Philippinen Der IS greift in Asien an

Verbündete des „Islamischen Staates“ haben auf den Philippinen eine ganze Stadt attackiert. Die Terrororganisation eröffnet eine neue Front – und könnte zur großen Gefahr für Südostasien werden.

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Auf den Philippinen hat nach dem Angriff von islamistischen Rebellen auf eine Großstadt im Süden des Landes eine Massenflucht eingesetzt. Quelle: dpa

Bangkok Marawi im Süden der Philippinen ist seit Dienstag ein Kriegsgebiet: Über der Stadt auf der Insel Mindanao kreisen Helikopter, Rauch steigt auf, immer wieder ertönen Schüsse – und auf Fahnenmasten und an einigen Autos weht die Fahne des „Islamischen Staates“.

Die mit dem „Islamischen Staat” (IS) verbündeten Terrororganisationen Maute und Abu Sayaf haben die Stadt mit 200.000 Einwohnern überfallen, sie brannten Schulen und Kirchen ab. Der höchste Staatsanwalt der Philippinen Jose Calida, spricht am Freitag von einer „Invasion von Terroristen, die der IS gerufen hat“. Geheimdienstinformationen deuteten daraufhin, dass der IS den Angriff befohlen habe, um ein Kalifat der Terrororganisationen auf Mindanao zu gründen.

Die philippinische Armee reagiert mit ganzer Härte: Mittlerweile wurden mehr als 31 Milizen und 11 Soldaten getötet. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte hat über der Insel das Kriegsrecht verhängt. Er warnte, den Ausnahmezustand möglicherweise auf das gesamte Land auszuweiten.

Die Attacke nährt die Befürchtungen, dass der „Islamischen Staat“ in Südostasien Fuß fassen könnte – und die Region erheblich destabilisieren könnte. Es war nicht der einzige Angriff diese Woche: Erst am Mittwoch sprengte sich in Indonesiens Hauptstadt Jakarta ein IS-Anhänger in einem Busbahnhof in die Luft und tötete drei Polizisten. „Der Islamische Staat bleibt der wichtigste Drahtzieher der Attacken in Indonesien und die Gefahr durch seine Verbündeten dürfte zunehmen“, befürchtet Otso Iho, Analyst beim Think Tank Jane’s.

Seit Jahrzehnten haben Staaten wie Indonesien und die Philippinen Probleme mit islamistischen Separatisten. Der IS könnte ihnen nun neuen Auftrieb geben. Mehrere lokale Terrorgruppen haben dem IS die Treue geschworen. Isnilon Hapilon, der Chef der nun in Marawi marodierenden Terrorbanden, hat sich selbst zum Stellvertreter des „Islamischen Staates“ in Südostasien erklärt. Die Vereinigten Staaten haben ein Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt. Der Angriff der Milizen begann, nachdem ein Zugriff philippinischer Sicherheitskräfte auf Hapilon fehlschlug.

Zwar ist unklar, wie eng die Kooperation zwischen dem Kern des IS und den lokalen Terrororganisationen in Asien tatsächlich ist. Doch laut der philippinischen Regierungen gibt es mittlerweile Hinweise darauf, dass es dem IS  zumindest gelang, die Islamisten der Region zu vernetzen und zum Angriff zu animieren. Unter den nun getöteten Kämpfern sind laut der philippinischen Regierung auch Ausländer, unter anderem aus Malaysia und Indonesien. Zuvor hatte die philippinische Regierung immer wieder bestritten, dass lokale Terrorgruppen Verbindungen mit internationalen Netzwerken hatten.


Warum bürgerkriegsähnliche Zustände drohen

Doch auf zahlreiche Radikale in der Region übt der IS eine enorme Anziehungskraft aus. Schätzungen zufolge sind bereits rund 1000 Kämpfer aus Südostasien in den Nahen Osten gereist, um dort den „Islamischen Staat“ zu verteidigen. „Keiner weiß, ob und wie viele zurückkommen oder vielleicht schon zurück sind“, sagt Benedikt Seemann, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung  auf den Philippinen. „Das ist ohne Zweifel ein enormes Risiko.“

Zwar hält Seemann den Terrorismus auf den Philippinen noch für kontrollierbar, doch die Unterstützung aus dem Ausland könnte das schnell ändern. „Die Kooperation mit dem IS könnte die Schlagkraft der lokalen Terrorgruppen erheblich erhöhen“, sagt er. „Wenn Maute oder anderen islamistischen Gruppen große Anschläge außerhalb ihres bisherigen Operationsgebietes gelingen, kommt das Land an einen Scheideweg. Dann sind bürgerkriegsähnliche Zustände möglich.“

Solche Sorgen kommen auch deswegen auf, weil mit Rodrigo Duterte derzeit ein Mann die Philippinen regiert, der als alles andere als zimperlich gilt. Dass er keine Probleme damit hat, Konflikte eskalieren zu lassen, zeigt sein international umstrittener „Krieg gegen die Drogen“. Das Staatsoberhaupt hat mehrfach öffentlich dazu aufgefordert, Drogendealer und Abhängige zu erschießen – und den Tätern Straffreiheit versprochen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beklagt, dass bereits 7000 Menschen getötet wurden.

Dass Duterte nun gleich das Kriegsrecht auf der gesamten Insel Mindanao verhängte, hat viele Beobachter irritiert. Liberale Oppositionspolitiker und Internationale Organisationen befürchten, dass der bei vielen Filippinos äußerst beliebte Politiker so seine Macht noch weiter festigen will – und fühlen sich an die Diktatur von Ferdinand Marcos erinnert.

Auch aus der Wirtschaft kommen kritische Töne mit dem Umgang der Krise. Günter Taus, Chef der Europäischen Handelskammer auf den Philippinen, sieht zwar eine Zunahme der terroristischen Gefahren und fordert zwar ein hartes Durchgreifen gegenüber den Islamisten. „Dafür muss man aber nicht unbedingt das Kriegsrecht auf der ganzen Insel  ausrufen. Das halte ich für übertrieben“, sagt er.  Er befürchtet, dass solche Maßnahmen das Vertrauen der Investoren in die Rechtsstaatlichkeit gefährden könnten. „Wenn Kriegsrecht gilt, überlegt man sich schon, ob man tatsächlich eine Fabrik für 50 Millionen Euro hinstellen soll.“

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