




Die politische Debatte zur Rente, der wir gerade beiwohnen dürfen, ist ein Trauerspiel, absurdes Theater. Besseres lässt sich darüber nicht sagen. Es gibt keine Säule unseres Sozialstaats, in der die Logik von Demografie und Mathematik derart konsequent ihre Wirkung entfaltet.
Die Deutschen werden – welch ein Glück! – immer älter und bleiben länger gesund. Gleichzeitig sorgen die seit Jahrzehnten sinkende Geburtenrate und die (langfristig gesehen) moderate Zuwanderung dafür, dass Jahr für Jahr weniger Kinder und später auch weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren.
All das kommt mit unerbittlicher Zwangsläufigkeit auf uns zu. Kluge, verantwortungsvolle Politiker würden die Bürger darauf vorbereiten und nach der klügsten, fairsten Reform suchen. Die meisten Politiker von heute aber tun lieber so, als würde Manna vom Himmel regnen und uns alle retten.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Um die Höhe der Altersversorgung angesichts der beschriebenen Umstände sowohl sozial verträglich als auch bezahlbar zu halten, gibt es mehrere Möglichkeiten. Und mutige Politiker wie Franz Müntefering oder Walter Riester haben in der Vergangenheit eine Mischung verschiedener Optionen gewählt, um alle – Junge wie Alte, Beitragszahler genauso wie Rentner – an den notwenigen Anpassungen zu beteiligen und Härten aushaltbar zu halten.
Dazu gehören: eine langsame Absenkung des Rentenniveaus, moderat steigende Sozialbeiträge, mehr Steuerzuschüsse, mehr Eigenvorsorge – und auch die Rente mit 67.
Wolfgang Schäuble hat sich in diese Rentendebatte, die gerade in Berlin tobt, mit dem Vorschlag eingemischt, dass die Deutschen künftig bis 70 arbeiten müssten. Natürlich wurde er dafür von allen Seiten gemaßregelt. Ein CDU-Ministerpräsident wie Volker Bouffier schimpfte ebenso wie die SPD-Bundessozialministerin Andrea Nahles. Und natürlich denkt Schäuble auch an seinen Steuerzuschuss an die Rentenkasse, den er schön klein halten will.
Bloß wissen trotzdem alle: Schäuble hat Recht. Er war nur voreilig.
Die Frage des Pensionsalters gehört zu dem emotionalsten der Rentenpolitik – und in der Rentenpolitik geht es sowieso nie nur um Fakten, sondern immer gleich ums Ganze. Was man schon daran erkennt, dass die SPD bis heute mit der richtigen und wichtigen Rente mit 67 hadert und dank der abschlagsfreien Rente ab 63 für langjährig Versicherte in dieser Koalition eine schmerzhafte und falsche Korrektur beschlossen hat. Und nur um eins klarzustellen: das nötige Gegengeschäft, die Mütterrente, kostet noch mehr Geld und ist genauso Murks.





Dennoch ist allen Fachleuten, auch Fachpolitikern, klar, dass man bei der steigenden Lebenserwartung und bei immer längerer Rentenbezugszeit bei sinkender Zahl von Beitragszahlern an einer Lösung nicht vorbei kommt: länger arbeiten. Ja, auch die Rentner werden sich beteiligen (mit geringeren Rentensteigerungen); es werden noch mehr Steuermittel fließen müssen; wir brauchen mehr und attraktivere, nicht weniger private Vorsorge; aber es geht nicht ohne einen späteren Renteneintritt.
Doch bevor es soweit sein wird, sollte die Politik zuerst das Naheliegende tun: Erstens, auf populäre, aber nahezu unbezahlbare Versprechen verzichten (siehe Horst Seehofer und Sigmar Gabriel). Zweitens, alle Anreize zur Frühverrentung, also auch die Rente ab 63, abschaffen. Drittens, endlich viel mehr dafür tun, dass dank Prävention und Umschulung mehr Menschen bis zum regulären Ruhestandsalter fit bleiben. Erst dann, viertens, wenn alle diese Reformen gewirkt haben, wird es eines fernen Tages darum gehen, aus der Rente mit 67 vielleicht eine Rente mit 68 oder 69 oder 70 zu machen.
Und deshalb jetzt bitte an alle in Berlin: einmal tief durchatmen.