In Baumholder ist Barack Obama in Ungnade gefallen. Sollte der US-Präsident jemals in die rheinland-pfälzische Kleinstadt kommen, sollte sein letzter Friseur-Besuch besser nicht all zu lange her sein. „Ich würde ihn sehr gerne bedienen und ihm die Haare schneiden – aber er müsste sich auf eine lebhafte Diskussion einlassen“, sagt Ulrich Jung und lacht. In seinem Friseurladen an der Kennedyallee sind rund 40 Prozent der Kunden US-Amerikaner. Der Inhaber fürchtet nun, dass sein Geschäft einbrechen könnte. Der Grund: Die USA wollen einen Teil ihrer Truppen aus Europa abziehen. Zwei schwere Panzerbrigaden sollen verlegt werden. Es verdichten sich die Anzeichen, dass die Stützpunkte in Baumholder und im bayerischen Grafenwöhr betroffen sind.
12.000 Amerikaner leben in der 16.000-Einwohner-Stadt Baumholder, knapp 600 zivile angestellte Deutsche arbeiten bei der US-Army. Ihr Schicksal hängt an dem Fortbestand des US-Truppenstützpunktes in der heutigen Größe – ebenso wie das der Hoteliers und Restaurant-Besitzer, der Friseure und Floristen. Und so blicken die Baumholder genau auf den US-Wahlkampf, der mit dem Super Tuesday am 6. März seinen ersten Höhenpunkt gefunden hat, in der Hoffnung, die Abzugspläne der US-Truppen könnten noch einmal revidiert werden. „Der Army-Stützpunkt wird von allen Menschen vor Ort geliebt, egal ob Deutsche oder Amerikaner“, sagt Jung. „Es ist ein Riesengeschenk, dass die USA hier sind. Hoffentlich bleibt das so.“
Deutsche Unternehmer zieht es trotz Krise in die USA
Auch Peter Lang hat die Hoffnung auf einen Fortbestand des Truppenstützpunktes noch nicht aufgeben. Der Stadtbürgermeister bedauert, „dass es sich abzeichnet, dass der Standort Baumholder verkleinert wird“ – stellt aber vielsagend fest: „Es gibt immer die Möglichkeit, dass ein Regierungswechsel auch einen Richtungswandel einschließt.“
152 Kilometer südwestlich, in Karlsruhe, sitzt die Kutterer Mauer AG. Das mittelständische Unternehmen stellt Kunststoffteile für die Verpackungsindustrie her, insbesondere für Kosmetik- und Pharmaprodukte. L’Oréal, Procter & Gamble und Albea gehören zu den Kunden. 320 Mitarbeiter hat das Unternehmen an den Produktionsstandorten in Karlsruhe, Ubstadt-Weiher und im thüringischen Dreigleichen – sowie 30 in den USA. „Wir produzieren seit 2007 auch in Cincinnati, Ohio, weil wir so näher an unseren Kunden sind“, sagt Geschäftsführerin Susanne Kutterer-Schacht.
"Jeder jammert über die Regierung Obama"
Mitte Februar war die Deutsche zuletzt zu Geschäftsterminen in den Vereinigten Staaten. In den Gesprächen mit den amerikanischen Kunden und Lieferanten gebe es aktuell nur ein beherrschendes Thema: die US-Wahlen. „Jeder mit dem ich gesprochen habe, jammert über die Regierung Obama“, sagt Kutterer-Schacht. Zwar gebe es in der Industrie einen verhaltenen Optimismus was die eigene Zukunft angeht – „aber die US-Wirtschaft zieht allgemein nur langsam an“.
Über 3400 deutsche Unternehmen sind in den USA aktiv. Darunter die Großen wie Siemens, Daimler und Bayer. Das Gros aber sind kleine und mittelständische Unternehmen, die jenseits des Atlantiks investieren. 567.000 Mitarbeiter beschäftigten die Deutschen in den Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr. Es könnten noch mehr sein, doch die Suche nach qualifizierten Arbeitnehmern ist schwierig.
Berlin will keine neue Baustelle
„Die berufliche Ausbildung wird in den USA völlig vernachlässigt“, sagt Kutterer-Schacht. „Wir müssen viel Zeit investieren, um neue Mitarbeiter anzulernen.“ Vom alten oder neuen US-Präsidenten erwartet die Unternehmerin Impulse in der Bildungspolitik.
Welcher US-Präsidenten würde am besten deutsche Interessen vertreten? Das politische Berlin hat da seine ganz eigene Meinung. Zwar hat US-Präsident Barack Obama nie die Begeisterung für Angela Merkel gezeigt wie Vorgänger George W. Bush. Doch die beiden Staatsmänner wissen, was sie voneinander haben. Merkel sei "methodisch, rational und pragmatisch", berichteten US-Diplomanten in geheimen Depeschen, die Wikileaks im November 2011 veröffentlichte.
Dass man sie gleichzeitig als "Teflon-Merkel" bezeichnete, ist eine nette Anekdote - aber kein Beweis für eine schwierige Zusammenarbeit. Angela Merkel hat zudem kein Interesse an einer Kursänderung in Washington. Sie setzt auf Kontinuität und Berechenbarkeit, schließlich hat sie schon in Deutschland in der FDP und in Europa mit den Schuldenländern genügend Baustellen. Dass sich die USA in der Schuldenkrise für eine Erhöhung des Rettungsschirmes und Geldspritzen für die Konjunktur forderten, stieß bei Merkel hingegen auf wenig Gegenliebe. Etwas mehr Bescheidenheit wünscht sich Berlin - eine enge Wiederwahl könnte diesen Impuls auslösen.
Kalte Enteignung der Sparer
Josef Braml bremst all diese Euphorie. Er hält die US-Wahlen für überbewertet. „Es ist mittlerweile egal, wer US-Präsident ist oder wird. Entscheidender ist die wirtschaftliche und soziale Lage in den USA. Und die ist derart schlecht, dass jeder US-Präsident – ob Demokrat oder Republikaner – kaum Handlungsspielräume hat“, sagt der USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Die Infrastruktur sei größtenteils marode, der Industriesektor sei über Jahrzehnte vernachlässigt worden – und der ernorm hohe Schuldenberg verlange unpopuläre Maßnahmen. „Die Schulden sind nur durch eine höhere Inflation abzubauen, was eine kalte Enteignung der Sparer bedeutet“, erklärt Braml.
Demokraten beflügelten den Dow Jones
Ein Ausweg ist die Investition in Aktien. Denn Aktien bieten als (Fast-)Sachwerte einen guten Schutz. Über den Kauf von US-Aktien sollten sich nicht nur Amerikaner Gedanken machen, auch deutsche Anleger könnten Kursgewinne abgreifen. Die Analysten von Morgan Stanley haben zum Jahresbeginn ihre Top-Favoriten für die kommenden Jahre gekürt. Darunter sind die Aktien viele US-Konzerne, etwa von Amazon, Oracle oder Union Pacific.
US-Präsident Barack Obama erwies sich bislang als ein Regierungschef, der die Börsen erfreute. Während der Amtszeit des Demokraten stieg der Dow Jones-Index von 9000 auf heute knapp 13.000 Punkte. Larry Summers, Obamas wirtschaftlicher Berater und Finanzminister unter Bill Clinton, hat die Wachstumszahlen unter den vorherigen Präsidenten verglichen und festgestellt, dass unter demokratischen Präsidenten mit durchschnittlich 4,4 Prozent das Wachstum in den USA deutlich besser ausfiel, als unter republikanischen US-Präsidenten, die dem Land im Durchschnitt ein Wachstum von 2,4 Prozent bescherten.