SWP-Fachmann Stephan Roll ist überzeugt: „Für die Ägypter ist das Hauptziel der Berlin-Reise, an Kredithilfen zu kommen und so ihre Zahlungsfähigkeit zu erhalten.“ Die Devisenreserven würden lediglich ausreichen, um die Importe von drei Monaten zu decken. Der Einbruch beim Tourismus laste zudem schwer auf der Wirtschaft, die Rezession bleibt Tatsache. Gleichwohl sei das Land „too big to fail“, also zu groß und bedeutend, um es insolvent gehen zu lassen – gerade jetzt, da der Nahe Osten ohnehin brennt.
Die Gegner des Islamischen Staates
Die mächtigste Militärmacht der Welt führt den Kampf gegen den IS an. Seit mehr als einem Jahr bombardiert die US-Luftwaffe die Extremisten in Syrien und im Irak. An ihrer Seite sind auch Jets aus Frankreich und anderen westlichen Staaten sowie aus arabischen Ländern im Einsatz. Washington hat zudem US-Militärberater in den Irak entsandt, die Bagdad im Kampf am Boden unterstützen.
Moskaus Luftwaffe fliegt seit Ende September Luftangriffe in Syrien. Sie sollen nach Angaben des Kremls den IS bekämpfen. Der Westen und syrische Aktivsten werfen Russland jedoch vor, die meisten Luftangriffe richteten sich gegen andere Rebellen, um so das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu unterstützen.
Deutschland liefert seit mehr als einem Jahr Waffen an die Kurden im Norden des Iraks, darunter die Sturmgewehre G3 und G36 und die Panzerabwehrwaffe Milan. Die Bundeswehr bildet zudem kurdische Peschmerga-Kämpfer für den Kampf am Boden aus.
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Katar und Jordanien unterstützen die USA bei den Luftangriffen. Vor allem Saudi-Arabien und Jordanien sehen den IS als Gefahr, weil die Extremisten bis an ihre Grenzen herangerückt sind.
Sowohl im Norden Syriens als auch im Nordirak gehören die Kurden zu den erbittertsten Gegnern des IS. Die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) im Syrien und die Peschmerga im Irak konnten den Extremisten empfindliche Niederlagen beibringen. Unterstützt werden sie von mehreren westlichen Staaten.
Das irakische Militär geht in mehreren Regionen des Landes gegen den IS vor. Allerdings kann sie nur wenige Erfolge vorweisen. Seit Monaten versucht die Armee erfolglos, die westirakische Provinz Al-Anbar zu befreien. Unterstützt wird sie von schiitischen Milizen, die eng mit dem Iran verbunden sind.
Sie bekämpfen das Regime und den IS. Das gilt auch für die Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Sie teilt die Ideologie des IS, ist aber mit ihm verfeindet.
Auch das syrische Militär geht gegen den IS vor. Kritiker werfen dem Regime jedoch vor, es greife vor allem andere Rebellen an und lassen die Extremisten gewähren. Auffällig ist, dass sich die meisten syrischen Luftangriffe nicht gegen den IS, sondern gegen Regionen unter Kontrolle anderer Gruppen richten.
So gesehen, ist die deutsche Politik in einer starken Verhandlungsposition: Etwaige Hilfen für die angeschlagenen Ägypter würden sicherlich voraussetzen, dass Kairo eine konstruktive Rolle bei der Lösung des Syrien-Konflikts, der Stabilisierung des Chaos im Libyen und bei der Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien spielt.
Genau dies verspricht Minister Schoukry denn auch im WiWo-Interview: „Wir dürfen nicht zulassen, dass politische Krisen, in denen die Religion instrumentalisiert wird, ausarten in sektiererische religiöse Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten.“ Und in Syrien müssten sich sowohl die Opposition als auch das Regime in Damaskus an den Tisch setzen: „Am Verhandlungstisch kann ein Frieden erreicht werden, sofern die beteiligten Parteien in Syrien das wirklich wollen.“
Solch moderate Töne kommen in Berlin zweifelsfrei gut an. Die Frage ist nur, welchen Einfluss die ökonomisch geschwächte Regierung in Kairo auf einen syrischen Diktator Baschar al-Assad hat – oder auf das saudische Königshaus in Riad. Skeptisch sieht das SWP-Experte Roll: „Ägypten hat zwar eine große Armee, aber es ist keine Großmacht. Als Vermittler wird Kairo im Nahen Osten nicht ernst genommen.“