USA Das geheimnisvolle Imperium der Mormonen

Sie verwalten Milliarden, feiern Totentaufen und haben die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2002 gesichert. Nun wollen sie Mitt Romney zum US-Präsidenten machen. Wie ticken die Mormonen?

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Die berühmtesten Mormonen
Mitt RomneyAls Präsidentschaftskandidat der Republikaner ist er aktuell in aller Munde. Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts mischte bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2008 als aussichtsreicher Kandidat mit. Er gilt als gemäßigter Republikaner, hat allerdings seine Meinung zu bestimmten Themen in der Vergangenheit geändert. So spricht er sich heute beispielweise gegen Abtreibung aus. Im Vorwahlkampf in Iowa erklärte Romney, die USA müssten wieder zu einem Jerusalem der Welt werden, gleich einem leuchtenden Zionsberg. Quelle: Reuters
Stephenie Meyer Quelle: dpa
Jon Huntsman jr.Im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf war er als Kandidat der Republikaner nominiert. Der Sohn eines Öl-Milliardärs aus Salt Lake City hat eine steile Karriere hinter sich. Von 2005 bis 2009 war Jon Huntsman jr. Gouverneur des US-Bundesstaats Utah, bis 2011 US-Botschafter in China. Asienkenntnisse hatte er schon von früher. In Taiwan war er zwei Jahre als Missionar unterwegs. Sein Großvater mütterlicherseits, David B. Haight wird von den Mormonen als Apostel verehrt. Quelle: Reuters
Brandon FlowersDer Sänger und Frontmann der Indie-Rock-Band „The Killers“ wurde in der Nähe von Las Vegas geboren. Als Flowers ein kleiner Junge war, trat sein Vater der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ bei. Die Familie zog in das Mormonen-Dorf Nephi in Utah um. Flowers brach das College ab und gründete seine Band, mit der er ab 2003 nach Veröffentlichung des ersten Albums großen Erfolg hatte. Im Januar 2010 gaben „The Killers“ bekannt, einige Zeit pausieren zu wollen. Im September 2010 veröffentlichte Flowers ein Soloalbum. Quelle: Presse
John Williard "Bill" Marriott jr.Bill Marriott ist Chef der amerikanischen Hotelkette “Marriott International“. Die aus Utah stammenden Marriotts gehören zu den bekanntesten Mormonen-Familien weltweit – und aufmerksame Hotelgäste bemerken das. Im Nachttisch jedes Hotelzimmers finden sie neben der Bibel auch das Buch Mormon. Und das erklärt möglicherweise auch, dass „Marriott International“ 2006 als eine der ersten Hotelketten ein generelles Rauchverbot einführte. Streng gläubige Mormonen sind jeder Art von Genussgiften abhold. Quelle: Presse
Shawn BradleyDer ehemalige Basketballspieler mit deutscher Staatsangehörigkeit spielte in der NBA zusammen mit Dirk Nowitzki für die Dallas Mavericks. Geboren wurde er im pfälzischen Landstuhl wo sein Vater als US-Soldat stationiert war.  Der 2,29-Riese ist tief religiöser Mormone. Mit 19 Jahren ging er als Missionar nach Australien. Seine Basketball-Karriere beendete er 2005 aufgrund gesundheitlicher Probleme. Heute leitet Bradley eine Hühnerfarm in Utah. Der Vater von sechs Kindern fällt immer wieder durch großzügige Spenden für wohltätige Zwecke auf. Quelle: dapd
Steve YoungSteve Young ist einer der legendären American-Football-Spieler. Als Quarterback bei den „San Francisco 94ers“  brachte er es zu großem Ruhm in der National Football League (NFL). Seine Karriere begann in der College-Football-Mannschaft der „Brigham Young University“ in Utah, die nach seinem Alturgroßvater Brigham Young, dem zweiten Präsidenten und Propheten der Mormonen und erstem Gouverneur des Utah-Territoriums. Bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2002 in Salt Lake City trug Steve Young das britische Länderschild in die Arena.

Er konsumiert keinen Tabak und keinen Alkohol, trinkt keinen Kaffee und keinen Tee. Er ist in erster Ehe verheiratet, hat fünf Söhne und sechzehn Enkelkinder. Mitt Romney könnte der ideale Präsidentschaftskandidat der Republikaner sein, respektiert und geachtet von den Traditionalisten und Evangelikalen – wäre da nicht sein Glaube. Mitt Romney ist Mormone und für viele Erz-Konservative damit ein rotes Tuch.

