Subventionen in den USA Ein Land versinkt im Käse

Mehr als eine Milliarde Tonnen Käse stapeln sich in amerikanischen Kühlhäusern. Doch wer soll das alles essen? Um dem Käseberg Herr zu werden, verabschieden sich selbst die USA von der geliebten Marktwirtschaft.

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Beim Käse hört selbst in den USA die Marktwirtschaft auf. Quelle: Getty Images

San Francisco „Trader Joe’s“ an der Hyde Street in San Francisco ist an diesem Mittwoch gut besucht – wie immer. Die große Käsetheke ist prall gefüllt mit Spezialitäten aus aller Welt. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt – und noch mehr: Der billigste Double Cream Brie aus heimischer Produktion kostet 5,99 Dollar pro 450 Gramm, aber es geht auch teurer, 7,99 Dollar oder 8,99 Dollar sind normal für französischen Käse. Der frische Butterkäse, importiert aus Nürnberg, schlägt an der Kasse der amerikanischen Aldi-Tochter mit 4,99 Dollar pro 450 Gramm zu Buche.

Und wenn es nach dem US-Landwirtschaftsministerium geht, dann werden die Preise noch mal deutlich anziehen. Denn die US-Regierung kauft jetzt Käse-Überschüsse im Land auf, um das Angebot künstlich zu verknappen. Die USA verabschieden sich von der Marktwirtschaft.

Die Märkte für Milchprodukte sind seit Generationen außer Kontrolle und Spielball von Subventions- und Planwirtschaftsakrobaten in der ganzen Welt. „Milchsee“ und „Butterberg“ sind zwei deutsche Wortschöpfungen, die für fehlgeleitete EU-Subventionspolitik stehen.

Dann kam 1985 die Milchquote in Europa. 30 Jahre lang bewirkte sie nichts, wurde dann wieder abgeschafft und hinterließ den Milch-Markt so desolat zurück wie zuvor. Nach dem Ende der Quotenregelung expandierte die Produktion munter weiter, alle setzen auf den Exportmarkt, zum Beispiel Russland. Aber der Markt brach mit den Sanktionen gegen Russland in sich zusammen, als die Russen den Import von Milchprodukten aus der EU stoppten. Der Ausweg für EU-Bauern: die USA.

Der mächtig angeheizte Import von billigen Milchprodukten bei billigem Euro in die USA setzte wiederum die dortige Industrie unter noch größeren Druck und zwingt jetzt die US-Regierung zum Handeln. Das Landwirtschaftsministerium USDA wird jetzt elf Millionen Pfund (4,9 Millionen Kilogramm) Käse aufkaufen. Das Ganze kostet zwar nur 20 Millionen Dollar, was eigentlich keinerlei Erwähnung wert wäre. Aber für die Verbraucher ist es mit einschneidenden Konsequenzen verbunden.

Diese planwirtschaftliche Maßnahme soll den Weg für Preissteigerungen bereiten, die sonst im Markt offenbar nicht durchzusetzen sind. Es geht dabei auch um weit mehr potenzielle Hilfe aus dem Steuertopf: Jim Mulhern, Chef der National Milk Producers Federation, hatte laut „Wall Street Journal“ von US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack im Vorfeld sogar den Ankauf von Käse für rund 150 Millionen Dollar verlangt. Doch auch das würde nicht viel bringen. Denn mehr als eine Milliarde Tonnen Käse stapelt sich in amerikanischen Kühlhäusern. Dazu kommen noch hunderte Millionen Tonnen „American Cheese“, das deutsche Pendant ist „Scheibletten-Käse“.


Wer soll das alles essen?

Wer soll das alles essen? Der jetzt aufgekaufte Käse wird einen guten Zweck zugeführt, heißt es. Er soll laut USDA an gemeinnützige Organisationen und Armenküchen weitergegeben werden. Damit bekommen dann die Leute, die sich bereits heute die Käsepreise nicht mehr leisten können, auch mal wieder ein Stück auf den Tisch, bevor die Preise weiter steigen. Das Verfahren ist nicht neu: Früher wurden schon einmal Erdnüsse und Hühnerbeine wegen Überproduktion aufgekauft – und dann später in den Schulkantinen Amerikas abgeladen.

Kalifornien ist nach Wisconsin der zweitgrößte Milchproduzent der USA. Der Grundstein für die heutigen Überkapazitäten wurde 2013 und 2014 gelegt, als die Preise für Milchprodukte Rekordstände erreichten. Stark gesunkene Preise für Futtermittel verbilligten gleichzeitig die Produktion. Die Agrarbetriebe investierten wie wild, weil der Dollar die Exporte begünstigte und China jedes Gramm Käse aufkaufte, das zu finden war. Dieser Boom ist jetzt vorbei und es wäre dringend an der Zeit für eine Marktbereinigung. Doch stattdessen greift die Politik ein.

Das Ministerium macht in seiner Ankündigung auch gar keinen Hehl daraus, warum diese Aufkauf-Aktion angeleiert wurde: Der US-Kongress und die Bauernverbände liefen Sturm. Der Umsatz der Milchindustrie in den USA ist in den vergangenen zwei Jahren um 35 Prozent gefallen, so das Ministerium. Für dieses Jahr wird eine Rekordproduktion von rund 96 Millionen Kilo Milch erwartet, die jedoch auf eine deutlich gesunkene Nachfrage trifft. Deshalb greife man ein, so das Ministerium.

Ob die Subventionen Erfolg haben können, ist fraglich. Denn zur Überproduktion kommt der Gesundheitstrend: Die in den USA bekannte TV-Show „Dr. Oz“ wirbt regelmäßig dafür, aus Gesundheitsgründen auf den Genuss von Milchprodukten zu verzichten. Alternativprodukte wie Soya-, Mandel- oder Reismilch sind im Kommen. Wenn am Ende auch noch die Milch-Käufer streiken, dann sieht es düster aus.

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