Mossul Seit 18 Stunden sind Mohammed Ali und seine Familie auf den Beinen. Er und 20 Angehörige haben ihr Zuhause im Westteil Mossuls verlassen - auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und dem IS. Doch die Hoffnungen, in einem der Flüchtlingslager unterzukommen, wurden bislang enttäuscht. „Wir haben es im Camp Hammam al-Alil versucht“, sagt der 50-Jährige. Doch das 35 Kilometer südlich der Stadt gelegene Lager ist voll.
Ali und seine Familie hoffen jetzt, in den Lagern Chaser und Hassan Scham unterzukommen. Ein Bus hat sie bis auf wenige Hundert Meter in die Nähe einer Kontrollstelle der kurdischen Peschmerga östlich von Mossul gebracht. „Hoffentlich kommen wir nach Chaser. Wir müssen es nur durch die Kontrolle schaffen“, sagt Ali. So wie ihm und seiner Familie geht es Tausenden, die vor den heftiger werdenden Kämpfen fliehen. Seit Beginn der Anti-IS-Offensive vor sechs Monaten sind nach Regierungsangaben aus beiden Hälften der Stadt 355.000 Menschen vertrieben worden.
Hammam al-Alil ist für sie zum Durchgangslager geworden. Im Matsch vor dem Haupteingang warten Hunderte Menschen. Sie haben sich um kleine Feuer geschart, um sich zu wärmen. Ein paar Toilettenkabinen wurden aufgestellt. Taxifahrer wittern ein Geschäft und rufen „Mossul, Mossul“, um die Menschen zurück in den Ostteil der Metropole zu bringen, in den Teil, aus dem die Islamisten bereits vertrieben wurden. Die Lebensbedingungen sind auch in den neu gebauten Flüchtlingslagern so schlecht, dass viele der Flüchtlinge lieber versuchen, zu Verwandten in den Ostteil zu gelangen.
Um Tahsin kommt aus dem Bezirk Dschidida. Elf Tage lang hätten sie und ihre Familie nichts zu Essen gehabt, sagt sie. „Die Extremisten schlagen die Leute, die sie nicht mögen oder sie töten sie. Warum sollen wir in die Lager gehen, nur um noch mehr zu leiden?“ Sie wolle jetzt nach Ost-Mossul. Wahrscheinlich gebe es dort auch kein Wasser, aber zumindest Familie habe sie dort.
Auf einem Markt im Zentrum Ost-Mossuls sind viele junge Männer unterwegs. Sie kommen aus dem West-Teil, sagen sie. So auch der 30-jährige Waddah. Er wohne eigentlich in der Altstadt, sei aber mit seiner Frau und zwei Kindern sowie der Familie seines Bruders vor den Kämpfen und dem IS geflohen. Jetzt lebe er bei einem Cousin. „Es ist nicht ideal - wir sind 15 Leute in seinem Haus und einem Nebengebäude - aber es ist besser als in den kalten, übervollen Lagern.“
Große Sorgen macht sich Waddah um den Rest seiner Familie, der noch im umkämpften Gebiet eingeschlossen ist. Daher will er auch seinen vollen Namen nicht nennen. „Mein Bruder ist noch da. Er versucht anzurufen, wenn er kann, mit einem Handy aus dem Keller“. Die Islamisten bedrohen alle mit dem Tod, die Mobiltelefone benutzen. Immer wenn er nichts von seinen Angehörigen höre, habe er Angst, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte, sagt Waddah.