So etwas nennt man wohl einen wissenschaftlichen Scoop: Einem internationalen Ökonomenteam ist es gelungen, 100 Originalverträge chinesischer Gläubiger einzusehen, die diese im Rahmen des Projekts „Neue Seidenstraße“ vor allem mit Entwicklungsländern angeschlossen haben.
Die Kontrakte enthalten „ungewöhnliche Geheimhaltungsbestimmungen sowie Klauseln, die zulasten anderer internationaler Gläubiger gehen“, berichtet jetzt das an der Studie beteiligte Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Chinesische Banken positionierten sich in ihren Partnerstaaten „bewusst als vorrangige Gläubiger und schränken die Handlungsoptionen der Schuldnerländer im Falle einer Zahlungsunfähigkeit teilweise stark ein“. Der Schuldendienst sei zudem „oft durch Auslandskonten und Projekteinnahmen abgesichert“.
Neben dem IfW waren an der Studie das amerikanische Peterson Institute for International Economics, das Center for Global Development sowie das auf Entwicklungshilfe spezialisierte Forschungsinstitut AidData beteiligt.
Laut Studie verlangt fast ein Drittel der Verträge, dass Kreditnehmer hohe Guthaben auf Bank- oder Treuhandkonten schaufeln müssen, die von chinesischen Banken bei einem Zahlungsausfall beschlagnahmt werden können. Relevant für westliche Staaten ist zudem das häufig in den Verträgen stehende Verbot für Entwicklungsländer, die eigenen Schulden in Abstimmung mit anderen Gläubigern umzustrukturieren. „Chinas Praktiken erschweren es Ländern, die sich beispielsweise aufgrund der Coronapandemie in einer finanziellen Notlage befinden, ihre Schuldensituation in den Griff zu bekommen“, warnt IfW-Ökonom Christoph Trebesch.
An dem von Chinas Präsident Xi Jinping 2013 initiierten und mit großer Energie vorangetriebenen globalen Infrastrukturprojekt sind mittlerweile über 100 Länder auf vier Kontinenten beteiligt. Mit hohen Krediten finanziert China dort unter anderem Straßen, Bahntrassen, Häfen und Kraftwerke. Zugleich erwirbt Peking entlang zentraler Land- und Seehandelsrouten systematisch Beteiligungen an strategischer Infrastruktur. Bekommen Gläubiger Probleme mit der Rückzahlung, greift Peking rigoros durch.
Sri Lanka etwa hat in den vergangenen Jahren mit chinesischem Geld und Knowhow seine Infrastruktur modernisiert – musste aber 2017 das Areal um den Hafen Hambantota an einen chinesischen Eigner abtreten. Und zwar gleich für 99 Jahre.
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