Bei den Vorwahlen im konservativen South Carolina hatte Romney keine Chance, der deutliche Erfolg bei der Vorwahl am Samstag im mormonisch geprägten Nevada – Romney holte über 40 Prozent der Stimmen – wird die Akzeptanzprobleme des Kandidaten bei den Evangelikalen im Süden möglicherweise noch weiter verstärken.

Amerika, das auserwählte Land

„Die Mormonen haben eine Entstehungsgeschichte, die sich in wesentlichen Punkten von der christlichen Lehre unterscheidet. Zudem zelebrieren sie eine Totentaufe und halten geheime Tempelrituale ab“, erklärt Michael Utsch, Lehrbeauftragter an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und wissenschaftlicher Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. „Dass sie damit auf heftige Ablehnung bei den traditionellen Christen stoßen, ist verständlich. Auch ich finde: Die mormonische Lehre ist mit christlicher Theologie nicht vereinbar.“

Grundlage der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, wie die größte mormonische Gemeinschaft heißt, ist das Buch Mormon, das der damals 24-jährige Joseph Smith 1830 veröffentlichte. Darin heißt es, dass Jesus Christus nach seiner Auferstehung nach Amerika gekommen sei und dort gelehrt und eine Kirche gegründet habe. Amerika wird folglich als auserwähltes Land und Ort göttlichen Handels gesehen.

Heute gehören dem Mormonentum mindestens 13 Millionen Menschen an, knapp die Hälfte davon lebt in den USA. Die Glaubensgemeinschaft hat sich seit ihrer Entstehung zu einem Milliarden-Imperium entwickelt.

Spenden in Milliarden-Höhe

Haupteinnahmequelle der mormonischen Glaubensgemeinschaft, der knapp 65 Prozent der Bürger des US-Bundesstaates Utah angehören und die darüber hinaus viele Mitglieder in Nevada, Arizona und Missouri hat, sind Spenden der Mitglieder.

Mindestens zehn Prozent ihres Einkommens müssen die Glaubensangehörigen an ihre Kirche abliefern. Das spült jährlich mehr als sechs Milliarden US-Dollar in die Kassen.

Vermögen von über 30 Milliarden US-Dollar

Im konservativen South Carolina hatte Romney bei den Vorwahlen keine Chance. Im mormonisch geprägten Nevada sah das ganz anders aus. Quelle: REUTERS

Den Mormonen kommt dabei ihre Wertschätzung der Bildung zugute. Die Erziehung und frühkindliche Förderung hat einen großen Stellenwert in der Gemeinde. Die Folge: Nicht wenige Glaubensbrüder und -schwestern machen Karriere und bringen ein hohes Einkommen nach Hause. In der Regel fließen davon deutlich mehr als nur zehn Prozent an die Tempelgemeinde. Denn weitere Spenden sind dort gerne gesehen – und aus Luxus machen sich die wenigsten Mitglieder etwas.

„Die Mormonen lernen früh, dass das Anschaffen von Vermögen kein Lebensziel ist“, sagt Utsch. „Konsumgüter und Statussymbole werden ebenfalls vernachlässigt.“ Wohin also mit dem hart verdienten Geld? Es geht an die Gemeinde.

Radiostationen, Rinderfarmen und ein Versicherungskonzern

Das „Time Magazine“ rechnete schon 1997 vor, dass die Mormonen über ein Vermögen von über 30 Milliarden US-Dollar verfügen – mit stetig steigender Tendenz. Allein die Grundstücke und Tempel der Mormonen in den USA haben einen Wert von zwölf Milliarden US-Dollar, die in der restlichen Welt von fünf Milliarden.

Doch damit nicht genug: Der Glaubensgemeinschaft gehören nicht nur Tempel und Grundstücke, sondern auch rein Profit orientierte Unternehmen, etwa ein Versicherungskonzern, Radiostationen und Rinderfarmen.

