Neue Regeln EZB sagt Ratingagenturen den Kampf an

Bislang stützt sich die EZB bei der Bewertung von Staatsanleihen als Sicherheiten auf das Urteil der Ratingagenturen. Das soll sich ändern. Dies könnte den Einfluss der Agenturen mindern, aber die Standards aufweichen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Ratingagentur Standard & Poors in New York. Quelle: dapd

Frankfurt Die Europäische Zentralbank (EZB) will den Einfluss der großen amerikanischen Ratingagenturen auf ihre Entscheidungen massiv beschneiden. Wie mehrere mit den Beratungen der Notenbanker vertraute Personen bestätigten, sollen demnach die Einschätzungen der Agenturen keine Rolle mehr bei der Bewertung von Staatsanleihen spielen, die Banken bei der Zentralbank als Sicherheiten für frische Liquidität einreichen. Hier folgt die EZB bislang weitgehend dem Urteil der Bonitätswächter, etwa wenn es um so wichtige Fragen geht, ob ein Bond überhaupt akzeptiert wird und welcher Abschlag dann als Sicherheitspuffer genommen wird.

"Falls der EZB-Rat das so entscheidet, würde zum einen der vielfach kritisierte Einfluss von Standard & Poor's, Moodys und Fitch sinken", sagte eine Person aus dem Umfeld der Notenbank, die nicht namentlich genannt werden wollte. "Zum anderen könnte der kleiner werdende Pool von Sicherheiten, den Banken aus den Schuldenländern zur Verfügung haben, so wieder um einiges größer werden."

Mit einer Entscheidung sei aber erst mittelfristig zu rechnen, bestätigten darüber hinaus mehrere andere Insider am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters in Frankfurt und europäischen Hauptstädten. Die EZB wollte sich nicht äußern. In der aktuellen Sitzung des EZB-Rats am Donnerstag werde lediglich debattiert, wie seitens der Notenbank Erleichterungen für die angeschlagenen spanischen Banken auf den Weg gebracht werden könnten, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person. Ob es zu einer Entscheidung über Erleichterungen für die iberischen Institute kommen werde, sei aber noch völlig offen, sagte ein Notenbanker. Spaniens Banken müssen nach dem Platzen der heimischen Immobilienblase mit bis zu 100 Milliarden Euro rekapitalisiert werden. Das Geld will sich der spanische Staat beim europäischen Rettungsfonds EFSF beziehungsweise seinem Nachfolger ESM besorgen.

Der Schritt ist auf den ersten Blick recht technisch, aber angesichts der Probleme in Spanien und einer in der Zukunft denkbaren Ratingherabstufung Frankreichs zugleich ein politisch höchst brisantes Thema. Grundsätzlich müssen Banken bei der EZB Wertpapiere als Sicherheiten einreichen, wenn sie von ihr Liquidität haben wollen. Im Laufe der Krise wurden die Anforderungen an diese Sicherheiten immer weiter gesenkt, da sonst die Gefahr bestanden hätte, dass immer weniger Banken in der Lage gewesen wären, sich bei der Zentralbank zu refinanzieren. Vor allem die Bundesbank hatte die Aufweichung der Regeln wiederholt kritisiert und argumentiert, dass dadurch die Risiken gestiegen sind, die die Notenbanken sich in der Krise aufgeladen hätten.


Vorgehen wäre politisch heikel

Ob und zu welchen Konditionen, also mit welchen Abschlägen, die EZB die Wertpapiere der Geldhäuser annimmt, richtet sich bislang nach dem Votum der drei großen Ratingagenturen und einer kleineren, in der Öffentlichkeit wenig bekannten Agentur namens DBRS aus Kanada. Die großen drei sind US-amerikanisch dominiert und wurden immer wieder wegen ihrer Bewertung von europäischen Schuldenstaaten kritisiert. Gegner werfen ihnen zudem vor, dass sie die Krise wiederholt mit einem bewusst gewählten Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Bewertungen verschlimmert hätten.

Welche Kriterien die EZB in Zukunft statt des Urteils der Agenturen anwenden will, wenn eine Bank ihr Staatsanleihen als Sicherheiten anbietet, ist unklar. "Klar ist aber, dass die EZB auch weiterhin Abschläge je nach Bonität des Landes vornehmen wird, dessen Bonds bei ihr als Sicherheit eingereicht werden", sagte einer der Insider. Denkbar wäre etwa, dass die Notenbank eigene Experten beschäftigt, die nach wohl ähnlichen Methoden wie die Ratingagenturen Länder beurteilen würden.

Allerdings wäre ein solches Vorgehen wohl politisch relativ heikel für die Zentralbank. Nach Aussage eines anderen Insiders überlegen die drei wichtigsten Notenbanken, die EZB, die US-Notenbank Federal Reserve und die Bank von England aktuell, gemeinsam Expertise aufzubauen und die Ratingagenturen auf diese Weise mittelfristig bei der Bonitätsbewertung von Ländern zu ersetzen. "Noch sind wir operational nicht so weit, aber es läuft alles in Richtung einer größeren Koordination." Bereits heute nehmen Zentralbanken intern Bewertungen der Bonität von Banken vor, da sie zum Beispiel wissen wollen, wie solvent ihre Geschäftspartner bei den Refinanzierungsoperationen sind.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%