Israel und Palästina Die Siedler von Amona

Die Siedlung Amona zeigt im Kleinen das israelisch-palästinensische Problem: Weil sie illegal auf Grundstücken von Palästinensern gebaut wurde, muss sie abgerissen werden. Doch die Siedler wollen nicht gehen. Ein Besuch.

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Eli Greenberg will sein Haus in Amona nicht aufgeben, obwohl es Richter anordnen. Quelle: Pierre Heumann

Amona Hier oben in Amona, 900 Meter über dem Meeresspiegel, wo die Winde manchmal so stark sind, dass man mit ihnen Strom erzeugen könnte und wo im Winter ab und an Schnee fällt, trotzt Eli Greenberg nicht nur den winterlichen Stürmen, sondern auch der israelischen Justiz. Bis zum 25. Dezember soll die Mini-Siedlung Amona, eine knappe Autostunde von Jerusalem entfernt, geräumt werden – so will es der Oberste Gerichtshof Israels. Amona, argumentieren die Richter, sei auf Land gebaut worden, das Palästinensern gehört; Dokumente würden die Eigentumsrechte von palästinensischen Grundbesitzern belegen. Deshalb sei Amona illegal.

Illegal? Abbrechen? Greenberg, Vater von acht Kindern, wundert sich. Er habe nach „diesen Arabern gesucht, denen früher dieses Land gehört haben soll – aber ich habe sie nicht gefunden“, sagt er mit einem ironischen Lächeln. Er und die rund 40 Familien, die in den Containerhäusern von Amona leben, seien entschlossen zu bleiben. Das sei durchaus auch im Interesse aller anderen Siedlungen, sagt er: „Wenn wir Amona aufgeben, wird das zu einem Dominoeffekt führen“, dann müssten auch andere Siedlungen in der Westbank aufgelöst werden. Dieses Gebiet, ist Greenberg überzeugt, würde dann wieder so verlassen und brach sein, wie es vor 1967 war, als es unter jordanischer Verwaltung stand.

Von öd und verlassen kann für die Palästinenserin Mariam Hammad keine Rede sein. Sie erinnert sich genau, wie sie in ihrer Jugend ihrem Vater half, das Land der Familie zu bearbeiten und Bohnen, Tomaten, Trauben, Feigen und Oliven zu ernten. Während den Pausen saßen sie unter einem Zeltdach, das sie vor der Sonneneinstrahlung schützen sollte. Unvergesslich ist für die 82-jährige Bäuerin auch der Tag, an dem die israelische Armee eine Straße baute, die von Silwan, wo sie wohnt, auf den Hügel führte, wo heute Amona steht. Plötzlich stand dort auch ein Wassertank. Und dann kamen die Wohncontainer der Siedler. Das war Mitte der 1990er Jahre. Seither hat Mariam ihre Felder nie mehr betreten können. „Wenn wir uns Amona nähern, schießen sie auf uns.“

So winzig der Flecken Amona auch ist: Dieser Außenposten steht derzeit im Zentrum der Diskussion um die Zukunft der Siedlungspolitik, die nach internationalem Recht illegal ist. Nach israelischen Recht geht es indessen um die Frage, ob das Land private Eigentümer hat. In Amona sei das ein klarer Fall, der Außenposten sei auf palästinensischem Land gebaut, sagen Menschenrechtsorganisationen. Damit sei die Mini-Siedlung auch nach israelischem Recht illegal. Illegal ist der Außenposten Amona (wie viele andere) nach israelischem Recht auch deshalb, weil er von der Regierung nicht autorisiert wurde. Weil es von diesen widerrechtlich errichteten Außenposten inzwischen mehr als hundert gibt, die vom Staat geduldet und sogar unterstützt werden, ist Amona ein Test für die künftige Siedlungspolitik der Regierung.

Mariam beschloss vor acht Jahren, auf ihr Recht zu betehen, um die Felder ihrer Familie zurückzubekommen. Mit Hilfe der israelischen NGO „Yesh Din“ (Es gibt Gesetze), die sich für die Durchsetzung palästinensischer Menschenrechte in den besetzten Gebieten einsetzt, legte sie dem Obersten Gerichtshof Israels Luftaufnahmen aus den 1980er und 1990er Jahren vor. Diese sollten beweisen, dass ihr Land damals bebaut, also nicht verlassen war. Denn „verlassenes Eigentum“ kann vom Staat beansprucht werden.


