Wichtigste Auszeichnung für Ökonomen Der Nobelpreis für Ben Bernanke – echt jetzt?

Nobelpreis für Wirtschaft 2022, die Gewinner aus den USA: Bernanke, Diamond, Dybvig (v.l.n.r.). Quelle: imago images

Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis geht an drei Forscher, die die Rolle von Banken in Finanzkrisen untersucht haben, unter ihnen Ben Bernanke, der frühere Chef der US-Notenbank. Er hat mit seiner ultralockeren Geldpolitik gefährliche Blasen aufgepumpt. Das Nobelpreiskomitee hätte besser daran getan, andere Ökonomen auszuzeichnen.

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Die Entscheidung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an die US-Forscher Ben Bernanke, Douglas Diamond und Philip Dybvig zu vergeben, ist eine faustdicke Überraschung – und eine fragwürdige dazu. Denn die drei Ökonomen wurden für ihre Forschungsarbeiten über die Rolle von Banken in Finanzkrisen ausgezeichnet. Es sind Arbeiten, die die theoretische Basis für die gigantische Bankenrettungsarchitektur der vergangenen Jahre, das Herauspauken von Boni-Bankern und Bankaktionären auf Kosten der Steuerzahler gelegt haben, ohne jedoch das Kernproblem des dysfunktionalen Bank- und Geldwesens zu adressieren. 

Ben Bernanke, der wohl prominenteste der drei Laureaten, war von 2002 bis 2014 Mitglied im Offenmarktausschuss der US-Notenbank Fed und stand in der Zeit von 2006 bis 2014, in die auch die Finanzkrise fällt, an der Spitze der Washingtoner Währungsbehörde. Bernanke erhält den Nobelpreis für seine Arbeiten aus den frühen Achtzigerjahren, in denen er die Große Depression der Dreißigerjahre vor allem mit dem Scheitern der Banken erklärte. Bernanke habe gezeigt, dass Bankenkrisen nicht das Resultat, sondern die Ursache von schweren Wirtschaftseinbrüchen sind, so das Nobelpreiskomitee.

Schwindet das Vertrauen der Bürger in die Finanzinstitute, kommt es zu Bank Runs und Bankenzusammenbrüchen. Dem Bankensystem gelingt es dann nicht mehr, Ersparnisse in produktive Investitionen zu lenken, der Kreditkanal trocknet aus, Unternehmen können ihre Investitionen nicht mehr finanzieren, die Wirtschaft bricht ein. 

Es sind diese Erkenntnisse, die Bernanke dazu veranlassten, als Chef der Notenbank in der Finanzkrise 2008/09 dem Bankensektor mit gigantischen Rettungspaketen zu Hilfe zu eilen. Die von ihm initiierten Ankaufprogramme von Staatsanleihen, mit denen er angeblichen Deflationsgefahren begegnen wollte, trugen ihm den Spitznamen Helikopter-Ben ein. Bereits im Jahr 2002, kurz nachdem die New-Economy-Blase geplatzt war, hatte Bernanke in einer vielbeachteten Rede umfangreiche Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbank ins Gespräch gebracht, um eine Deflation zu verhindern.

Bernanke hat die Fed in die fiskalische Dominanz getrieben 

Als führendes Mitglied der Fed hat Bernanke die massiven Zinssenkungen der Notenbank zu Beginn der 2000er-Jahre mitzuverantworten. Diese lockten unzählige US-Bürger in die Subprime-Kredit-Falle. Als diese 2007/08 zuschnappte, kam es zur Finanzkrise. Die Weltwirtschaft stürzte in ihre bis dato schwerste Krise seit der Großen Depression. Die anschließend unter Bernankes Führung aufgelegten Rettungsprogramme der Fed und der Regierung für die Banken verhinderten zwar eine Kernschmelze des Finanz- und Währungssystems. Sie verbrannten jedoch Milliarden an Steuergeldern, trieben die Staatsschulden auf historische Höchststände und die Fed in die fiskalische und finanzielle Dominanz. Um Staat und Finanzmärkte zu stützen, hielt die Fed von 2009 bis Ende 2015 den Leitzins bei null Prozent. Damit pumpte sie gigantische Blasen an den Finanzmärkten auf und initiierte fragwürdige Investitionen.  

