Russland-Überläufer „Verrätern blüht meist ein böses Ende“

Rätsel um den russischen Überläufer Alexander Potejew: Er soll in den USA gestorben sein, Details gibt es aber bislang nicht. Russland glaubt an eine Verschwörung – und tut so, als würde es im Kreml keinen interessieren.

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Vergessen sei der Verrat von Alexander Potejew sicher nicht, sagt Putins Sprecher Dmitri Peskow. „Dass er ein Verräter war, ist offensichtlich.“ Quelle: dpa

Moskau Hat sich Wladimir Putins Prophezeiung erfüllt? Angeblich soll der in die USA geflüchtete russische Agent Alexander Potejew gestorben sein. Potejew hatte 2010 dem russischen Auslandsgeheimdienst SWR die schwerste Schlappe seit Ende des Kalten Krieges beschert.

Schon damals waren die Beziehungen zwischen Moskau und Washington angespannt. Ein Staatsbesuch des damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew sollte das Verhältnis wieder kitten. Gemütlich saß er mit US-Präsident Barack Obama in einem Arlingtoner Schnellrestaurant bei Kaffee und Burgern zusammen.

Kaum war er weg, flog ein riesiger russischer Agentenring in den USA auf. Die gute Stimmung war dahin – und nicht wenige mutmaßten, dass die Aktion des FBI darauf abzielte, Obama zu diskreditieren und den Neustart zu hintertreiben.

Zehn russische Agenten wurden kurz darauf am Wiener Flughafen Schwechat gegen vier wegen Spionagevorwürfen in russischer Haft sitzende Männer, darunter den Atomexperten Igor Sutjagin, ausgetauscht. Die Medien stürzten sich vor allem auf die Personalie Anna Chapman. Wegen ihres attraktiven Äußeren wurde die Rothaarige zum „Bond-Girl“ erklärt und machte später in Russland leidlich Karriere als Fernsehmoderatorin.

Doch die Identität des eigentlich Verantwortlichen für den Coup kam erst viel später ans Tageslicht: Oberst Alexander Potejew war nur einige Tage vor Medwedew mit falschem Pass über die Ukraine, Weißrussland und Deutschland in die USA geflüchtet, zuvor schon hatte er seine Kinder unter verschiedenen Vorwänden außer Landes gebracht.

Der im weißrussischen Luninez geborene Potejew hatte als KGB-Offizier den Afghanistan-Krieg mitgemacht, ehe er in die Auslandsspionageabteilung wechselte, wo er schließlich zum Leiter der Amerika-Abteilung für illegale Aufklärung aufstieg. Dass ausgerechnet der Führungsoffizier dem FBI die russischen Agenten ans Netz lieferte, war ein harter Schlag für Moskau. Die Drohungen kamen daher von höchster Stelle.


„Spione leben nach ihrem eigenen Gesetz“

Putin, selbst jahrelang beim KGB angestellt, empfing so die gefassten Spione nach ihrer Rückkehr persönlich, sang mit ihnen Schlager und versprach ihnen einen würdigen Neuanfang in Russland. Potejew hingegen kündigte er ein Leben in ständiger Angst und einen vorzeitigen Tod an: „Verrätern blüht meist ein böses Ende; entweder im Suff oder in der Drogenabhängigkeit hinter irgendeinem Gartenzaun“, sagte Putin. „Spione leben nach ihrem eigenen Gesetz und die sind allen Geheimdiensten gut bekannt“, fügte er später auf einer Pressekonferenz hinzu. Ein Sprecher des russischen Geheimdienstes erklärte inoffiziell, man habe schon einen „Mercader“ (Mörder Lew Trotzkis in Mexiko) ausgeschickt.

Nun soll Potejew nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax wohl tatsächlich tot sein. Demnach wäre der in Abwesenheit von Russland wegen Landesverrats zu 25 Jahren Haft verurteilte Spion 64 Jahre alt geworden; immerhin knapp 20 Jahre älter als der im November 2006 an einer Polonium-Vergiftung gestorbene FSB-Überläufer Alexander Litwinenko, der noch auf dem Sterbebett Putin anklagte. Die Plutonium-Affäre vergiftet seit eben jener Zeit auch die Beziehungen zwischen Moskau und London.

Zur Todesursache Potejews hingegen gibt es keine Informationen und dementsprechend auch nicht für eine Beteiligung russischer Geheimdienste. Zudem sind sich die Informanten in dem Fall offenbar nicht einmal hundertprozentig sicher, dass die Meldung auch wirklich stimmt. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich um eine „Desinformation handelt, die darauf abzielt, den Verräter einfach in Vergessenheit geraten zu lassen“, heißt es.

Vergessen ist der Verrat in Moskau sicher nicht, auch wenn Putins Sprecher Dmitri Peskow den Eindruck zu erwecken versuchte, dass das Thema im Kreml niemanden interessiere. „Das ist keine Frage für den Präsidenten“, sagte er auf den Tod Potejews angesprochen. „Dass er ein Verräter war, ist offensichtlich“, trotzdem sehe er keine Gefahr, dass die Berichte über Potejews Tod und Spekulationen über seine mögliche Liquidierung zu einer Hetzkampagne gegen Russland werden könnten, fügte er hinzu.

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