Low Performer im Job Wer ist eigentlich Minderleister?

Ein Mitarbeiter bleibt im Job stets unter den Erwartungen. Gilt er damit als Low Performer, also als leistungsschwach? Arbeitsrechtler Sebastian Maiß erklärt im Interview, wann der Rausschmiss wegen Minderleistung droht.

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Manche Mitarbeiter sind zwar in der Lage, die von ihnen geforderte Leistung zu erbringen – sie wollen aber nicht. Quelle: Getty Images

Düsseldorf Frust, Unvermögen oder Krankheit? Es gibt Mitarbeiter, die im Berufsleben regelmäßig die von ihren geforderte Leistung nicht erbringen. Warum diejenigen im Vergleich zu ihren Kollegen ein viel kleineres Arbeitspensum schaffen, kann verschiedene Gründe haben. Arbeitsrechtler Sebastian Maiß erklärt im Interview, warum Angestellte unter ihren Erwartungen bleiben, und wann der Chef Low Performer, also leistungsschwache Mitarbeiter vor die Tür setzen darf.

Herr Maiß, lässt sich so einfach zwischen leistungsstarken und -schwachen Arbeitnehmern unterscheiden?
Nein, denn es gibt keine gesetzliche Definition, ab wann ein Mitarbeiter zu den Low Performern zählt. Ob es sich um einen – vermeintlich – leistungsschwachen Mitarbeiter handelt, hängt in der Praxis häufig von der Einschätzung des Vorgesetzten ab. Denn während eine Führungskraft beispielsweise der Ansicht sein kann, dass die Leistung durchschnittlich ist, kann eine andere zu der Einschätzung kommen, dass der Mitarbeiter ein Low Performer ist. Das Bundesarbeitsgericht stellt hingegen auf einen subjektiven Leistungsbegriff ab. Danach muss „ein Arbeitnehmer die Leistung erbringen, die er bei angemessener Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kräfte auf Dauer ohne Gefährdung seiner Gesundheit zu leisten imstande ist“. Hierzu haben sich in der Praxis zwei Gruppen herausgebildet, in die man leistungsschwache Arbeitnehmer anhand verschiedener Kriterien einordnen kann.

Welche sind das?
In der ersten sind die Mitarbeiter zwar in der Lage, die Leistung zu erbringen – sie wollen aber nicht. Die Minderleistung ist also verhaltensbedingt. In der zweiten Gruppe ist es umgekehrt: Der Angestellte möchte seine Aufgaben zufriedenstellend erledigen, kann es aber nicht. Zum Beispiel aufgrund einer Alkoholsucht oder anderen Erkrankungen.

Können Sie auch Beispiele für verhaltensbedingte Low Performance nennen?
Dazu gehört der klassische Fall der Nichtleistung: Der Mitarbeiter erbringt nur teilweise oder überhaupt nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Darunter fallen nicht abgestempelte Raucherpausen, private Internetnutzung am Arbeitsplatz oder ständiges Zuspätkommen. Zur ersten Gruppe gehören aber auch diejenigen, die schlechte Leistung erbringen. Das heißt: Ein Mitarbeiter geht zwar seinen Aufgaben in der vorgegebenen Arbeitszeit nach, die Arbeit selbst ist aber fehlerhaft.


„Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“

Welche Möglichkeiten hat der Vorgesetzte, das Verhalten zu sanktionieren?
Im Fall der Nichtleistung mit Ermahnungen, Abmahnungen und gegebenenfalls sogar mit ordentlichen oder fristlosen Kündigungen. Bei der Schlechtleistung gestaltet sich die Sanktion hingegen schwieriger. Denn das Bundesarbeitsgericht ist der Ansicht „Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“. Also: Jeder Mitarbeiter begeht mal einen Fehler. Es gibt keine Fehlerquote. Der Vorgesetzte muss darlegen können, in welchem Zeitraum sein Mitarbeiter die Fehler gemacht hat – und wie hoch die Fehleranfälligkeit vergleichbarer Mitarbeiter ist, um ihm beispielsweise zu kündigen.

