Pandemiebekämpfung „Das war hoffentlich ein unbewusster Ausrutscher": Mediziner kritisieren Aussagen des Stiko-Chefs zur Kinderimpfung

In einem Interview hat Thomas Mertens gesagt, dass er seine eigenen Kinder nicht gegen Corona impfen lassen würde. Mit seinen Äußerungen sorgt er für großen Unmut.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Noch zögert die Stiko damit eine Impfempfehlung für unter zwölfjährige auszusprechen. Laut Thomas Merten warten sie auf die Daten aus Studien. Quelle: imago images/IPON

Stiko–Chef Thomas Mertens erntet für seine Aussagen zu Impfungen für Kinder Kritik aus der Wissenschaft und von Kinderärzten. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) hatte in einem Podcast der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gesagt, wenn er ein sieben oder acht Jahre altes Kind hätte, würde er es angesichts fehlender Daten zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht impfen lassen.

Jenseits der Daten aus der Zulassungsstudie gebe es „keinerlei Daten“ über die Verträglichkeit des Impfstoffs in der Gruppe der Fünf– bis Elfjährigen. Die aktuellen Publikationen zeigten, dass Aussagen über Langzeitschäden kaum möglich seien.

„Wir impfen jetzt seit einem Jahr. Da jetzt eine Angst zu schüren, was vielleicht in Jahren passiert und von Langzeitfolgen zu sprechen ist absolut absurd. Das war hoffentlich ein unbewusster Ausrutscher“, sagte der Kinder– und Jugendarzt Jakob Maske, Sprecher vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, zu Reuters.

Zwar warte man noch auf die Empfehlung der Stiko. „Aber schon jetzt ist absehbar, dass der Impfstoff relativ gut verträglich ist und in den USA sind schon über zwei Millionen Dosen an Kindern verimpft worden. Wir haben gute Hinweise, dass das Risiko absolut gering ist.“

Der Verband hatte erklärt, dass er erwarte, dass wie bei den Zwölf- bis 17-Jährigen zunächst eine Impfempfehlung für junge Kinder mit chronischen Erkrankungen oder besonderen Risiken ausgesprochen wird und die Impfung nicht sofort allgemein empfohlen wird.

Stiko-Äußerung in wenigen Tagen

Das deutete auch Stiko–Chef Mertens an. Er rechnet damit, dass die Stiko sich dazu in rund zehn Tagen äußern kann. „Das ist nichts was dem holen Bauch heraus geschieht, sondern die Empfehlung dient der größtmöglichen Sicherheit und dem größtmöglichen Nutzen für das einzelne Kind.“

Der Charite-Immunologe Leif Erik Sander schrieb bei Twitter, eine Impfentscheidung bei Kindern sollte natürlich immer gut abgewogen sein. „Aber alle sollten sich aber folgendes klar machen: Es ist keine Entscheidung für oder gegen die Impfung, sondern für eine Coronavirus–Infektion mit Impfschutz oder Infektion ohne Impfschutz.“

Auf die Empfehlung der Stiko für Impfungen bei unter Zwölfjährigen wird mit Spannung gewartet. Viele Kinderärzte warten darauf, bevor sie ihre Patienten impfen. Mertens sagte, gegen eine Empfehlung spreche derzeit, dass Daten aus den USA und Israel, wo Kinderimpfungen bereits begonnen haben, noch nicht vorlägen. Ob es auf eine generelle Empfehlung für die Altersgruppe der Kinder von fünf bis elf herauslaufe, könne er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Die Stiko wird in Bezug auf frühere Entscheidungen in der Corona–Pandemie kritisiert, unter anderem auf eine späte Empfehlung für Auffrischungs–Impfungen. Im Gespräch mit dem ARD–Politikmagazin Panorama räumte Mertens nun ein, dass es wahrscheinlich günstiger gewesen wäre, mit dem Boostern früher anzufangen.

Der FAZ sagte er, die Ausstattung der Stiko-Geschäftsstelle sei für Pandemien nicht ausreichend und sei auch in der Pandemie nicht durch mehr Personal verstärkt worden.

Mehr: Kinderimpfungen: Der Druck der Politik ist schädlich

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%