Großbritannien Theresa May verschiebt Brexit-Abstimmung ins neue Jahr

Theresa May spricht im House of Commons in London. Quelle: AP

Opposition und Regierung in Großbritannien streiten, wann das Unterhaus über den Brexit-Deal abstimmen soll. Premierministerin May peilt die dritte Januarwoche an.

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Trotz des wachsenden Zeitdrucks soll die verschobene Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen Parlament erst in der dritten Januarwoche (vom 14. Januar) stattfinden. Das kündigte Premierministerin Theresa May am Montag im Parlament in London an. Die Debatte werde bereits in der Woche davor fortgesetzt – gut zweieinhalb Monate vor dem geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU.

Die Opposition forderte dagegen, die Abstimmung solle noch vor Weihnachten stattfinden. „Eine verantwortungsvolle Premierministerin hätte dem Parlament den Deal diese Woche vorgelegt“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. Berichte, Corbyn werde der Regierungschefin mit einer Vertrauensabstimmung drohen, bewahrheiteten sich am Montag jedoch zunächst nicht.

Selbst Abgeordnete aus Mays Konservativer Partei, die angekündigt hatten, für ihr Abkommen zu stimmen, zeigten sich enttäuscht über die Verzögerung. May hatte die eigentlich für den 11. Dezember angesetzte Abstimmung im letzten Moment verschoben, weil sich eine deutliche Niederlage abzeichnete. Sie hofft nach wie vor darauf, dass sie sich mit ihrem Brexit-Deal im Parlament durchsetzen kann. Doch das scheint inzwischen mehr als zweifelhaft.

Eine Vertrauensabstimmung vergangene Woche in ihrer eigenen Fraktion gewann May zwar, doch mehr als ein Drittel der konservativen Abgeordneten sprach ihr das Misstrauen aus. Anlass für Mays Auftritt im Parlament am Montag war der EU-Gipfel vergangene Woche. May hatte versprochen, sich dort um „Zusicherungen“ hinsichtlich der in London umstrittenen Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland im Brexit-Vertrag zu bemühen.

Der sogenannte Backstop sieht vor, dass Großbritannien notfalls als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleibt, sollte keine bessere Lösung gefunden werden. Die Gipfelerklärung blieb aber weit hinter den Erwartungen aus London zurück.´

Anders als von May angekündigt sind nach EU-Angaben derzeit keine weiteren Gespräche beider Seiten über den Brexit angesetzt. Der EU-Gipfel habe „alle Klarstellungen gegeben, die derzeit möglich waren“, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Montag in Brüssel. „Deshalb sind keine weiteren Treffen mit dem Vereinigten Königreich absehbar.“

Die Kommission will am Mittwoch konkrete Maßnahmen für den Fall eines No-Deal vorlegen, also für den Fall, dass vor dem Brexit-Datum 29. März 2019 kein Austrittsabkommen und keine Übergangsfrist zustande kommen. In dem Fall müsste das erwartete Chaos für Bürger und Wirtschaft mit Notmaßnahmen abgemildert werden. Denn dann wären unter anderem Grenzkontrollen und Zollabfertigung nötig, und der rechtliche Status von EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU wäre offen.

Eine kleine Gruppe von Brexit-Hardlinern in der konservativen Regierungsfraktion spricht sich offen für den sogenannten No-Deal-Brexit aus. Einem Bericht des „Telegraph“ zufolge könnte sich Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt an die Spitze dieser Gruppe stellen und May mit einem alternativen Brexit-Plan herausfordern. Eine andere, parteiübergeifende Gruppe fordert dagegen ein zweites Brexit-Referendum.

Spekulationen, die Regierung bereite inzwischen selbst Pläne für eine zweite Volksabstimmung vor, dementierten Mitarbeiter der Premierministerin am Wochenende vehement. May warnte am Montag eindringlich vor der Idee eines zweiten Brexit-Referendums. „Eine weiteres Abstimmung würde der Glaubwürdigkeit unserer Politik irreparablen Schaden zufügen, denn es würde den Millionen, die unserer Demokratie vertrauten, sagen, dass die Demokratie nicht Wort hält“, so May.

Am Dienstag stand eine Kabinettssitzung an, bei der sich die Regierung unter anderem mit den Vorbereitungen für ein No-Deal-Szenario beschäftigen will. Die Kritik an Mays sturem Kurs wird auch im Kabinett immer lauter.

Wirtschaftsminister Greg Clark und Arbeitsministerin Amber Rudd sprachen sich am Montag dafür aus, den Abgeordneten die Wahl zu lassen, wie es weitergehen soll, wenn das Abkommen im Parlament abgelehnt wird. May dagegen präsentiert ihr Abkommen als alternativlos.

Die britischen Wähler hatten im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt.

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