Ölkrise in Saudi-Arabien Die Arbeitssklaven der Saudis

Der Ölpreisverfall trifft in Saudi-Arabien die Schwächsten. Zehntausende Gastarbeiter verloren ihre Arbeit, Abertausende erhalten seit Monaten keinen Lohn mehr. Das indische Konsulat verteilt bereits Lebensmittel.

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Tausende indische Arbeiter sind mittellos in Saudi-Arabien gestrandet. Selbst für Essen fehlt ihnen das Geld. Quelle: AFP

Kairo Solche Szenen hat es in Saudi-Arabien lange nicht mehr gegeben: Protestierende Inder und Pakistanis zogen in Dschidda auf die Straße. Das indische Konsulat in der Hafenstadt glich einem Lebensmittellager. Stapelweise wurden Säcke mit Kartoffeln und Reis an hungrige Landsleute ausgegeben, die vor dem Gebäude geduldig in der Schlange warteten.

Zehntausende Arbeitsmigranten aus Asien verloren in den letzten Wochen von einem auf den anderen Tag ihre Arbeit. Abertausende erhalten seit Monaten keinen Lohn mehr und haben kaum noch Geld zum Essen, seit die Aufträge für ihre Firmen durch den Ölpreisverfall wegbrechen.

Im Zentrum der gegenwärtigen Krise stehen vor allem zwei Baugiganten – das Unternehmen Saudi Oger, das dem libanesischen Ex-Premierminister Saad Hariri gehört, und Saudi Binladin, der jahrzehntelange Hofkonzern des Königshauses.

Saudi-Arabiens Führung hat viele Infrastrukturprojekte gestrichen oder gestreckt, weil in der Staatskasse Ebbe herrscht. In den letzten zwölf Monaten gab es nach Angaben der „National Commercial Bank“ praktisch keine neuen Staatsaufträge mehr, private Bauvorhaben gingen um mehr als 50 Prozent zurück.

Obendrein entzog das Königshaus im Herbst 2015 dem Saudi-Binladin-Konzern nach dem verheerenden Kranunfall, bei dem mehr als 100 Pilger starben, die lukrative Großbaustelle in Mekka. 70.000 Bauarbeiter wurden damals gefeuert, die verbliebene Belegschaft bekommt seit zehn Monaten keinen Lohn mehr und muss sich das Nötigste von Kollegen und Freunden borgen.

Egal ob in Mekka, Medina, Riad, Dschidda oder Damman – in der Regel leben die ausländischen Arbeitsmigranten zusammengepfercht in Baracken an den Stadträndern. Bis zu acht Personen teilen sich die stickigen, grob gemauerten Räume mit Doppelstockbetten. Die schmutzigen Toiletten und Kochstellen befinden sich draußen auf dem Gang unter freiem Himmel. Insgesamt zehn Millionen Ausländer verdienen ihr Geld in Saudi-Arabien und sorgen dafür, dass die private Wirtschaft für die 20 Millionen Einheimischen funktioniert.


Arbeitsrechte sind ein Fremdwort

Saudis dagegen bevorzugen in erster Linie den Staatsdienst, wo der Müßiggang üppig bezahlt wird. Für die mageren Löhne der Gastarbeiter aus Indien, Pakistan, Bangladesch oder den Philippinen dagegen will niemand auf Baustellen oder auf Feldern schuften, in Hotels putzen oder in Restaurants bedienen.

Arbeiterrechte kennt das saudische System praktisch nicht, auch wenn es im letzten November erste zaghafte Reformen gab. Nach wie vor werden die Pässe der Angeworbenen direkt nach ihrer Ankunft eingezogen. Den ersten Heimaturlaub gibt es frühestens nach zwei Jahren.

Jeder Migrant braucht einen so genannten Sponsor, der das Visum beantragt und dem er nahezu rechtlos ausgeliefert ist. Dieses Kafala-System gebe Arbeitgebern „exzessive Macht über ihre Angestellten und erleichtere Missbrauch“, kritisiert „Human Rights Watch“ und wirft Saudi-Arabien in mehreren Studien vor, „zügellosen Missbrauch und Ausbeutung von Arbeitsmigranten durch Arbeitgeber“ zu tolerieren.

Daran wird sich in Zukunft wenig ändern, auch wenn König Salman jetzt per Dekret anordnete, alle gestrandeten Arbeiter aus der saudischen Staatskasse mit Lebensmitteln zu versorgen und sie von der staatlichen Fluglinie kostenlos nach Hause bringen zu lassen. Die meisten jedoch wollen erst gehen, wenn sie ihre noch ausstehenden Löhne in der Tasche haben.

Danach allerdings sieht es nicht aus. „Die Baufirmen haben nicht das Geld, ihre Verpflichtungen gegenüber den Arbeitern zu erfüllen“, bilanzierte John Sfakianakis, Direktor des Gulf Research Centre, einem privat finanzierten Think Tank in Dubai. „Sie bekommen keine zusätzlichen Kredite mehr von den Banken, denn sie befinden sich bereits fast am Limit.“

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