Welthandelspaket Das indische Schreckgespenst

Sie wollen es, sie wollen es nicht: Während viele Entwicklungsländer sich für das Bali-Handelspaket aussprechen, bleibt Indien hart – wenn der Welthandel liberalisiert wird, müssten Millionen Menschen hungern.

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Indiens Handelsminister Anand Sharma:„Es ist besser kein Abkommen zu haben, als ein schlechtes.“ Quelle: Reuters

Nusa Dua Das erste größere Abkommen zur Liberalisierung des Welthandels droht an Differenzen über Nahrungsmittelhilfen für Millionen arme Inder zu scheitern. Weniger als 24 Stunden vor dem geplanten Abschluss der 9. Welthandelskonferenz auf Bali war am Donnerstag noch kein Konsens in Sicht. „Es ist besser kein Abkommen zu haben, als ein schlechtes“, sagte Indiens Handelsminister Anand Sharma.

Eine Einigung bei der am Dienstag eröffneten Konferenz scheiterte bislang am Widerstand Indiens. Allerdings nahm die Delegation aus Neu Delhi am Donnerstagabend (Ortszeit) weiter an Gesprächen hinter verschlossenen Türen teil. Sie werden vom Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo, koordiniert. Der Brasilianer hatte von den mehr als 120 nach Bali gereisten Handelsministern das Mandat für die Suche nach einem Kompromiss erhalten.

Azevêdo hofft laut Diplomaten auf einen „Dominoeffekt“, wenn es gelingen sollte, das wichtigste Hindernis für das sogenannte Bali-Paket aus dem Weg zu räumen: Indien verlangt für ein staatliches Programm zur Versorgung von 820 Millionen Menschen mit Reis und Getreide zu subventionierten Preisen, dessen Umfang gegen WTO-Regeln verstoßen könnte, eine unbefristete Ausnahmegenehmigung.

Die USA und die EU sowie andere Staaten - unter ihnen Pakistan und Thailand - wollen jedoch eine „Friedensklausel“, die Klagen bei der WTO gegen Indiens Subventionen verhindern würde, nur für eine Übergangszeit von vier Jahren gewähren. Dahinter steht die Befürchtung, dass Indien Überschüsse an billigen Nahrungsgütern aus den Vorratslagern für die Armenversorgung auf die Märkte anderer Länder schleust und dort die Preise verdirbt. Darunter würden Farmer in den betroffenen Staaten leiden.

In diplomatischen Kreisen hieß es, bei der EU halte man als Kompromiss eine längere Übergangszeit für den Abbau der entsprechenden Agrarsubventionen als nur vier Jahre möglich. Die USA blieben dem Vernehmen nach bislang hart. Auf Fragen von Reportern, ob ein Kompromiss für Indien vorstellbar wäre, sagte dessen Handelsminister: „Können wir über einen Kompromiss verhandeln, wenn es um das Grundrecht auf Nahrung geht? Die Antwort ist ein klares Nein.“


Zollformalitäten sollen vereinfacht werden

In Indien und jenen Staaten, die seine Position unterstützen, würden „75 Prozent der Weltbevölkerung“ leben, erklärte Sharma. Am Rande der Konferenz forderten Vertreter zahlreicher Organisationen die WTO bei friedlichen Demonstrationen auf, das von den Vereinten Nationen verbriefte Grundrecht auf Nahrung unbedingt bei allen Abkommen zu gewährleisten.

Nach Angaben westlicher Diplomaten wird die indische Haltung jedoch längst nicht von allen in der Entwicklungsländer-Gruppe G33 vertretenen Staaten unterstützt. „Die große Mehrzahl sieht die Vorteile des Bali-Pakets und will, dass es angenommen wird“, sagte ein an den Verhandlungen beteiligter Diplomat. Dies gelte insbesondere für viele Staaten Afrikas.

Neben dem umstrittenen Abbau von Agrarsubventionen sieht das Bali-Paket Handelserleichterungen durch die Vereinfachung von Zollformalitäten im grenzüberschreitenden Warenverkehr sowie Unterstützungsmaßnahmen für die ärmsten Länder vor - darunter deutlich bessere Möglichkeiten für deren Exporte in die Industriestaaten sowie in Schwellenländer.

Das Paket soll es zugleich ermöglichen, die seit Jahren festgefahrenen Doha-Verhandlungen für eine umfassende Liberalisierung des Welthandels aus der Sackgasse zu holen. Es kann jedoch nur insgesamt oder gar nicht und zudem nur im Konsens aller stimmberechtigten 159 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO) angenommen werden.

Die WTO-Konferenz soll laut Plan am Freitag zu Ende gehen. Die EU und die USA hatten mehrfach gewarnt, dass ein Scheitern auf Bali dem Welthandelssystem und der WTO schaden würde. Leidtragende wären in erste Linie die Menschen in den ärmsten Ländern, erklärten sie.

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