Luftverschmutzung Wie Einzelhändler an dem Smog in Polen verdienen

Das Geschäft mit Anti-Smog-Produkten in Polen floriert. Mit bunten Masken und Kosmetik zum Schutz gegen die dicke Luft wollen Händler daran verdienen.

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Rund 30 der 50 EU-weit am stärksten verschmutzen Städte liegen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Polen. Mit solchen Masken versuchen die Menschen, sich zu schützen. Quelle: dpa

Warschau Auf dem Tresen ihres Warschauer Ladens breitet Magda Anti-Smog-Masken in allen Farben und Formen aus. Ein größeres Exemplar leuchtet grellgelb, ein kleineres ist blau und hat pinke Blumen als Muster. „Casual oder Sport-Edition?“, fragt die Verkäuferin und reicht den Katalog eines polnischen Herstellers: „Das ist die neueste Kollektion.“

Durch das gravierende Smog-Problem ist in Polen vom Atemschutz inzwischen wie von einem Mode-Accessoire die Rede. Online gibt es Modelle mit hippen Namen wie „City“, „Techno“ oder „Bandit Scarf“ - mit einem in den Schal integrierten Schutz.

Rund 30 der 50 EU-weit am stärksten verschmutzen Städte liegen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Polen. Magda, die in Warschau täglich mit dem Rad fährt, merkte schon vor Jahren, dass mit der Luft etwas nicht stimmt. „In manchen Teilen der Stadt konnte ich kaum atmen“, erzählt die junge Frau, die unter Schwindel und Kopfschmerzen litt - Smog-Symptome, vor denen die Masken mit den wechselbaren Filtern schützen sollen. Magda bietet Exemplare zwischen umgerechnet 25 und 40 Euro in ihrem Fahrradladen an.

Seit einer extremen Smog-Phase 2017 machen Umweltschützer und Medien auf das Problem und die gesundheitlichen Folgen aufmerksam, durch die Tausende Polen pro Jahr vorzeitig sterben sollen, wie Piotr Siergiej vom Verband „Polski Alarm Smogowy“ (Polnischer Smog-Alarm) sagt. Polen sei vor allem beim Ausstoß krebserregender Stoffe unangefochtener EU-Spitzenreiter. Hauptverursacher der Verschmutzung sind demnach minderwertige Kohle und veraltete Brennöfen.

Millionen Menschen heizten im Land noch immer mit „Stinkern“ (Kopciuchy), warnt die Organisation, die eine Aufklärungskampagne im Kino startete. Siergiej sagt: „Wir haben das Bewusstsein der Menschen erfolgreich geschärft.“ Den Geschäftssinn vieler Händler aber ebenso. Denn: „Alle wollen mit dem Smog verdienen“, beobachtet Siergiej.

Dass das Business floriert, kann Magda bestätigen: „An Tagen mit Smog-Alarm kommen besonders viele Kunden, um Masken zu kaufen.“ Immer mehr Fußgänger, Radfahrer und Jogger sind mit den Masken, die fast das ganze Gesicht verdecken, im Winter unterwegs. Über Feinstaub-Alarm informieren sie sich auch mithilfe neu entwickelter Apps, die Werte nahegelegener Messstationen übertragen und per Push-Nachricht vor Luftverschmutzung warnen.

Polnische Apotheker haben die steigende Nachfrage nach Anti-Smog-Produkten ebenfalls gemerkt. „Immer öfter fragen Kunden danach“, sagt eine Warschauer Pharmazeutin, die nicht ganz so stylishe Masken für etwa fünf Euro zum Einmalgebrauch verkauft. Früher hätten Kunden sie für Maler- und Handwerksarbeiten benutzt, nun würden die Masken zunehmend zum Smog-Schutz umfunktioniert.

Bedarf gibt es auch bei Luftreinigern. Bewohner des südpolnischen Krakau, in dem bis zu 188 Smog-Tage pro Jahr gemessen wurden, können sogar ein Team anheuern, das Feinstaubwerte in Wohnungen und Büros misst. Selbst Polens Kosmetik-Industrie hat ihr Geschäft gewittert: Mehrere Hersteller bieten Cremes gegen Falten und vorzeitige Hautalterung an - vermeintlich von Smog verursacht, versteht sich. „Wir haben das Produkt wegen der Smog-Verschmutzung in Polen eingeführt“, erklärt Anna Irzycka von der Kosmetikmarke Yonelle.

„Über Cremes und Tabletten kann ich nur lachen“, sagt Anti-Smog-Aktivist Siergiej. Die Masken, betont er aber, seien effektiv. Mehr als 99 Prozent der Schadstoffe würden von ihnen gefiltert. „Aber es ist schwer, mit ihnen zu atmen“, gibt er zu bedenken. Kleinkindern dürften sie gar nicht erst aufgesetzt werden, weil diese dann womöglich zu ersticken drohen, wie Ärzte warnen.

Siergiej sieht die Regierung unter Zugzwang, längst versprochene Normen für Kohlequalität einzuführen: „Masken aufsetzen, im Haus bleiben oder auf Wind hoffen, der für bessere Luft sorgt, sollten nicht die gängigen Anti-Smog-Methoden sein.“

Magda geht hingegen davon aus, dass Smog-Masken schon bald zum Alltag der Polen gehören werden. „Noch sehen sie befremdlich aus, aber bald haben wir uns bestimmt daran gewöhnt.“ Ihre Kunden würden die Masken bereits mit der Kleidung abstimmen. Das Lieblingsmodell sei schwarz. „Das passt zu allem und ist am elegantesten.“

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