Die amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany) hofft auf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über den Handelsvertrag TTIP nach der Bundestagswahl im September. „Ich bin sicher, dass das Thema Transatlantisches Freihandelsabkommen nach der Wahl wieder auf den Tisch kommt“, sagte Präsident Bernhard Mattes der Deutschen Presse-Agentur. „Die Tür ist immer noch offen.“
Auch unter US-Präsident Donald Trump seien neue Gespräche über das umstrittene Abkommen zwischen der EU und den USA möglich, meinte Mattes - „möglicherweise unter anderem Namen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Trump bei ihrem Besuch im März die Dringlichkeit von Freihandel mit Europa deutlich gemacht. „Trump hat verstanden“, sagte Mattes dazu. Am internationalen Handel hingen 40 Millionen Jobs in den USA. „Abschottung ist keine Lösung.“
Die im Juli 2013 aufgenommenen Verhandlungen über TTIP hatten sich zuletzt als zäh erwiesen, zum erhofften Abschluss im vergangenen Jahr kam es nicht. Trump hat angekündigt, die heimische Wirtschaft mit Handelsbarrieren zu schützen. Und in Europa gibt es heftigen Widerstand von Verbraucher- und Umweltschützern, die eine Absenkung von Standards befürchten. Jüngst hatte sich Merkel offen für eine Wiederaufnahme der TTIP-Gespräche gezeigt.
Für Deutschland sind enge Wirtschaftsbeziehungen zu den USA sehr wichtig. 2016 exportierte die Bundesrepublik Waren im Wert von 106,9 Milliarden Euro dorthin - so viel wie in kein anderes Land. In Deutschland hängen laut dem Ifo-Institut direkt und indirekt mehr als eine Million Arbeitsplätze an Ausfuhren in die Vereinigten Staaten.
Jedoch sind die rechtlichen Hürden für Handelsverträge mit der EU jüngst gestiegen. Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich den Weg für ein Veto-Recht nationaler Parlamente gegen Freihandelsabkommen der EU geebnet. Die EU-Kommission hatte hingegen die Position vertreten, dass nur eine Mitwirkung des Europaparlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten am Abschluss vorgesehen ist.
Wissenswertes zum internationalen Handel
Die Frage, ob Handel gut oder schlecht ist, gilt in der Volkswirtschaftslehre längst als geklärt. Eine weit überwiegende Mehrheit von Ökonomen vertritt die Meinung, dass internationale Arbeitsteilung nützlich ist und den Wohlstand steigert. Indes unter einer wichtigen Voraussetzung: Die Regeln müssen fair sein, damit das Kräfteverhältnis zwischen den Handelspartnern nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden - nachfolgend eine Übersicht.
Einfache Handelsverträge etwa zwischen zwei Ländern sind die unkomplizierteste Form von Handelsabkommen. Im Gegensatz etwa zu multilateralen Vereinbarungen sind nur zwei Parteien an den Verhandlungen beteiligt, was eine Einigung deutlich vereinfacht. Zudem geht es bei solchen Verträgen meistens nur um Handelsströme, insbesondere die Höhe von Zöllen. Andere Fragen wie Umweltstandards werden meist ausgeklammert. Das führt jedoch zum größten Nachteil solcher Abkommen: Von ihnen kann nicht erwartet werden, dass sie zwei Wirtschaftsräume umfassend miteinander verbinden, weil viele Fragen ungeklärt bleiben.
Wollen zwei oder mehr Länder über den Tausch von Waren und Dienstleistungen hinausgehen und ihre wirtschaftlichen Beziehungen umfassend regeln, werden die benötigten Abkommen umfangreicher und komplexer. Beispiele sind das zwischen der EU und den USA angedachte TTIP, das asiatisch-pazifische Abkommen TPP oder das asiatische Freihandelsprojekt RCEP. Derartige Abkommen regeln nicht nur Handelsfragen oder Zölle. Vielmehr geht es auch um Fragen des Verbraucherschutzes, der Umweltverträglichkeit von Waren und Diensten, den Schutz von Unternehmensinvestitionen oder die Angleichung von Produktstandards. Die Länder versprechen sich davon einen noch reibungsloseren Handel und mehr Wohlstand.
Eine Steigerung zu TTIP & Co. sind feste Verbünde aus mehreren souveränen Staaten. Als Paradebeispiel gilt die Europäische Union (EU), die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine - wenn auch unvollendete - politische Union ist. Die Beziehungen der Länder sind über den EU-Vertrag geregelt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU verfügt über weitgehende Bewegungsfreiheit von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Kapital. Auch sind viele rechtliche Fragen stark angeglichen, was Kritikern mitunter zu weit geht. Großbritannien bemängelte die Vereinheitlichung schon lange, beschloss den Austritt aber vor allem wegen des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte. Wie kompliziert ein Abschied aus einem Wirtschaftsverbund ist, wird der Brexit zeigen.
Die WTO ist quasi eine Dachorganisation für den Welthandel. Ihr gehören 164 Mitgliedsländer an, darunter die Staaten der Europäischen Union, die USA und China. Die WTO als Handelsverbund zu bezeichnen, ginge viel zu weit. Vielmehr soll die Organisation die allgemeinen Regeln für den Handel überwachen und weiterentwickeln. Der Einfluss der WTO auf ihre Mitglieder ist indes begrenzt und basiert vor allem auf Kooperation. Eigene Sanktionsmittel im Falle des Regelbruchs hat die WTO im Grunde nicht.
Mit der Globalisierung galt der Protektionismus eigentlich als überwunden. Er ist das Gegenteil von Freihandel, weil dabei versucht wird, sich nach außen abzuschotten. Dazu dienen hohe Einfuhrzölle und -verbote, verbunden mit der Subventionierung eigener Exporte. Protektionismus kennt nach ökonomischer Lehre keine Gewinner, weil meist Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden. Ergebnis ist ein kleineres und teureres Güterangebot, das den Wohlstand verringert. Dennoch will US-Präsident Donald Trump der amerikanischen Industrie zu neuem Glanz verhelfen, indem er sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Kritiker wenden ein, dass nicht nur die Globalisierung, sondern auch die fortschreitende Technisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich sei.
Neue Gespräche über ein transatlantisches Freihandelsabkommen seien ohnehin erst mittelfristig zu erwarten, meinte Mattes. Die Regierung Trump sei erst seit kurzem komplett und noch dabei, sich zusammen zu finden. „Für komplexe Themen wie Freihandelsabkommen braucht es aber die volle Arbeitsstärke.“
Trotz der Unsicherheit über den Kurs von Trump halten sich aus Sicht der AmCham Germany deutsche Unternehmen kaum mit neuen Investitionen in den USA zurück. Bestenfalls bei der Umsetzung bereits beschlossener Investitionen gebe es teils Verzögerungen. „Da die Regierung Trump keinen verlässlichen Rahmen vorgibt, machen die Firmen „Business as usual““, sagte Mattes. Es sei weiter unklar, was genau Trump in der Handels-, Steuer- oder Gesundheitspolitik vorhabe.