Was die Kirchen leisten
Was die Kirchen leistenEin junges katholisches Paar (beide 35 Jahre) zahlt Kirchensteuer. Sie planen ihre Hochzeit. In drei Jahren wollen sie ihr erstes Kind bekommen, zwei Jahre später das zweite. Der Mann verdient 45.000 Euro, die Frau 40.000 Euro. Ihr Gehalt steigt um zwei Prozent pro Jahr. Insgesamt zahlen sie bis an ihr Lebensende 70 861 Euro Kirchensteuer. Die Rechnung geht davon aus, dass die aktuellen Steuerregeln dauerhaft gelten und im Ruhestand keine Kirchensteuer anfällt.Gesamtkosten Steuer:70 861 Euro Quelle: AP
Als erstes planen die beiden ihre Hochzeit. Sie führen ein mehrstündiges Gespräch mit dem Pfarrer, der bei der Trauung eine persönliche Predigt hält. Der Organist spielt ihre Musik. Nach einer Umfrage der WirtschaftsWoche unter fünf freien Theologen und Festrednern aus dem ganzen Bundesgebiet hätten diese für eine alternative Hochzeit inklusive Vorbereitung im Durchschnitt 730  Euro berechnet. Mit der Miete von Kirche oder Saal und Musik hätte das Paar für die alternative Feier 1000 Euro gezahlt. Ihr Glück: Der Treueschwur hält. Die Hochzeitskosten wären also nur einmal im Leben angefallen.Leistung: 1000 Euro Quelle: dpa
Wenige Jahre später lassen die beiden ihre Kinder taufen. Auch die Taufe findet in der Ortskirche statt. Für alternative Willkommensfeiern hätten die freien Theologen und Festredner durchschnittlich 368 Euro genommen. Findet die Feier zum Beispiel im Garten statt und wird nur ein Musiker engagiert, müssten sie für eine solche Feier 500 Euro einplanen. Bei zwei Kindern sind die Taufen also 1000 Euro wert.Leistung: 1000 Euro Quelle: dapd
An Weihnachten lieben die Kinder das Krippenspiel. Zwar fragt der Pfarrer nicht nach der Mitgliedschaft, aber für die Familie ist das Ehrensache. Würden sie stattdessen in die Oper gehen, zum Beispiel in Hänsel und Gretel, würde das die Familie jedes Jahr 50 Euro kosten. In den ersten zehn Jahren mit kleinen Kindern sparen sie also 500 Euro. Leistung: 500 Euro Quelle: dpa
Dank des kurzen Drahts zum Pfarrer bekommt das Paar für die Kinder einen Platz im kirchlichen Kindergarten. Die Gebühren gleichen aber denen eines städtischen Kindergartens, das Paar hat einen Vorteil, spart aber kein Geld.Leistung: 0 Euro Quelle: dpa
Später schicken die Eltern ihre Kinder auf ein kirchliches Gymnasium, der Schulplatz ist ihnen sicher. Eine freie Privatschule würde 400 Euro im Monat kosten, bei der kirchlichen fallen nur 80 Euro an. Zwar können Eltern die Kosten zu 30 Prozent von der Steuer absetzen. Bei zwei Kindern und acht Jahren Schulzeit sparen sie netto trotzdem rund 56.947 Euro.Leistung: 56.947 Euro Quelle: dapd
Die Kinder entscheiden sich für eine Firmung oder Konfirmation. Als Fest der persönlichen Reife entscheiden sich viele nicht gläubige Jugendliche für ein alternatives Ritual. Vor allem in Ostdeutschland ist die Jugendweihe bekannt. Pro Kind fallen dafür etwa 100 Euro an, bei zwei Kindern also 200 Euro.Leistung: 200 Euro Quelle: dpa

Mormonen besitzen die größte Rinderfarm der USA

So befinden sich etwa die „Deseret Ranches“ in dem Besitz der Glaubensgemeinschaft, ein Zusammenschluss von 90 Viehzüchtern. Auf einer Fläche von 1.200 Quadratkilometer im Osten von Orlando, Florida, werden Rinder und Kälber gehalten. Jährlich werden bis zu 7.300 Tonnen Fleisch produziert und so mehr als 15 Millionen US-Dollar eingenommen. Das Grundstück alleine ist knapp eine Milliarde US-Dollar wert.

Geheimnissvolle Tempel-Rituale

Was hinter den Fassaden der mormonischen Tempel passiert, wissen nur die Wenigsten. Quelle: dapd

Der Versicherungskonzern „Beneficial Financial Group“, mit Sitz in Utahs Hauptstadt Salt Lake City, erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2009 satte 45 Millionen US-Dollar. Ihr Besitzer: die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“.

Außerdem in deren Besitz befindet sich der größte Nuss-Produzent der USA, AgReserves Inc., sowie die Rundfunkgesellschaft „Bonneville International Corporation“.

