Vor Präsidentschaftswahlen Argentinische Bauern befürchten Schritt rückwärts in der Agrarpolitik

Die unter Druck stehenden Landwirte in Argentinien sehen der Präsidentschaftswahl mit Sorge entgegen. Sie haben Angst davor, dass ihnen neue Steuern drohen könnten.

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Die Landwirte befürchten hohe Steuern, sollten Cristina Fernández, die frührere Präsidentin Argentiniens und Alberto Fernández die Präsidentschaftswahlen in Argentinien gewinnen. Quelle: AP

Juan Rossi geht durch die grünen Weizenfelder seiner Farm und sorgt sich um seine Zukunft. Als er den Weizen anpflanzte, ging der argentinische Bauer noch von einer Wiederwahl des konservativen Präsidenten Mauricio Macri aus. Doch nun bereiten Rossi und seine Kollegen sich auf eine mögliche Rückkehr der interventionistischen Politik von Macris größten Rivalen vor. Denn in Umfragen liegen plötzlich der Bewerber Alberto Fernández und seine Vizepräsidentschaftskandidatin vorn, die frühere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die von 2007 bis 2015 regierte.

Die Landwirtschaft ist der wichtigste wirtschaftliche Motor und eine der größten Devisenquellen Argentiniens. Die Bauern des Landes gehören zu den größten Getreide- und Sojaproduzenten der Welt. Die linksgerichtete Regierung von Cristina Fernández hatte mit strikten Exportbeschränkungen im Jahr 2008 einen Bauernaufstand ausgelöst. Nun kandidiert die Expräsidentin bei der Wahl am 27. Oktober an der Seite ihres ehemaligen Beraters für die Vizepräsidentschaft.

Die Landwirte befürchten die Rückkehr hoher Exportsteuern – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Landwirtschaft noch von einer der schwersten Dürren seit Jahren erholt. Diese hatte vor zwei Jahren zu hohen Ernteausfällen geführt.

„Wir sind unsicher, ob sie uns erlauben werden, so weiterzumachen wie bisher oder ob sie uns einen Knüppel zwischen die Beine werfen“, sagt Rossi auf seiner Farm außerhalb der Stadt Pergamino. Er baut dort auch Mais an und hält Hühner und Pfauen. Die Region gehört zu den ertragreichsten des Landes. „Wir befinden uns mitten im Nebel, und niemand weiß, was passieren wird.“

Rossi gehörte zu einer Gruppe argentinischer Bauern, die den unternehmerfreundlichen Macri in ihrer Stadt im Jahr 2015 bejubelt hatten. Der damals frisch gebackene Präsident kündigte bei dem Besuch in der Ökoregion Pampa an, zur Ankurbelung der Wirtschaft die Steuern auf den Export von Mais und Weizen abzuschaffen. Die folgenden Jahre waren für die Bauern jedoch ein ständiges Auf und Ab.

Bauern fürchten Restriktionen wie 2008

In diesem Jahr ließ gutes Wetter sie zunächst auf eine pralle Ernte hoffen, wie Rossi erklärt. Doch dann schnitt Macri bei Vorwahlen überraschend schlechter ab als der peronistische Linke Alberto Fernández. Die Börse brach ein, und der Peso verlor noch weiter an Wert in dem ohnehin rezessionsgeplagten Land, das mit rapide steigenden Preisen und einer wachsenden Armut zu kämpfen hat. Die Bauern traf es doppelt schwer, denn zugleich verschlechterte sich auch die Wetterprognose und die Preise auf den internationalen Märkten fielen.

Die Bauern fürchten neue Restriktionen wie die von 2008. Damals hatten sie Lieferungen von Gütern in argentinische Städte blockiert, was zu einer drastischen Knappheit an Fleisch und anderen Produkten führte. Festgesetzte Waren vergammelten, während in vielen Regionen die Supermarktregale leer blieben.

Der dreiwöchige Streik aus Protest gegen Exportsteuern wurde zur größten Krise für die Präsidentschaft von Cristina Fernández. Nach ihrer Darstellung sollten die Steuern dazu dienen, den Reichtum aus der Landwirtschaft an die vielen Armen im Land umzuverteilen.

Präsidentschaftskandidat Alberto Fernández, mit dem die Expräsidentin nicht verwandt ist, bemühte sich bei Treffen mit Bauernvertretern, deren Sorgen zu zerstreuen. Er sprach anschließend vom „Beginn einer guten, fruchtbaren Verbindung“.

Viele Argentinier sind zunehmend frustriert über die stotternde Wirtschaft, die wachsende Armut und über staatliche Sparmaßnahmen. Nach Ansicht einiger Analysten hat die Macri-Regierung sich zu optimistische Ziele gesetzt, und einige Investoren zweifeln inzwischen an der Absicht des Präsidenten, den Preisanstieg wirklich eindämmen zu wollen. Wegen der hohen Verluste des Peso musste die Regierung im vergangenen Jahr einen milliardenschweren Rettungsplan des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen.

Präsident geht auf Farmer zu

„Nach vier Jahren unter der Macri-Regierung stellen wir fest, dass dieses Modell, vor dem einige von uns gewarnt haben, Realität geworden ist“, sagt der Viehzüchter Sebastian Campo, der auf seiner Farm am Rande von Pergamino Kühe hütet. Er gehört nach eigenen Angaben zu einer kleinen Minderheit in der Region, die Macri nicht unterstützt. Wen er am 27. Oktober wählen wird, hat er noch nicht entschieden.

Der Präsident bemüht sich seit einigen Tagen, auf Farmer zuzugehen. Er verspricht ihnen „mehr Technologie, mehr Innovation und weniger Steuern“ und lobt ihren Beitrag in der Krise. „Unsere Landwirtschaft macht 40 Prozent unserer Wirtschaft aus und stellt ein Viertel aller Jobs in Argentinien“, erklärte Macri auf Twitter. „Wir wollen sie fördern, damit sie mehr Beschäftigung und Chancen schaffen kann.“

Es ist kein Zufall, dass Macri für eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Ankündigungen seiner Präsidentschaft kurz nach seinem Amtsantritt eine Farm in Pergamino wählte. „Pergamino ist eine Ikone der Landwirtschaft in Argentinien“, sagte Agustin Tejeda, Chefanalyst der Getreidebörse von Buenos Aires. „Die Stadt ist das Pendant des Getreidegürtels in den USA. Sie liegt im Herzen des fruchtbarsten Gebietes und einer großartigen landwirtschaftlichen Tradition.“

Die Kornkammer mit ihren 105.000 Einwohnern in der Provinz Buenos Aires ist auch ein Drehkreuz für die argentinische Agrarindustrie. Kleinlaster und Traktoren fahren auf staubigen Straßen durch scheinbar endlos weite flache Felder.

„Argentinien hat sich für den Weg des Wandels, der Offenheit und des freien Handels entschieden“, sagt der Agraringenieur Jorge Josifovich, der landwirtschaftliche Flächen in der Gegend besitzt und verwaltet. „Angesichts der Wahrscheinlichkeit einer neuen (Fernández-)Regierung erwarten wir nicht, dass dieser 2015 begonnene Weg weitergehen wird“, erklärt er. „Ihnen liegt sehr wenig an den Bauern. So wie wir in ihnen immer noch Geister sehen, sehen sie in uns immer noch den Feind.“

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