Bestattung von König Bhumibol Thailands Aufbruch ins Ungewisse

Vor einem Jahr starb Thailands König Bhumibol Adulyadej. Jetzt verabschiedet sich das Land mit einer pompösen Einäscherung von seinem König. Mit dem Ende der Trauerperiode droht eine Rückkehr alter Konflikte.

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Die königliche Urne des verstorbenen thailändischen Königs Bhumibol wird auf einem rund 225 Jahre alten Streitwagen von der königlichen Wache zum Krematorium gebracht. Quelle: dpa

Bangkok Naphatra Delertpradit hat zwei Tage auf dem Fußboden hinter sich. Bereits am Dienstag kam der 40-jährige Thailänder zum Großen Palast in Bangkok, um seinen Platz für ein Jahrhundertereignis zu finden: Der Einäscherung des im vergangenen Jahr gestorbenen Königs Bhumibol Adulyadej, der sieben Jahrzehnte lang an Thailands Spitze stand. Naphatra schlief im Regen auf dem Asphalt und konnte sich nur mit einem Handtuch reinigen. Bei der feierlichen Prozession der königlichen Urne vom Palast zum goldenen Krematorium am Donnerstagmorgen hat er dafür die beste Sicht: „Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen“, sagt er. „Es ist ein einmaliger Moment.“

Die Feuerbestattung Bhumibols markiert das Ende einer außergewöhnlichen Regentschaft: Bei seinem Tod im Alter von 88 Jahren war er der am längsten amtierende Monarch der Welt. In einem politisch turbulenten Land, das während Bhumibols Zeit an der Staatsspitze zehn Machtübernahmen des Militärs erlebte und mehr als ein Dutzend Mal die Verfassung änderte, war er die einzige Konstante. Unter Bhumibol wurde der Königspalast zum wichtigen Machtfaktor in Thailands Politik – und zu einer der wohlhabendsten Monarchien der Welt. Das Vermögen des Königshauses ist Schätzungen zufolge mindestens 30 Milliarden Dollar wert – es umfasst Beteiligungen an mehreren thailändischen Konzernen und große Grundstücke in Bangkok. Mit dem Ende der Bhumibol-Ära steht das Land nun vor einer unsicheren Zukunft. Beobachter fürchten, dass alte Konflikte jetzt wieder neu ausbrechen könnten.

Die aufwendige Einäscherungszeremonie, die insgesamt fünf Tage lang dauert, ist in Thailands jüngerer Geschichte einer der wenigen Momente der nationalen Geschlossenheit. Fast alle Geschäfte haben den Betrieb eingestellt, digitale Reklametafeln zeigen statt Werbung die Fernsehbilder der Bestattung, Restaurantbesitzer verteilen kostenloses Essen an die Hunderttausenden schwarzgekleideten Trauergäste, die Bangkoks Straßen füllen. Sie kommen von beiden gesellschaftlichen Gruppen, die sich in den Straßenkämpfen der vergangenen Jahre oft auf gegnerischen Seiten gegenüber standen: dem vergleichsweise armen Nordosten und der relativ wohlhabenden Mittelschicht Bangkoks. Zwei Frauen aus der nordöstlichen Provinz Udon Thani sitzen auf einer Plastikfolie vor den Palastmauern: „Wir mussten einfach hierher kommen, um von ihm Abschied zu nehmen“, sagt eine von ihnen. Ein paar Meter weiter steht eine PR-Managerin aus Bangkok, die als Freiwillige bei der Organisation des Staatsaktes hilft. Auf ihre Trauerkleidung will sie auch nach der Bestattung nicht verzichten: „Ich habe beschlossen, nie wieder bunte Kleidung zu tragen“, sagt sie.

Viele Thailänder verehrten Bhumibol wie eine Gottheit, andere beschreiben den Monarchen als eine Art Vaterfigur. Gegner des Königshauses finden in Thailands öffentlicher Debatte keinen Raum: Eines der strengsten Majestätsbeleidigungsgesetze der Welt schützt die königliche Familie vor jeglicher Kritik. Auf Verstöße, die in den vergangenen Jahren dutzendfach vor Gericht landeten, drohen jeweils bis zu 15 Jahre Haft. Auch ausländische Journalisten müssen sich bei der Berichterstattung über das Königshaus selbst zensieren, um in Thailand arbeiten zu können.


Aufbruch in unbekannte Gewässer

Welche Rolle die Monarchie in der Zeit nach dem charismatischen Staatsoberhaupt spielen wird, ist unklar. „Das Königreich bricht nun in unbekannte Gewässer auf“, sagt der Thailand-Analyst und Autor Benjamin Zawacki, der in diesem Monat ein neues Buch über die politische Neuausrichtung des Landes veröffentlicht hat. „Das Ende der Trauerperiode setzt einen Schlussstrich unter sieben Jahrzehnte, die wie auch der verstorbene König wohl einmalig bleiben werden.“

Bhumibols Nachfolger an Thailands Staatsspitze ist sein Sohn Maha Vajiralongkorn, der in der Vergangenheit viel Zeit in Deutschland verbrachte. Offiziell gekrönt wird er erst nach der Einäscherung, im Amt ist er schon jetzt. In den ersten Monaten zeigte er sich durchsetzungsstark. Einen vom Militär vorgelegten Verfassungsentwurf ließ er abändern. Eine Gesetzesänderung gab ihm die volle Kontrolle über die Palastfinanzen. Den Vorsitz der Vermögensverwaltung hatte früher der jeweilige Finanzminister inne. Nun kann der König die Vergabe des Postens selbst bestimmen. Erste Finanzentscheidungen traf er bereits: Laut einer Mitteilung an die Wertpapieraufsicht ließ er Anteile an der Bangkoker Bank SCB im Wert von einer halben Milliarden Dollar an ein nicht näher genanntes Ziel transferieren.

Zur Trauerfeier empfing Vajiralongkorn Staatsgäste aus mehr als 40 Ländern. Altbundespräsident Christian Wulff vertrat Deutschland. Offizielle Kontakte mit Thailand sind aus Sicht der EU heikel, seitdem sich in Bangkok vor dreieinhalb Jahren eine Militärjunta an die Macht putschte. Wulff zeigte sich im Gespräch mit dem Handelsblatt jedoch optimistisch, dass es bald wieder zu demokratischeren Verhältnissen kommen könnte. „Wenn es nicht die Aussicht auf Wahlen kommendes Jahr gäbe, sondern eine Verfestigung der jetzigen Strukturen, müsste man die Dinge sehr viel kritischer sehen.“

Versprochene Wahlen verschoben die Generäle zuletzt immer wieder nach hinten. Aktuell peilen sie eine Abstimmung für November 2018 an. Politische Kundgebungen sind unter der Herrschaft der Junta bislang verboten. In der zwölfmonatigen Trauerperiode um König Bhumibol hielten die ausgebremsten Parteien den politischen Wettstreit aber auch selbst für unangemessen. Das könnte sich nun ändern. „Nach der Einäscherung werden wir wieder mehr Stimmen und mehr Lärm zu hören bekommen“, ist sich der Politikwissenschaftler Thitinan Pongsudhirak sicher. Die einende Kraft Bhumibols wird den Thailändern künftig fehlen. Die Frauen aus Udon Thani wollen ihn aber nicht vergessen: „Wir werden noch unseren Enkeln von den guten Seiten des Königs erzählen.“

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