Handfeste gesellschaftliche Vorteile

„Gerade in Salt Lake City haben die Mormonen durch ihre Beteiligungen ein starkes soziales Netz aufgebaut“, sagt Michael Utsch. „Die Glaubensbrüder helfen sich dort. Sei es bei der Suche nach einem Kindergartenplatz oder bei der Jobsuche.“ Die Zugehörigkeit zum Mormonentum hat im tiefen Westen der USA damit oftmals handfeste gesellschaftliche und ökonomische Vorteile.

Die Kehrseite der Medaille: Andersgläubige werden ausgegrenzt. „Mormonen sind meist sehr höfliche und freundliche Menschen“, sagt Utsch aus eigener Erfahrung. „Aber sie gewähren Außenstehende kaum Einblick in ihr Leben und ihre Religiösität.“

So sind die mormonischen Tempel, die heiligen Städte ihrer Mitglieder, nur für diese zugänglich. Selbst nichtmormonische Gäste, die an einer Hochzeitsfeier teilnehmen, werden nur in einem Vorraum des Tempels gelassen. 134 mormonische Gotteshäuser gibt es weltweit. Zwei von ihnen stehen in Deutschland, im sächsischen Freiberg sowie im hessischen Friedrichsdorf. Die Tempel sind traditionell aufwändig konstruiert und werden sorgfältig gepflegt. An jedem Tempel steht in der Landessprache „Heilig dem Herrn“ und „Das Haus des Herrn“.

Wichtigste Kulthandlung ist das geheimnisvolle Einführungs- beziehungsweise Initiationsritual. Sie unterliegen strengster Geheimhaltung, sind aber durch ehemalige Teilnehmer des Rituals an die Öffentlichkeit gelangt.

Heilige Zeichen und Handgriffe

„Sie beginnt mit Waschungen sowie dem Empfang eines neuen Namens“, berichtet Utsch. „Im Verlauf des dramatisch inszenierten Rollenspiels, in dem das mormonische Verständnis von Schöpfung, Fall und dem Heilsplan Gottes dargestellt sind, werden heilige Zeichen und Handgriffe mitgeteilt, um sich im jenseitigen Reich den wachenden Engeln gegenüber erkennbar machen zu können.“

Ein weiteres besonderes Ritual ist die Totentaufe. Weil nicht alle Menschen zu ihrer Lebzeit mormonische Segnungen empfangen konnten, können solche nachgeholt werden, wenn die genauen Daten vorliegen. Dies ist auch der Grund für die berühmte Ahnenforschung der Mormonen, die sie mit außerordentlichem Aufwand betreiben.

