Afrika-Gipfel in Berlin Der Aufschwung liegt in Afrika

Die Zwanzigerjahre könnten ein goldenes Jahrzehnt für die europäisch-afrikanische Zusammenarbeit werden. Wenn die Politik - und gerade auch die Bundesregierung - die Weichen richtig stellt. Ein Gastbeitrag.

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Stefan Liebing ist der Vorsitzende des Afrika Verein der deutschen Wirtschaft und Christoph Kannengießer dessen Hauptgeschäftsführer.

Die nächste Bundesregierung täte gut daran, Afrika noch stärker ins Zentrum ihrer Politik zu rücken, denn keine Region der Welt hat sich in den vergangenen Jahren schneller und dynamischer verändert. Unser Afrikabild hinkt den neuen Realitäten weit hinterher. Afrika kann politisch und wirtschaftlich zu einem der wichtigsten Partner für Deutschland und Europa werden. Darauf sollte eine neu justierte deutsche Afrikapolitik ausgerichtet werden. Der Kontinent verlangt viel stärkere Aufmerksamkeit jenseits der traditionellen Entwicklungszusammenarbeit – in der Außen-, der Sicherheits- und vor allem der Außenwirtschaftspolitik.

Der Schwerpunkt dieser Politik muss viel klarer als bisher auf die wirtschaftliche Entwicklung der afrikanischen Staaten und die stärkere Integration des Kontinents in die globalen Wertschöpfungsketten gelegt werden. Von zentraler Bedeutung sind die Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektiven durch Wachstum, die Diversifizierung der Volkswirtschaften, die Schaffung von Arbeitsplätzen, eine klimafreundliche Energieversorgung und Industrialisierung sowie der Aufbau von leistungsfähigen Gesundheitssystemen. In all diesen Bereichen können privatwirtschaftliche Engagements deutscher Unternehmen erheblich mehr beitragen als bisher. Voraussetzung dafür ist es, dass die Unternehmen und ihre Projekte in den Mittelpunkt gestellt und die Instrumentenkästen der Entwicklungszusammenarbeit und der Außenwirtschaftsförderung entsprechend angepasst werden. In Afrika liegen wichtige Zukunftsmärkte und Investitionsstandorte.

Stefan Liebing ist der Vorsitzende des Afrika Verein der deutschen Wirtschaft.

Exporte und die Realisierung von Energie- und Infrastrukturprojekten müssen deutlich erleichtert werden. Denn diese schaffen die Märkte und die Voraussetzungen für zukünftige industrielle Wertschöpfung. Dazu sollten unter anderem die Konditionen von Hermesbürgschaften international konkurrenzfähig gestaltet und das Eigenrisiko für Geschäfte deutscher Unternehmen erheblich reduziert werden. Maßstab sollten die günstigsten von anderen Staaten der OECD gewährten Konditionen sein. Diese liegen teilweise bei nahe null Prozent Selbstbehalt, während Deutschland fünf bis zehn Prozent verlangt.  Besonders förderungswürdige deutsche Exporte nach Afrika könnten durch günstigere Kreditbedingungen und Zuschusselemente gefördert werden – ein Vorhaben das aktuell durch das Bundesfinanzministerium blockiert wird. Entwicklung wird so gebremst und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen in Afrika verschlechtert.

Aber auch Mittel der Entwicklungszusammenarbeit sollten zur Absicherung und Förderung von beschäftigungsschaffenden Investitionen eingesetzt werden. Ein besonderes Gewicht könnte die nächste Bundesregierung dabei auf die Bereiche Klima, Umwelt, Mobilität, Ernährung und Gesundheit legen. Die Nahverlagerung und Diversifizierung von Liefer- und Wertschöpfungsketten nach Afrika bieten sich hier an. Damit ließen sich deutsche Abhängigkeiten von Lieferketten aus Asien verringern. Dafür sind geeignete Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize für deutsche Unternehmen notwendig, die einzelne Produktionsschritte oder ganze Produktionen entsprechend zu verlagern.

Christoph Kannengießer der Hauptgeschäftsführer Afrika Verein der deutschen Wirtschaft.

Der Zugang zu einer verlässlichen Energieversorgung auf dem afrikanischen Kontinent ist eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung. Die nächste Bundesregierung muss klimafreundliches Engagement deutscher Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent stärker unterstützen. Der Bedarf an zusätzlicher Energie ist nirgendwo größer als in Afrika. Wachstum und Industrialisierung sollten möglichst klimafreundlich gestaltet werden. Notwendig dafür sind innovative Finanzierungs- und Risikoabsicherungsinstrumente. Gleichzeitig sollte die deutsche Politik sich für einen Mechanismus einsetzen, der das CO2-Emissionshandelssystem regional ausweitet und eine Klimaschutzzone Afrika-Europa schaffen. Wenn deutsche Unternehmen in Afrika klimafreundliche Projekte umsetzen und so zur Vermeidung weiterer Emissionen beitragen, dann sollten sie einen Bonus in Form von Zertifikaten erhalten.

Die aktuelle Pandemie hat offenbart, wie abhängig Afrika vom Import von Impfstoffen, Medikamenten und Medizinprodukten ist. Die Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen Industrie inklusive der Produktion von Medikamenten, Impfstoffen und medizinischer Ausrüstung hat die Bundesregierung erkannt und endlich auch die bilaterale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich gestärkt. Die nächste Bundesregierung muss dieses Thema schnell aufgreifen und entsprechende Projekte mit ausgewählten afrikanischen Partnerländern umsetzen. Die deutsche Wirtschaft steht dafür bereit, aber für das Gelingen muss die Politik passgenau unterstützen. Kurzfristig geht es darum, Impfstoffe und medizinische Ausrüstung – gerade auch bilateral – für afrikanische Staaten bereitzustellen. Langfristig muss die kommende Bundesregierung im Schulterschluss mit den Unternehmen den Aufbau einer eigenen medizinischen Industrie in Afrika angehen.

Mehr zum Thema: Die Industrie sollte sich mehr für Afrika interessieren. Das Land bietet Potenzial, wenn andere Märkte – wie etwa der chinesische – schwieriger zu bedienen werden. Warum also stagnieren die Investitionen?

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