Was sollte die Dokumentation beinhalten?
Erstens muss der Vorgesetzte vorab sorgfältig festhalten, mit welchen Aufgaben er seinen Angestellten beauftragt – also die Soll-Leistung. Zweitens muss er dokumentieren, inwieweit der Arbeitnehmer diesen Anforderungen nachgekommen ist, also die Ist-Leistung. Zusätzlich muss er die Ursachen für die Minderleistung überprüfen. Wenn ein Vertriebsmitarbeiter beispielsweise in seinem Gebiet innerhalb eines Monats 100 Vertragsabschlüsse erreicht, der Kollege in einer anderen Gegend aber nur die Hälfte, kann auch das Vertriebsgebiet – und nicht der Mitarbeiter selbst – der Grund für die Low Performance sein.

Gilt das auch für den Fall „Der Mitarbeiter will Leistung erbringen, kann aber nicht“?
Ja, dabei ist der Vorgesetzte noch viel stärker dazu angehalten, nach den Gründen für die Minderleistung zu suchen. Mangelnde Leistungsfähigkeit kann beispielsweise durch Erkrankungen (Burnout, Depression), altersbedingte Leistungsschwächen oder auch persönliche Überforderung in einem veränderten Arbeitsumfeld entstehen. Bevor der Arbeitgeber die Kündigung wegen dieses Leistungsdefizits ausspricht, muss er prüfen, ob er zunächst für Abhilfe sorgen muss.

Diese Mitarbeiter sind also trotz ihrer Minderleistung kaum kündbar?
Richtig. In der Praxis gibt es zusätzlich viele betriebliche Regelungen, die solche Arbeitnehmer durchlaufen müssen, bevor es zu einer Kündigung kommt. Bei Krankheit steht immer die Wiedereingliederung im Vordergrund.


„Fehler werden bereits im Recruiting-Prozess gemacht“

Warum gibt es Low Performer?
Weil bereits Fehler im Recruiting-Prozess gemacht werden. Vorgesetzter und Arbeitnehmer beginnen das Arbeitsverhältnis oftmals mit unklaren Erwartungen oder der neue Arbeitnehmer bekommt die falsche Position im Unternehmen. Die Führungskraft und die Personalabteilung müssen sich im Recruiting-Prozess also sehr genau überlegen, welche Menschen sie mit welchen Qualifikationen für welche Positionen brauchen.

Kann der Vorgesetzte Low Performern das Gehalt kürzen, nach dem Motto „halbe Bezahlung für halbe Leistung“?
Wenn der Mitarbeiter seine Arbeit schlecht oder vorsätzlich einen Fehler zulasten des Arbeitgebers macht, kann dieser theoretisch einen Schadenersatzanspruch mit dessen Gehalt verrechnen. Das Problem in der Praxis ist, dass ein Angestellter aufgrund der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung nur äußerst selten für Schäden am Arbeitsplatz aufkommt. Bei leichten Schäden haftet der Mitarbeiter überhaupt nicht. Bei der normalen Fahrlässigkeit teilen sich Arbeitgeber und -nehmer die Kosten. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, kann ihn der Arbeitgeber regelmäßig für den gesamten Schaden in Anspruch nehmen.

Angenommen, der Arbeitgeber will den Low Performer kündigen. Wie sollte er vorgehen?
Als Arbeitgeber sollte man sich bewusst sein, dass der Rest der Belegschaft auf den Trennungsprozess schaut und wie der Arbeitgeber mit solchen Fällen umgeht. Eine Trennung wegen Low Performance sollte deshalb sorgfältig vorbereitet werden und auch die Option einer einvernehmlichen Trennung berücksichtigen.

Und wenn der Arbeitnehmer seinen Job behalten will?
Dann hat er die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung einzulegen. Der Arbeitgeber muss die Minderleistung in diesem Fall beweisen. Wenn ihm das gelingt, ist der Arbeitnehmer in der Pflicht, darzulegen, dass er die volle Leistung erbracht hat.

Herr Maiß, vielen Dank für das Interview.

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