Versicherungen Kein Abschied von der Provision

Jubel bei Versicherern, Ärger bei Verbraucherschützern: Laut einem Gesetzentwurf dürfen Provisionen weiterhin nicht an Kunden weitergereicht werden. Die Verbraucherzentrale wettert und spricht von „Protektionismus“.

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Geht es nach dem Gesetzgeber, bleibt das Provisionsabgabeverbot bestehen. Quelle: obs

Berlin/Frankfurt Die Revolution bleibt aus. Das Bundeswirtschaftsministerium will den Entwurf zur Umsetzung der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) eins zu eins in deutsches Recht umsetzen. Damit bleibt das bestehende Abgabeverbot für Provisionen erhalten. „Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern (…) ist es untersagt, Versicherungsnehmern, versicherten Personen oder Bezugsberechtigten aus einem Versicherungsvertrag Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen“, lautet eine zentrale Passage des Gesetzentwurfs. Zu den Sondervergütungen zählen Provisionen, Sach- und Dienstleistungen sowie eine Rabattierung auf Waren und Dienstleistungen, sofern diese einen Gesamtwert von 15 Euro übersteigen.

Der Branchenverband GDV atmet auf. Das Provisionsabgabeverbot stelle sicher, „dass auch künftig die langfristigen Bedürfnisse des Kunden im Mittelpunkt des Beratungsgesprächs stehen, nicht mögliche kurzfristige finanzielle Vorteile durch die Beteiligung an Provisionszahlungen“, so der GDV. Für die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist der Erhalt des Status quo „Protektionismus in Reinform“. „Die Versicherungswirtschaft reagiert auf die Verbraucherbedürfnisse des 21. Jahrhunderts mit einem Vergütungsmodell aus dem 19. Jahrhundert“, kritisiert vzbv-Versicherungsexperte Lars Gatschke.

Auch Johannes Cremer, Gründer des Fintechs Moneymeets, wünscht sich die Abschaffung des Provisionsabgabeverbots. Vor gerade mal zehn Tagen hatte das Oberlandesgericht (OLG) Köln dem Provisionsabgabeverbot in einem Urteil eine klare Absage erteilt (Az.: 6 U 176/15). Moneymeets – an dem die Verlagsgruppe Handelsblatt beteiligt ist – überlässt seinen Kunden die Hälfte der Maklercourtage, wenn sie dem Fintech den Maklerauftrag übertragen. Dagegen hatte der Makler Harald Banditt geklagt – und war erst vor dem Kölner Landgericht und dann auch vor dem OLG gescheitert.

Das Provisionsabgabeverbot, das seinen Ursprung im Jahr 1934 hat, sei nicht zeitgemäß und diene nicht dem Ziel des Verbraucherschutzes, so die Richter. Die Berufung des Maklers wies das OLG zurück. Begründung: Das Provisionsabgabeverbot stelle heute keine Marktverhaltensregel mehr dar.

„Der Gesetzentwurf hat mich nicht sonderlich überrascht, wahrscheinlich wurde die Urteilsbegründung des OLG Köln dabei noch gar nicht berücksichtigt“, sagt Moneymeets-Gründer Cremer. „Wir sehen diesen ersten Entwurf gelassen und werden nun in einer Stellungnahme begründen, warum der Gesetzgeber nicht am Provisionsabgabeverbot festhalten darf.“ Falls das nicht helfe, sei auch eine Beschwerde gegen die Bundesrepublik bei der EU-Kommission denkbar. „Protektionismus zugunsten der Versicherer und ihrer Vertriebsstrukturen muss ein Ende haben“, so Cremer.


Getrübte Freude auch bei Maklern

Makler Banditt fühlt sich dagegen durch den IDD-Entwurf in seiner Rechtsauffassung bestätigt: „Die provisionsabgebenden digitalen Bestandsräuber schaffen falsche Anreize“, sagt das Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler (IGVM). „Im Mittelpunkt der Versicherungsauswahl sollten immer die Bedürfnisse des Kunden stehen und nicht die Frage, wie viel Provision er bekommt.“

Das könnte mit dem Gesetzentwurf vom Tisch sein. Dennoch ist der Makler nicht ganz zufrieden: „Das Gesetz wird leider nichts an der Geschäftspraktik von Ausschließlichkeitsvertretern ändern, die nur die Produkte eines Anbieters vertreiben. Ich hätte mir gewünscht, dass der Beruf der unabhängigen Makler, die im Auftrag des Kunden handeln, stärker gewürdigt wird.“ Zudem führe es womöglich sogar zu einer Verschlechterung: „Der Versicherungsvermittler darf sich seine Tätigkeit nur durch ein Versicherungsunternehmen vergüten lassen“, heißt es in Paragraph 34. „Die bisherige Praxis von Fall zu Fall courtagefreie Tarife zu vermitteln, wäre damit obsolet und ein erheblicher Rückschritt“, so Banditt.

Noch bis Mitte Dezember haben die Verbände Zeit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Die EU-Richtlinie muss bis zum 23. Februar 2018 in deutsches Recht umgesetzt werden. Für die Wirtschaft ist das Gesetz mit erheblichen Kosten verbunden, die das für dieses Gesetzesvorhaben zuständige Bundeswirtschaftsministerium auf knapp 500 Millionen Euro beziffert. Der Löwenanteil mit rund 312 Millionen Euro fällt dabei auf die künftig fortgeschriebene Fortbildung der rund 520.000 Versicherungsvermittler in Deutschland.

Doch es ist nicht nur das Provisionsabgabeverbot, das die Verbraucherschützer für obsolet halten. Es ist auch die zersplitterte Aufsicht. Denn nach den Vorstellungen des BMWi sollen nach wie vor die Industrie- und Handelskammern die Versicherungsvermittler beaufsichtigen. „Wir benötigen hier eine zentrale Aufsicht durch die Finanzaufsicht Bafin“, heißt es beim vzbv.

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