Als Sigmar Gabriel am Sonntagmittag in den Iran aufbrach, hatte er nicht nur eine Flugzeugladung Unternehmer im Gepäck, sondern auch eine umfangreiche Broschüre, 64 Seiten lang. „Menschenrechte achten. Ein Leitfaden für Unternehmen“ lautete ihr Titel, sie sollte Anleitung bieten, wie am Irangeschäft interessierte Geschäftsleute sich rücksichtsvoll gegenüber Land und Menschen verhalten können.
Zur Frage, wie die Interessen von Unternehmen oder gar dem Wirtschaftsstandort Deutschland zu achten sind, hatte Gabriel offenbar keine Broschüre an Bord. Kurz vor der Landung im Land der Mullahs sandte er nämlich erst einmal seine eigene Form von Fatwa aus, sie erging vom Wirtschaftsminister der Bundesrepublik gegen eine der wirtschaftlichen Schnittstellen der Bundesrepublik: die Deutsche Bank. „Ich wusste nicht, ob ich lachen oder wütend sein soll“, diktierte Gabriel den mitreisenden Journalisten in die Blöcke, „dass die Bank, die das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht hat, sich jetzt zum Opfer von Spekulanten erklärt.“ Damit er auch ganz sicher gehört würde, stellte Gabriel – entgegen sonstiger Gepflogenheiten – noch klar, die Sätze seien nicht für den Hinterkopf bestimmt, sondern für die Titelseiten.
Warum macht ein Wirtschaftsminister so was? Immerhin bildet die Deutsche Bank, allen Krisen zum Trotz, weiterhin ein wichtiges Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Daher verweigern Regierungsmitglieder seit Tagen jede Stellungnahme zur Bank. Sie wollen nicht die Verantwortung übernehmen, am weiteren Marktniedergang der Institution mit schuld zu sein.
Vizekanzler Gabriel kennt diese Sprachregelung natürlich. Auch er sagte im Flieger schließlich, nicht mehr sagen zu können, er wolle ja nicht für einen fallenden Aktienkurs haften. Aber genau das tat der Kurs nach jenen Sätzen: Er fiel.
Einfache Antwort auf die Frage nach dem Warum: Für den SPD-Wahlkämpfer Gabriel hat das alles Sinn. Mögliche Staatshilfe für die Deutsche Bank wird ja so kontrovers diskutiert, weil sie so unpopulär ist. Viele Wähler haben den Eindruck, dass Banken gerne Verluste verstaatlichen, Gewinne aber nie. Auch suggeriert etwa die AfD erfolgreich, politisch Mächtige deckten Verfehlungen wirtschaftlich Mächtiger, ob es um Boni gehe oder um Zockerei. Dagegen müsse jemand ein Zeichen setzen, so offenbar Gabriels Logik.
Durchaus richtig. Aber er muss auch wissen, dass viele AfD-Wähler den Mächtigen vorhalten, alles zu sagen, um gewählt zu werden. Genau das tut aber ein Wirtschaftsminister, wenn er Sorge um Beschäftigte der Deutschen Bank äußert – und dann Sätze formuliert, die doch nur weiter schaden könnten. Das legt einen anderen Schluss nahe: nämlich dass ein Mann sich nicht beherrschen kann. Und auch nicht zu unterscheiden weiß zwischen langfristigem staatlichem Interesse und kurzfristigem Wahlkampfkalkül. Es liegen Welten zwischen Gabriel und Donald Trump. Aber unter Iranmitreisenden kursierte ein Vergleich: Trump mag man sich nicht in Knopfdrückweite der Atombombe vorstellen. Als Deutsche Bank aber auch Gabriel nicht zu Krisenzeiten im Kanzleramt.