Zentralafrikanische Republik Gefechte vertreiben Einwohner einer ganzen Stadt

In der Zentralafrikanischen Republik toben Kämpfe zwischen bewaffneten Milizen. Die Zivilisten fliehen vor der Gewalt – auch die Einwohner einer ganzen Stadt. Oft fehlt ihnen die Zeit, um ihre Angehörigen zu begraben.

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Nach Angaben der UN sind bei Kämpfen in der Zentralafrikanischen Republik in den vergangenen zwei Wochen mindestens 300 Menschen getötet und 200 Menschen verletzt worden. Quelle: dpa

Bria Marie Edith Mambleka sitzt auf dem Boden, in einem armseligen Lager für Vertriebene. „Ich habe nichts. Keine Bettlaken, keine Decke. Ich habe nichts“, sagt die 50-Jährige. Sie stammt aus Bria in der Zentralafrikanischen Republik, wo muslimische Rebellen 2013 den christlichen Präsidenten gestürzt haben. Seitdem liefern sich dort Milizen der muslimischen Minderheit und Kräfte der christlichen Bevölkerungsmehrheit immer wieder blutige Kämpfe.

Seit Ende vergangenen Jahres hat die Gewalt wieder zugenommen, trotz Bemühungen der Regierung, mit Unterstützung von 12.000 Blauhelmen Ruhe in das Land zu bringen. Die Kämpfe haben jetzt sogar auch Gebiete erreicht, die bisher verschont waren.

Nach Angaben der Vereinten Nationen könnte die Zahl der Vertriebenen bis Ende Mai auf eine halbe Million anschwellen und damit auf den höchsten Stand seit mehr als drei Jahren. Und in den vergangenen zwei Wochen seien allein in Bria und einigen anderen Städten ungefähr 300 Menschen getötet und 200 verletzt worden.

Zu den Toten zählt auch Mamblekas Sohn. Sie hatte bisher keine Möglichkeit, ihn zu beerdigen – musste seine Leiche in der vergangenen Woche in Bria zurücklassen, um sich selbst vor den Kämpfen in Sicherheit bringen zu können. Sogar das Bergen der Toten habe nicht funktioniert, beklagt Mambleka.

Fast alle der mehr als 41.000 Einwohner der Stadt flohen, die UN sprechen von einem „ununterbrochenen Strom“ von Menschen in notdürftig aufgebaute Lager. „Wir leiden sehr“, sagt Mambleka, die so schnell flüchten musste, dass sie nichts mitnehmen konnte.

Das größte Lager ist in der Nähe eines örtlichen UN-Stützpunktes entstanden, in gerade Mal zwei Tagen stieg hier die Zahl der Zufluchtsuchenden auf 25.000. Hunderte kampieren im Hof eines Krankenhauses, suchen unter einem großen Baum Schutz vor der sengenden Sonne. Rauch steigt von kleinen Feuern zum Kochen auf.

Dutzende haben auch in einer örtlichen Kirche Obdach gesucht – in der Hoffnung, dass Gott sie schützt, wie der 61-jährige Matthias Mackayendji sagt. Er zeigt auf die Szenen in seiner Umgebung, überall Kinder und Frauen, die in der Nähe eines Feuers Holz hacken oder Rindfleisch säubern. Während Mackayendji spricht, fängt es an zu regnen, sintflutartig. Wasser durchtränkt die Matten auf dem Boden, die Menschen stellen sich in der Kirche unter.

Dort beklagt Pastor André Sandje die jüngste Gewalt in Bria. „Sie haben keine andere bewaffnete Gruppe angegriffen. Sie haben die Bevölkerung angegriffen, Zivilisten“, sagt er über die kämpfenden Milizen. Jetzt konzentriere er sich darauf, den Vertriebenen spirituelle Unterstützung zu bieten.

Mackayendji denkt nicht daran, nach Hause zurückzukehren, dazu hat er zu große Angst. Er wolle so lange warten, bis die Kämpfer entwaffnet oder aus der Stadt getrieben worden seien. „Sie sind grausam. Sie kennen keine Gnade. Sie töten Menschen ohne Grund.“

Obwohl die Kämpfe entlang religiöser Linien laufen, halten sich Muslime und Christen gemeinsam in den Lagern auf. Mehrere Christen schildern, wie ihre muslimischen Nachbarn sie retteten oder versteckten. Sie sind jetzt im Elend vereint. „Es hat zu viele Verlust gegeben“, sagt der 49-jährige Galbert Ndemaba, der nicht weiß, ob sein Haus noch steht. Auch er hat sich bisher nicht zurück getraut. „Bitte, denkt an uns“, bittet er Europa und die USA um humanitäre Unterstützung. Vorhandene Hilfsgüter schrumpften rapide, es mangele an Nahrungsmitteln, sagt die Uno.

„Die Lebensbedingungen für die Vertriebenen sind sehr hart, sogar unmenschlich“, sagt Noel Zigani von der internationalen Hilfsorganisation Oxfam mit Blick auf eine weitere Herausforderung: Jetzt ist Regensaison. Die starken Niederschläge verwandeln die Lager in Schlammgruben. Und damit steigt die Gefahr, dass sich Krankheiten ausbreiten.

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