Urteil in Jerusalem

Die Richter in Jerusalem gaben Mariam recht. Vor zwei Jahren entschieden sie es, dass Amona auf dem Privatbesitz von Palästinensern gebaut worden sei; deshalb müsse der nordöstlich von Ramallah gelegene Außenposten abgebrochen werden müsse und nannte das ultimative Datum: der 25. Dezember 2016.

Vergangene Woche lehnte das Oberste Gericht einen Antrag der Regierung ab, den Abriss Amonas zu verschieben. Der 25. Dezember sei keine „Empfehlung“, sondern eine Anordnung, der Folge zu leisten sei, so die Richter.

In Amona denke man nicht daran, den Außenposten aufzugeben. Die Behauptung, dass Amona auf privatem Land gebaut wurde, sei von linken und liberalen NGOs in die Welt gesetzt worden. Die Richter seien auf die Argumente der Liberalen und Linken hereingefallen. „Und selbst, wenn wir Amona aufgeben: Was bringt das den Palästinensern?“ fragt Greenberg und zeigt auf die Überreste von sechs Häusern, die in Amona vor zehn Jahren von der Polizei zerstört wurden.

Die palästinensischen Eigentümer des Landes, auf denen die Häuser standen, hatten zuvor den Prozess um die Eigentumsrechte für sich gewonnen, und theoretisch haben sie jetzt das Recht, ihr Land in Amona zu bewirtschaften. Doch das sei bloß Theorie, meint Greenberg, und sein Mitleid, das er zur Schau stellt, mag man ihm nicht so recht abnehmen, sagt er doch: „Auch wenn Amona nicht mehr besteht, wird die Armee keinem Palästinenser erlauben, hierher zu kommen.“ Denn die Siedlung Ofra mit ihren mehr als 3.000 Einwohnern ist nur ein paar Autominuten entfernt. Greenberg: „Palästinenser auf dem Amona-Hügel wären ein Sicherheitsrisiko für Ofra.“ Das Militär würde wohl da, wo jetzt die Häuser stehen, einen Armeestützpunkt einrichten, meint er und fragt: „Ist das etwa besser als eine lebendige zivile Gemeinschaft?“

Um illegale Siedlungen zu legalisieren, hat die national-religiöse Siedlerpartei „Israel Beitenu“ (Israel ist unser Haus) einen Gesetzesentwurf eingebracht. Dieses Gesetz soll verhindern, dass Amona geräumt abgebrochen werden muss. Gleichzeitig würden damit aber auch alle Häuser vor dem Aus gerettet, die illegal errichtet wurden. Auch Teile der Siedlung Ofras unweit von Amona wurden übrigens auf privatem Land von Palästinensern gebaut.
Doch gegen das Gesetz, das den Obersten Gerichtshof austricksen will, formiert sich Widerstand von Juristen und Politikern. Der Generalstaatsanwalt monierte in einem Interview, dass es gegen internationales Recht verstoße.
Aus juristischer Sicht sei der Entwurf vor allem aus zwei Gründen bedenklich, meint Gilad Grossman von Yesh Din: Erstens wolle das Gesetz die illegalen Siedlungen rückwirkend legalisieren. Zweitens habe das israelische Parlament auf der Westbank keine Souveränitätsrechte: „Der israelische Gesetzgeber hat auf der Westbank nichts zu bestimmen.“

Das Gesetz ist in Jerusalem auch politisch umstritten. Premier Benjamin Netanjahu, sonst kein Feind von Siedlern, warnt vor den außenpolitischen Folgen, die eine Annahme des Gesetzes haben würde.

Für das Lavieren und die Bedenken hat Greenberg kein Verständnis. Die Welt habe sich seit der Wahl von Donald Trump verändert. Der neue US-Präsident trete mit neuen Ideen an. Anders als Obama verurteile er die Siedlungen nicht als Friedenshindernis. Und das müsste Israel ausnützen, findet er. Auch in Amona.

Ob er sich mit Gewalt gegen den vom Obersten Gericht angeordneten Abbruch wehren werde, wollen wir wissen. „Bei uns spricht niemand von Gewalt,“ meint er. Sie würden den Kampf mit demokratischen Mitteln führen – „und wir werden zeigen, dass man uns nicht so leicht weg kriegt.“

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