
WirtschaftsWoche Online: Seit vier Wochen gibt es Sanktionen gegen Katar - hat sich die Stimmung bei den deutschen Unternehmen vor Ort seitdem verändert?
Felix Neugart: Die deutschen Unternehmen in der Region haben die Hoffnung gehabt, dass sich die Krise relativ schnell beilegen lässt. Im Moment ist allerdings noch immer keine Lösung in Sicht.
Zur Person
Felix Neugart ist Geschäftsführer der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK) mit Sitz in Dubai. Er ist der Delegierte der Deutschen Wirtschaft für die Golf-Region (Kuwait, Oman, Katar und Irak).
Zu Beginn der Sanktionen war die deutsche Wirtschaft vor Ort noch ruhig. Ist ob der anhaltenden Krisensituation mittlerweile eine gewisse Nervosität zu spüren?
Politische Krisen und Störungen in den Handelsbeziehungen sind in der Region letztlich ja keine Seltenheit. Vor diesem Hintergrund haben sich die meisten deutschen Firmen vor Ort logistisch und strategisch auf die neuen Herausforderungen eingestellt. Je länger die die Krise andauert, desto mehr werden die Unternehmen jedoch über ihre Aufstellung in der Region nachdenken müssen.
Gibt es Pläne einzelner Unternehmen, ihre Situation vor Ort zu verändern – etwa Projekte ruhen zu lassen oder Mitarbeiter abzuziehen?
Uns ist nicht bekannt, dass Unternehmen bereits Mitarbeiter aus Katar dauerhaft abziehen oder ihr Engagement in Katar komplett einstellen. Doch wir spüren bei Aktivitäten mit Katar derzeit eine gewisse Zurückhaltung, es gibt es Verzögerungen in den Abläufen und Reibungsverluste. Und manch eine Firma hat ihre Mitarbeiter vor Ort früher in den Urlaub geschickt.
Wie sind die Reaktionen auf das Ultimatum Saudi-Arabiens?
Wir hoffen, dass durch die Verlängerung des Ultimatums um zwei Tage die zusätzliche Zeit dazu genutzt wird, um zu einer Lösung zu kommen. Ansonsten steht zu befürchten, dass die Krise länger andauern und sich sogar noch verschärfen könnte.
Das ist Katar
Das Emirat Katar im Osten der arabischen Halbinsel ist geografisch zwar nur etwa halb so groß wie Hessen, gewinnt international aber sowohl politisch als auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Große Vorkommen an Erdöl und Erdgas machten Katar zu einem der reichsten Länder der Erde. Das Land ist 2022 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft.
Quelle: dpa
Rund 2,2 Millionen Menschen leben in Katar, von denen der Großteil aus dem Ausland kommt und als Gastarbeiter beschäftigt ist.
Das Land hat zahlreiche Beteiligungen an europäischen Unternehmen, darunter etwa Anteile am VW-Konzern und an der Baufirma Hochtief. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira hat seinen Sitz in Katar. Katar ist Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und hat unter anderem zusammen mit Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten den Golfkooperationsrat mitgegründet, der eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der Region als Ziel hat. Südlich der Hauptstadt Doha befindet sich der größte Stützpunkt der US-Armee in der arabischen Welt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert Katar für die Ausbeutung von Gastarbeitern und eingeschränkte Meinungsfreiheit.
Gibt es konkrete Erwartungen an den Besuch Sigmar Gabriels?
Wir hoffen, dass der Besuch des deutschen Außenministers dazu beiträgt, den Konflikt zu entschärfen.
Hoffnung ist also das Wort der Stunde. Mehr bleibt den deutschen Unternehmen auch nicht, oder?
Eine ähnliche Zuspitzung hatten wir bereits 2014. Damals war jedoch die Eskalationsstufe geringer und es gelang, die Situation innerhalb einiger Monate wieder zu beruhigen. Sollte die derzeitige Situation aber zum Dauerzustand werden, wird das nicht ohne Folgen für das Geschäftsumfeld in der Region bleiben.