Terrormiliz Die Zerstörwut des IS trifft Kloster im Irak

Die Terrormiliz hat im Irak und in Syrien viele, teils jahrtausendealte Kulturgüter dem Erdboden gleichgemacht. Auch von den uralten Mauern des Sankt-Elias-Klosters bleiben nur noch Trümmer.

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Von der Nachrichtenagentur AP in Auftrag gegebene Satellitenaufnahmen zeigen am einstigen Standort des auch als Dair Mar Elia bekannten Klosters nur noch ein Trümmerfeld. Quelle: ap

Erbil Mehr als 1.400 Jahre lang stand das Sankt-Elias-Kloster auf einem Hügel über Mossul. Immer wieder wurde es im Lauf seiner Geschichte von Tragödien heimgesucht, sei es, als 1743 ein persischer General 150 Mönche hinrichten ließ, weil sie nicht zum Islam konvertieren wollten, oder als US-Soldaten die uralten Wandmalereien verunstalteten. Doch zumindest die Ruine stand noch und wurde in den vergangenen Jahren restauriert – bis sie die Terrormiliz Islamischer Staat nun dem Erdboden gleichmachte.

Von der Nachrichtenagentur AP in Auftrag gegebene Satellitenaufnahmen zeigen am einstigen Standort des auch als Dair Mar Elia bekannten Klosters nur noch ein Trümmerfeld. Damit bestätigten sich Befürchtungen von Archäologen und Kirchenvertretern, dass das Kloster ein ähnliches Schicksal ereilen könnte wie etliche andere Gebetsorte und Tempel im Gebiet der Extremisten im Irak und Syrien. Der extremistische IS begründet die Zerstörung damit, dass dort Götzen angebetet würden.

Generationen von Mönchen hatten in dem zwischen 582 und 590 errichteten Sankt-Elias-Kloster Kerzen in die Gebäudenischen gestellt und in der Kapelle oder am Altar gebetet und Messen abgehalten. Nach der Zerstörung einiger Gebäudeteile durch die Perser wurde es zu einem Pilgerort. Dabei blieb es, obwohl das Kloster in einen Ausbildungsstützpunkt der irakischen Armee eingegliedert wurde.

Die Soldaten gingen allerdings nicht gerade pfleglich mit der Gebetsstätte um. Müll wurde in den alten Zisternen abgeladen, und als nach der US-Invasion 2003 amerikanische Soldaten einrückten, kritzelten sie Sprüche wie „Chad war hier“ und „Ich liebe Debbie“ über die uralten Wandgemälde. Bei einem Gefecht stürzte ein Panzerturm in eine der Mauern.

Ein US-Militärpriester, der die historische Bedeutung des Klosters erkannte, begann schließlich mit der Restaurierung. Das Projekt wurde auch von seinen Nachfolgern an dem Stützpunkt über Jahre fortgesetzt.

Bevor der IS im Jahr 2014 die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul und deren Umgebung übernahm, stand dort noch ein 2500 Quadratmeter großer Komplex aus Stein und Mörtel. Das Dach des festungsartigen Gebäudes fehlte großteils, aber die 26 Räume inklusive Kapelle und Altarraum waren noch erhalten.


„Ich kann nicht beschreiben, wie traurig ich bin“

Vermutlich zwischen August und September 2014 sei das Gebäude dann richtiggehend pulverisiert worden, sagt Stephen Wood von Allsource Analysis, der die mit einer hochauflösenden Kamera aufgenommenen Satellitenfotos für die AP untersuchte und mit Archivbildern verglich. „Bulldozer, schweres Gerät, Vorschlaghammer und möglicherweise auch Sprengstoff haben die Steinmauern in ein Feld aus grau-weißem Staub verwandelt. Sie haben es komplett zerstört.“

Die AP zeigte die Vorher- und Nachher-Bilder auch dem aus Mossul stammenden katholischen Priester Thabit Habib. „Ich kann nicht beschreiben, wie traurig ich bin. Unsere christliche Geschichte in Mossul wird auf barbarische Weise dem Erdboden gleichgemacht“, sagt er in der nordirakischen Stadt Erbil, die unter Kontrolle der Kurden steht. „Was wir sehen ist ein Versuch, uns aus dem Irak zu vertreiben, unsere Existenz in diesem Land auszumerzen und zu beenden.“

Auch Suzanne Bott kommen die Tränen, als sie die Bilder sieht. Als Kulturberaterin des Außenministeriums im Irak hatte sie mehr als zwei Jahre der Restaurierung des Sankt-Elias-Klosters gewidmet. „Das kann nicht sein. Es ist völlig dem Erdboden gleichgemacht“, sagt sie. „Was wir hier verlieren, ist eine sehr konkrete Erinnerung an die Wurzeln einer Religion.“

Im Zuge seiner Eroberungen in Syrien und im Irak hat der IS neben dem Kloster auch rund 100 andere Kulturstätten zerstört oder beschädigt, unter anderem den 2000 Jahre alten Baaltempel im syrischen Palmyra und die Anlagen in Ninive oder Hatra im heutigen Irak. Kirchen, Gräber, Schreine, Museen, Büchereien und sogar Moscheen wurden geplündert und Kunstwerke vernichtet oder auf dem Schwarzmarkt verkauft.

Für die chaldäisch-katholische Kirche im Irak war der Vormarsch des IS ein weiterer schwerer Schlag. Bereits in den Jahren nach der US-Invasion waren Christen zum Ziel brutaler Verfolgung geworden. Nach Kirchenangaben schrumpfte die Zahl der irakischen Christen von 1,3 Millionen damals auf 300 000 heute.

Der chaldäisch-katholische Priester Yousif Boji lebt mittlerweile in den USA. Er erinnert sich noch daran, dass er vor 60 Jahren im Sankt-Elias-Kloster eine Messe besuchte, als er noch im Priesterseminar war. Und auch er beklagt einen unwiederbringlichen Verlust. Dennoch will er die Hoffnung nicht aufgeben. „Diese Verfolgungen sind unserer Kirsche schon mehr als einmal widerfahren“, sagt er. „Aber wir glauben an die Macht der Wahrheit, an die Macht Gottes.“

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