Totentaufe und Ahnenforschung

Millionen von der Wall Street
Die größten Spender von Mitt RomneyNoch liegt Mitt Romney deutlich hinter US-Präsident Barack Obama. Sowohl in der Wählergunst, als auch beim Spendensammeln. Der Amtsinhaber hat bislang Spenden in Höhe von über 86 Millionen US-Dollar eingesammelt. Sein ärgster Herausforderer kommt auf gut 32,2 Millionen US-Dollar. Ein Großteil der Geldgeber des US-Republikaners und ehemaligen Gouverneurs des Bundesstaates Massachusetts, Mitt Romney, stammt von der Wall Street. Größter Sponsor…Quelle: FEC Quelle: dpa
… sind die Angestellten und Mitglieder der Geschäftsführung der New Yorker Investmentbank Goldman Sachs. Von den Beschäftigten des Finanzdienstleisters gingen 354.700 US-Dollar auf das Konto von Romney und dessen Unterstützergruppen ein, listet die „Federal Election Commission“, die Kontrollbehörde für Präsidentenwahlen in den USA auf. Hintergrund: Jede Einzelperson, die mehr als 200 US-Dollar an einen Politiker überweist, muss neben Namen und Wohnort auch ihren Arbeitgeber angeben. Quelle: dapd
Auch den Angestellten der Credit Suisse ist Romney offenbar näher als US-Präsident Barack Obama. Über 250.000 US-Dollar haben Angestellte des US-Ablegers der Schweizer Bank für den US-Vorwahlkampf bereits locker gemacht, 86 Prozent des Geldes floss an die Republikaner. Insgesamt gingen bereits 195.250 US-Dollar an Romney. Grund für den starken Zuspruch der Wall Street: Romney hat einen Master of Business Administration und arbeitete unter anderem für die Unternehmensberatung Bain & Company in Boston. Später war der heute 64-Jährige Gründungspartner der 1984 gegründeten Private-Equity-Gesellschaft Bain Capital. Quelle: rtr
Ähnlich deutlich ist das Votum bei der Geschäftsführung und der Belegschaft der US-Bank Morgan Stanley. Von den über 400.00 US-Dollar Spendengeldern gingen 82 Prozent an die Republikaner. Der größten Teil des Kuchens ging an Romney bzw. an seine Unterstützergruppen. 185.800 US-Dollar spendeten die Banken, um Werbespots, Wahlkampfauftritte und Berater mitzufinanzieren. Quelle: AP Photo
Einzelpersonen dürfen in den USA nicht mehr als 5000 US-Dollar spenden. Jedenfalls nicht direkt an den Kandidaten. An ihrer Stelle springen die so genannten „PACs“ ein, „Political Action Committees“. Diese Lobbygruppen unterstützen Präsidentschaftskandidaten – am liebsten, in denen sie die politischen Gegner in TV-Spots denunzieren. US-Bürger dürfen grenzenlos an diese „PACs“ spenden. Ein besonders großzügiger Gönner ist Hedgefonds-Ikone John Paulson. Der Gründer und Präsident der Investmentgesellschaft „Paulson & Co.“  wurde berühmt, da er während der US-Immobilienkrise rechtzeitig gegen den Häusermarkt gewettet hatte und damit 2007 rund 3,7 Milliarden Dollar verdiente, mehr als jeder andere Hedge-Fonds Manager in dem Krisenjahr. Paulson hat eine Million US-Dollar an die Romney-nahe Gruppierung „Restore Our Future“ gespendet. Quelle: dpa.
Auch der Selfmade-Milliardär und Besitzer des US-Football-Teams Washington Redskins, Daniel Snyder, soll Mitt Romney laut "Washington Post" großzügig unterstützen. Quelle: rtr.
Die Beteiligungsgesellschaft H.I.G. Capital hat Niederlassungen in Miami, Atlanta, Boston, New York und San Francisco, sowie in London, Paris und Hamburg – und verwaltet mehr als 8,5 Milliarden US-Dollar. Im US-Vorwahlkampf haben deren Beschäftigte Mitt Romney bisher mit 186.500 US-Dollar unterstützt. Quelle: rtr.

„Die Totentaufe mit Untertauchen in einem großen, von 12 Bronze-Ochsen getragenen Taufbecken wird stellvertretend von einem Gemeindemitglied vollzogen. Mormonen gehen davon aus, dass auch im Totenreich die Möglichkeit einer freien Willensentscheidung für oder gegen den Glauben besteht“, so Utsch.

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney ist bereits seit seiner Kindheit Mormone und stellte sich jahrelang in den Dienst der Glaubensgemeinschaft. So ging er etwa als junger Erwachsener für zwei Jahre als Missionar nach Frankreich.

"Ein Haus von reichen Leuten für reiche Leute"

Nach einem Aufenthalt in Bordeaux kam Romney im Frühjahr 1968 nach Paris. Zehn Stunden am Tag arbeitete der spätere Gouverneur von Massachusetts für die Mormonen. Er bekam 125 US-Dollar pro Monat – heute läge ein vergleichbarer Betrag bei rund 800 US-Dollar – sowie freie Verpflegung und Unterkunft in einem Haus der Glaubensgemeinschaft.

„Wir haben uns mit Schläuchen abgeduscht und keine richtigen Toiletten gehabt“, behauptet Romney heute. Eine glatte Lüge, sagt Richard Anderson, der Sohn des damaligen Missionars-Leiters gegenüber dem britischen „Telegraph“. „Es war ein Haus von reichen Leuten für reiche Leute.“ Es habe Toiletten und Duschen gegeben, Gemälde an den Wänden und gar zwei Haushälter.

Romney spendete zwei Millionen jährlich

Auf Rückfragen, so die Zeitung, habe Romneys Wahlkampf-Team nicht reagiert. Die Strategie ist klar: Romney möchte seinen Glauben aus dem Wahlkampf halten. Doch die Religionszugehörigkeit gehört zur Identität des Kandidaten – insbesondere bei Mitt Romney, der den Mormonen viel gegeben, aber auch viel zurückbekommen hat.

So spendete Romney über die Jahre zig Millionen an die Glaubensbrüder. Alleine 2010 und 2011 überwiesen der Präsidentschaftskandidat und seine Frau den Mormonen gemeinsam jährlich zwei Millionen US-Dollar.

1999 begann das Geld in die andere Richtung zu fließen. Romney übernahm das Organisationskomitee für die Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City. Zu dem Zeitpunkt war das Gremium mit über 300 Millionen US-Dollar verschuldet, die USA drohten die Ausrichtung der Spiele abgeben zu müssen. Romney übernahm das Kommando, krempelte Strukturen um und ging auf Spendentour.

