Inhaltlich wird es manch ein Déjà-vu geben, wenn am Wochenende Spitzenvertreter aus Politik und Wirtschaft in München brennende Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik debattieren. Vor einem Jahr etwa, als manch einer den Westen in Sicherheitsfragen noch kollektiv handlungsfähig wähnte, stand der Bürgerkrieg in Syrien ganz oben auf der Tagesordnung. So wie dieses Jahr auch – nur dass in der Zwischenzeit zigtausend Menschen dem brutalen Bürgerkrieg des Assad-Regimes zum Opfer gefallen sind. Bis heute hat sich die einst so schlagkräftige und sendungsbewusste westliche Werte- und Staatengemeinschaft in Syrien militärisch zurückgehalten.
Natürlich gibt es für die Zurückhaltung militärische Gründe. Das grundsätzliche Problem dahinter ist aber ein politisches: Die USA entziehen sich unter US-Barrack Obama jener "weltpolizeilichen" Verantwortung, die sie jahrzehntelang trotz teils scharfer Kritik übernommen hatten. Nun, da Washington sich einigelt wie seit den Jahren zwischen den Weltkriegen nicht mehr, zeigt sich, wie unkoordiniert und planlos die Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist. Da die jüngsten Konflikte vor allem in Nordafrika und Arabien und somit im Hinterhof der EU lodern, ist die Krise der koordinierten Sicherheitspolitik des Westens vor allem ein Risiko für Europa.
Das Beispiel Mali illustriert dies besonders gut: Islamisten hatten Anfang vergangenen Jahres den Norden des Landes besetzt und begonnen, in der faktisch grenzenlosen Sahara ihren Machtbereich zu konsolidieren. In Brüssel und den EU-Hauptstädten ist dies seit Monaten bekannt – entschlossen vermochte aber niemand zu handeln. Zäh wurde über eine Ausbildungsmission für malische Soldaten verhandelt, die frühestens im Herbst dieses Jahres hätte starten können. Schlussendlich wurde die EU von der Realität eingeholt und überholt.
Frankreich übernahm die Initiative, als die Lage in Mali mit dem Vormarsch der Islamisten eskalierte – und intervenierte wie zu Zeiten des 19. Jahrhunderts selbst. In Brüssel, wo sich der Traum einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hartnäckig hält, wurde der Einsatz der für solche Lagen aufgestellten "schnellen" Eingreiftruppe (EU Battlegroup) nicht einmal erwogen. Deutschland zieht sich weitgehend auf die Scheckbuch-Diplomatie aus Kanzler Kohls Zeiten zurück. Nie war der Westen passiver – und nie war die Bedrohung so groß wie jetzt.
Hochrangige Gäste aus Politik und Wirtschaft
Sicherheitskonferenz beginnt in München
In Mali gewinnt Frankreich an Boden – doch lässt sich eine im Innern fragile Schein-Demokratie ohne echte Grenzen vor Einfällen islamistischer Terroristen sinnvoll schützen? Was der Terror für die Wirtschaft bedeuten kann, zeigte sich erst vor wenigen Tagen beim bluten Sturm auf die das Gasfeld Al Amenas in Algerien.
Das Ausmaß der Bedrohung mag ein Grund sein, weshalb das Münchner Sicherheitsforum dieses Jahr so viele Teilnehmer zählt wie nie: Mehr als 400 Top-Leute aus Politik und Wirtschaft kommen ab heute für drei Tage im Hotel Bayrischer Hof zusammen, wo neben den genannten Top-Themen auch die Iran-Sanktionen, Bedrohung durch Cyber-Kriminalität, die Euro-Krise und die Neuordnung des Rohstoff-Sektors durch Schiefergas-Förderung auf der Tagesordnung stehen.
Auf dem seit 1962 stattfindenden ehemaligen Wehrkundeforum, das Botschafter Wolfgang Ischinger leitet, wird ein Dutzend Staats- und Regierungschefs erwartet. Hinzu kommen rund 70 Außen- und Verteidigungsministern, fünf EU-Kommissare und mehr als 60 Vorstandsvorsitzenden. Die Bundesregierung wird mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vertreten sein.
Anders als das Weltwirtschaftsforum in Davos bleibt die Münchner Sicherheitskonferenz weitgehend eine euro-atlantische Veranstaltung. Vertreter aus Fernost sind im Programm wenige auszumachen, der hochrangigste Vertreter ist mit US-Vizepräsident Joe Biden ein Amerikaner.