Ukip-Parteivorsitzende „Der mieseste Job von allen“

Die Brexit-Partei Ukip scheint ihren größten Erfolg nicht gut zu verdauen. Nach gerade einmal 18 Tagen tritt die neue Parteichefin Diane James überraschend zurück – und hinterlässt Chaos.

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Die Ex-Ukip-Parteivorsitzenden: Beide wollen den Job nicht mehr. Quelle: AFP

London Es herrscht Aufregung unter den EU-Skeptikern auf der britischen Insel: Gerade einmal 18 Tage nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden hat Diane James das Handtuch geworden. Aus „persönlichen und beruflichen Gründen“ habe sie sich entschieden, ihr Amt niederzulegen, teilte die 56-Jährige dazu mit.

Bei ihrer Entscheidung soll auch eine Rolle gespielt haben, dass sie in London angespuckt wurde, berichten britische Medien. Dazu äußert sie selbst sich nicht. Vielmehr begründet James ihren Rücktritt damit, dass sie „nicht über ausreichend Autorität verfüge und auch nicht die volle Unterstützung meiner Kollegen in Partei und Parlament habe, um die Änderungen in die Wege zu leiten, die ich für notwendig erachte und die ich in meinem Wahlkampf dargelegt habe“, erklärte sie.

In aller Eile muss die Partei nun einen neuen Vorsitzenden suchen. Einige der zuvor im Rennen um die Parteispitze ausgeschiedenen Kandidaten scheinen mit dem Posten zu liebäugeln, unter anderem Steven Woolfe. Er war der eigentliche Favorit für die Nachfolge von Farage, der im Juli sein Mandat niedergelegt hatte. Doch Woolfe hatte seine Unterlagen für die Wahl im September 17 Minuten zu spät eingereicht und war deswegen nicht zur Wahl zugelassen worden.

Daraufhin war James ins Spiel gekommen und als Favoritin in die Wahl gegangen – auch wenn sie selbst in der Partei viele nicht kannten. Für Schlagzeilen in den Medien hatte sie bislang allenfalls mit ihrem Bekenntnis gesorgt, Fan von Russlands Premier Wladimir Putin zu sein, den sie als „sehr starken Führer“ bewunderte, wie sie mehrfach sagte. Und vielleicht noch, als sieden Kuss und die Glückwünsche ihres Vorgängers Nigel Farage ausweicht – Mund und Augenfest zugepresst, den Kopf nachhinten geneigt.

Auch in ihrer kurzen Amtszeit habe James keinen großen Eindruck gemacht, kritisiert Ukip-Mitglied Lisa Duffy nun, die ebenfalls für den Parteivorsitz kandidiert hatte. „Ich glaube nicht, dass sie den Job wirklich wollte“, sagte Duffy. Sie habe in den 18 Tagen an der Parteispitze keinerlei Führungsqualitäten erkennen lassen.

James hatte auch keine leichte Aufgabe übernommen. Die Partei steckt in einer Krise. Ukip ähnle einem „Puzzle, das auf dem Boden ausgeschüttet“ worden sei, sagte Vizeparteichef Paul Nuttall vor kurzem. Zum einen, weil viele Mitglieder der Partei sich untereinander streiten, nicht zuletzt, weil Ukip-Politiker Woolfe nicht zur Wahl zugelassen worden war. Zum anderen fehle der EU-skeptischen Partei ein klares Ziel, sagen Experten. Auch Nigel Farage, der Ukip 1993 mit Gleichgesinnten aus Protest gegen den Vertrag von Maastricht gegründet hatte, erklärte bei seinem Rücktritt, er habe alles erreicht, was er sich politisch vorgenommen habe. Schließlich hatten die Briten am 23. Juni bei dem Referendum über einen EU-Austritt für „Leave“ gestimmt.

Ukip müsse ihren „Sieg respektieren und gehen“, meinte dazu die britische Zeitung „The Guardian“ – und ist mit dieser Einschätzung nicht allein. James selbst hatte offenbar Zweifel, ob sie dieser Aufgabe gewachsen war. Unterlagen soll sie als „Parteichefin der Ukip VC“ unterzeichnet haben – eine Abkürzung für „Vi coactus“: unter Zwang und somit ohne rechtliche Verantwortung. Auch die nach der Wahl notwendigen Dokumente zum Vollzug des Wahlergebnisses habe sie nicht unterschrieben, erklärte sie in ihrem Rücktrittsstatement. Somit ist Farage de facto noch Vorsitzender der Partei.

Der von vielen Ukip-Anhängern geschätzte Politiker will aber nicht mehr. „Nicht für zehn Millionen Dollar“ werde er den Parteivorsitz wieder übernehmen, erklärte Farage britischen Medien. „Vorsitzender einer politischen Partei zu sein ist ein ziemlich mieser Job, aber Parteichef von Ukip zu sein ist vermutlich der mieseste Job von allen“.

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