Mormonen retten die Spiele von Salt Lake City

Geschickter Schachzug: Bei den Vorwahlen fährt Mitt Romney in Sachen Glaube eine defensive Strategie - Die Stimmen seiner Glaubensbrüder hat er sowieso sicher Quelle: REUTERS

Romney sprach persönlich bei Firmenbossen vor, schuf neue Exklusiv-Werbekategorien und schraubte die Werbeeinnahmen von 500 auf 860 Millionen US-Dollar hoch. Der Republikaner baute dabei auf seine engen Kontakten in die Finanzwelt, die er während seiner Zeit als Geschäftsführer des Finanzinvestors Bain Capital aufbaute – aber auch auf die mormonische Gemeinde.

Romney sammelte im Bundesstaat Utah 100 Millionen US-Dollar von lokalen Unternehmern ein; Sponsoren, die sich nie zuvor bei Sportgroßereignissen engagierten. Große Beträge steuerten darüber hinaus die Hotelkette Marriott International – dessen Gründer John Williard Marriott Mormone ist – sowie der mormonische Industrielle Jon Huntsman senior bei.

Erst Macher, dann Verlierer

Die Winterspiele wurden zum Erfolg, Romney wurde von IOC-Präsident Jacques Rogge und US-Präsident George W. Bush geadelt. Die amerikanischen Medien feierten Romney als „Macher“.

Dennoch unterlag der Mormone sechs Jahre später im Kampf um die Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftsbewerber gegen John McCain deutlich. Zu groß waren die Vorbehalte der gläubigen Südstaatler gegenüber Romney, zu sehr attackierten ihn seine parteiinternen Gegner ob seines Glaubens.

In diesem Jahr soll alles anders werden. Romney fährt daher eine defensive Strategie: Gebetsmühlenartig wiederholt er, dass er „treu zu seinem Glauben stehe“. Eine öffentliche Diskussion über die mormonische Theologie lehnt er aber ab.

80,5 Prozent der Spenden an Republikaner

Die Mormonen danken ihm seine Verschwiegenheit. Bis zum Jahresende 2011 gingen 80,5 Prozent der Spenden aus Utah auf das Konto der Republikaner, nur 19,5 Prozent der Summe entfielen auf Barack Obama.

Mitt Romney konnte sich bislang bereits auf Wahlkampf-Hilfen in Höhe von drei Millionen US-Dollar freuen. Hinzu kommen weitere Millionen an die Romney-nahe Super-PAC „Restore Our Future“. So spendete beispielsweise „Nu Skin Enterprises“, eine mormonisches Unternehmen, das Hautpflegeprodukte vertreibt, eine Million US-Dollar an die Lobbygruppe des Republikaners.

„Die finanziellen Mittel für einen langen Wahlkampf wird Mitt Romney aus seinem Privatvermögen und mit Hilfe der Glaubensbrüder haben“, sagt der Lehrbeauftragte an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Michael Utsch. „Trotz aller Unterstützung der Mormonen könnte Mitt Romney sein Glauben mehr schaden als nutzen.“

Ein Mormone im Weißen Haus?

Gefährlicher Rivale - Sollte Romney die Vorwahl gewinnen, würden sich laut einer Umfrage 89 Prozent der Republikaner gegen Obama entscheiden Quelle: dpa

Das zeigt auch eine Umfrage zum Jahresende 2011 im Auftrag des Pew Research Centers. Zwar lag Romney in der Wählergunst der Republikaner vor allen anderen konservativen Präsidentschaftsbewerbern. Doch die Zweifel an ihm waren insbesondere unter den streng gläubigen Südstaatlern hoch. Knapp zwei Drittel unter ihnen sagten, für sie seien Mormonen keine Christen, nur 13 Prozent sprachen sich für Romney als Präsidentschaftskandidat aus.

Sollte er aber die Vorwahlen gewinnen, kann er auf die Stimmen der Erz-Konservativen hoffen. Denn vor die Wahl gestellt, Obama oder Romney wählen zu müssen, entschieden sich in der Umfrage 89 Prozent der Befragten für den Republikaner.

So ist es nicht undenkbar, dass im November der erste Mormone ins Oval Office einzieht. Der Einflussbereich der milliardenschweren und mächtigen Glaubensgemeinschaft wäre dann auf dem Höhepunkt angelangt.

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