Theresa May weiter in Bedrängnis Seifenoper aus dem britischen Regierungsviertel

Aus den Reihen der britischen Wirtschaft schlägt Regierungschefin Theresa May harsche Kritik entgegen. Der Wirtschaftsverband CBI vermisst Fortschritte bei den Brexit-Verhandlungen mit der EU.

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Die Wirtschaft sorgt sich um die ungelösten Probleme im Zuge das anstehenden Brexit. Quelle: Reuters

London In London strahlt an diesem kalten Novembertag die Sonne – doch für die britische Premierministerin Theresa May verläuft der Tag nicht so erfreulich wie es das Wetter glauben lässt. Auf der alljährlichen Versammlung des britischen Wirtschaftsverbands CBI schlägt der Politikerin harsche Kritik entgegen. Es sei die Pflicht der Unternehmer, sich zu Wort zu melden, wenn es Probleme für die britische Wirtschaft gebe, und dieser Zeitpunkt sei nun gekommen, sagte CBI-Präsident Paul Drechsler in Richtung der Premierministerin und vor den rund 1500 Vertretern der Wirtschaft.

Die Wirtschaft stehe vor einer großen Herausforderung: Nicht der Brexit an sich – sondern wie man den Brexit umsetze. „Wir brauchen eine eindeutige, klare Strategie. Ein Plan, was wir wollen und was für eine Art der Beziehung zu der EU wir anstreben“, sagte Drechsler. Doch was derzeit in Großbritannien passiere, erinnere ihn an „eine Seifenoper“, die zur besten Sendezeit im Fernsehen laufe, und von der es jede Woche eine neue Episode gebe, kritisiert der Wirtschaftsvertreter.

In 508 Tagen wird Großbritannien aus der Europäischen Union (EU) austreten – doch zu welchen Bedingungen, ist nach wie vor unklar. Mehrere Verhandlungsrunden in Brüssel brachten keine Ergebnisse. Deswegen wird in den Unternehmen die Nervosität immer größer.

Sie werde den „besten Deal“ für Großbritannien aushandeln, versprach Premierministerin May nun den Wirtschaftsvertretern in London. Zudem soll es eine Übergangsphase geben, erklärte sie. Das ist eine der dringlichsten Forderungen, die aus den Unternehmen an sie gerichtet wurde. Diese richten sich mittlerweile auf das Schlimmste ein, wie eine aktuelle Umfrage des CBI ergab. Bis zum März 2018 würden demnach 60 Prozent der britischen Unternehmen Notfallpläne umsetzen, wenn es bis dahin keine Übergangsvereinbarung gebe.

Die Bedenken versuchte May zu zerstreuen. So bald wie möglich wolle sie eine „zeitlich begrenzte“ Übergangsphase mit der EU vereinbaren, in der die derzeit geltenden Regeln für die Wirtschaft gelten werden, versicherte sie.

Könnte die Premierministerin die Kritiker aus den Reihen der Unternehmen zum Schweigen bringen, hätte sie ein Problem weniger – aber aus dem Schneider wäre sie dann noch lange nicht. Nachdem sie im Sommer vorgezogene Parlamentswahlen ausgerufen hatte und diese für ihre konservative Partei in einem Desaster endeten, muss May um ihren Posten kämpfen. Während Brexit-Befürworter ihr vorwerfen, dass sie gegenüber der EU zu große Zugeständnisse macht, fürchten Brexit-Gegner die Folgen des EU-Austritts auf die Wirtschaft. Diese unterschiedlichen Meinungen sind auch in Mays Regierungskabinett zu spüren.

Dass nun die Regierung – sowohl die konservative Tory-Partei als auch die oppositionelle Labour-Partei – von einem Sex-Skandal erschüttert wird, macht die Situation für die Regierungschefin noch schwieriger. Vergangene Woche trat der Verteidigungsminister wegen „unziemlichen Verhaltens“ zurück. Michael Fallon war einer der stärksten Verbündeten von May in ihrem Kabinett.

Ende der Woche gehen die Verhandlungen in Brüssel in die nächste Runde.

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