rente die Situation spürbar ändert? Unklar. Schon heute dürfen alle 63-Jährigen die Teilrente in Anspruch nehmen. Abhängig von ihrem Einkommen der vergangenen drei Jahre vor Rentenbeginn dürfen sich in befristeten Arbeitsverhältnissen dazuverdienen. Allerdings ist die Berechnung der Freigrenze recht kompliziert.

Diejenigen Ruheständler, die ihren Rentenanspruch bereits voll ausschöpfen, sind auf ein Zusatzeinkommen von maximal 450 Euro pro Monate beschränkt – also auf Minijobs. Ein Beschäftigter, der vor Beginn der Teilrente das Durchschnittseinkommen von rund 2900 Euro monatlich erhielt, darf bei Bezug einer Zwei-Drittel-Rente noch etwa 1080 Euro hinzuverdienen, ohne dass seine Rente gekürzt wird.

Durchschnittverdiener, die eine halbe Rente beanspruchen, dürfen 1576 Euro verdienen, beim Ein-Drittel-Rentner sind es 2074 Euro. Wer aber nur einen Euro über die Grenze hinaus verdient, büßt massiv Rentenbezüge ein. Der Zwei-Drittel-Rentner bekommt nur die halbe Rente, der Ein-Drittel-Rentner gar keine Rente mehr.

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