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass das Nobelkomitee den Preis an Bernanke vergeben hat, einen Notenbanker mit einer bestenfalls gemischten geldpolitischen Bilanz, dessen Forschungsarbeiten zudem nicht zum Kern der Probleme des Bank- und Geldwesens vorzudringen vermögen. Dieser besteht in der nur teilweisen Deckung von Bankeinlagen mit Zentralbankreserven. In diesem Punkt war die Ökonomik mit dem 1933 von den Chicago-Ökonomen Frank Knight und Henry Simons initiierten, aber letztlich am Widerstand der Banken gescheiterten Vorschlag, die Einlagen der Banken einer 100-prozentigen Mindestreservepflicht zu unterwerfen (Chicago-Plan) schon einmal weiter. 

Auch die Vergabe des Nobelpreises an Douglas Diamond und Philip Dybvig muss kritisch hinterfragt werden. Ihre Arbeiten bieten eine modelltheoretisch fundierte Beschreibung der volkswirtschaftlichen Rolle von Banken als Finanzintermediäre, die Ersparnisse an kreditsuchende Unternehmen weiterleiten und durch Fristentransformation viele Investitionen erst ermöglichen.

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Diese idealtypische Sicht auf die Kreditvergabe der Banken wird der Realität in unserem Fiatgeldsystem mit seiner Teilreservedeckung jedoch nicht gerecht. Tatsächlich vergeben die Banken heutzutage Kredite, in dem sie ihren Kunden Geld per Knopfdruck aufs Konto buchen. Weil das Kreditgeld ex nihilo nicht durch Ersparnisse gedeckt ist, facht es Investitionen an, die sich nach einem anfänglichen konjunkturellen Boom früher oder später als Fehlinvestitionen entpuppen und deshalb korrigiert werden müssen. Das Teilreservesystem ist daher eine Quelle für immer wiederkehrende Boom-Bust-Zyklen. 

Fragwürdige Einlagensicherung

Um der immanenten Instabilität des Bankensystems durch Bank Runs zu begegnen, empfehlen Diamond und Dybvig in ihren Arbeiten staatliche Einlagensicherungen. Garantiert der Staat im Fall einer Bankenkrise dafür, dass die Einlagen der Sparer nicht verloren gehen, können diese ruhig schlafen. So werde verhindert, dass es zu Bank Runs kommt. Viele Länder haben daher Einlagensicherungssysteme eingeführt, schreibt das Nobelpreiskomitee in seiner Würdigung der Preisträger. 

Spätestens die Finanzkrise hat jedoch gezeigt, dass die staatliche Garantie für Einlagen die Banken zu riskanten Spekulationsgeschäften verleitet, die das Finanzsystem destabilisieren statt es resilienter zu machen. Zumal die Sparer im Vertrauen auf den staatlichen Schutz kaum Interesse daran zeigen, den Banken genauer auf die Finger zu schauen, bevor sie ihnen ihr sauer verdientes Geld anvertrauen. Die moralische Versuchung, die mit der staatlichen Einlagensicherung verbunden ist, hat in den vergangenen Jahren zu immer schärferen Regulierungen des Bankensektors geführt. Eine derartige Regulierungsbürokratie wäre in einem Geldsystem mit einer 100-prozentigen Reservepflicht der Geschäftsbanken weitgehend überflüssig. 

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Gerade vor dem Hintergrund der inhärenten Krisenanfälligkeit des Teilreserve-Bankensystems, das immer wieder durch milliardenschwere Bankenrettungspakete auf Kosten der Steuerzahler vor dem Kollaps bewahrt werden muss, ist es unverständlich, dass die Schwedische Akademie den Nobelpreis ausgerechnet an Proponenten dieses Systems vergeben hat. Dem Nachdenken über bessere Lösungen für unser Geldsystem haben die Preisrichter in Stockholm damit keinen Dienst erwiesen. 

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