AfD-Wählerschaft Wir protestieren – aber nur rechts!

Der Großteil der AfD-Wahler hat bei den Landtagswahlen ihr Kreuz aus Protest gemacht. Die Linke, klassische Protestpartei, und andere rechte Parteien versagen dagegen. Drei Wissenschaftler erklären das Phänomen.

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Die AfD konnte vor allem Nichtwähler mobilisieren Quelle: dpa

Düsseldorf Das Vokabular der AfD-Wähler ähnelt sich: Von „Denkzettel“ gegen die „etablierten Parteien“ ist die Rede, von der Protestwahl gegen „die da oben“, von einer Abrechnung mit der Regierungspolitik in der Flüchtlingskrise. Bei den drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz holte die Alternative für Deutschland (AfD) zweistellige Ergebnisse – aus dem Stand. Andere Protestparteien – besonders die Linke – versagen.

Der Protest rückt nach rechts. Denn fast jeder zweite AfD-Wähler (47 Prozent) stimmte laut Umfrage des Forschungsinstituts Infratest dimap nicht aus Überzeugung, sondern aus Protest für die Partei. AfD-Wähler wählten den rechten Protest, statt den linken. Die Linke dagegen hat alle ihre Wahlziele verfehlt. Fast 40 Prozent der Arbeitslosen votierten laut der Umfrage allein in Sachsen-Anhalt für die AfD, insgesamt wanderten in dem Bundesland rund 30.000 Wähler von links nach rechts.

Wie weitere Wahlanalysen zeigen, kommen die AfD-Wähler aus sämtlichen politischen Lagern: Ehemalige Unions- sowie ehemalige Linke-Wähler befinden sich unter ihnen, im besonderen Umfang hat die rechtspopulistische Partei aber Nichtwähler mobilisiert. Das macht das Ergebnis so gefährlich für die etablierten Parteien. Jede Partei musste Federn lassen. Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann zeigte sich erschüttert, dass in Baden-Württemberg sogar 70.000 ehemalige Grüne-Wähler bei der AfD ihr Kreuz gesetzt hatten.

Diese Wählerwanderung in den rechtspopulistischen Protest erklärt Politikwissenschaftler Hendrik Träger mit dem Zusammenspiel mehrerer Ursachen. Eine sei die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: „Dort konnte sich die AfD als politische Alternative für diejenigen positionieren, die gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel sind“, sagt Professor der Unis Leipzig und Magdeburg. Außerdem habe die AfD von einer offenbar tiefgreifenden Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien profitiert.

„Beide Punkte fielen aus Sicht der AfD zu einem idealen Zeitpunkt vor den Landtagswahlen zusammen, sodass die Partei solche hohen Stimmenanteile erreichen konnte“, sagt der Parteienforscher. Der Düsseldorfer Politikprofessor Thomas Poguntke nennt noch einen anderen Grund: „Die CDU ist stark in die Mitte gerückt ist, weswegen es am konservativen Rand Platz gibt.“ Alle im Bundestag vertretenen Parteien unterstützten die Politik der Kanzlerin, mit der Ausnahme der CSU, die allerdings außerhalb Bayerns nicht zur Wahl steht. „Das alles zusammen hat Schub für eine Protestpartei gegeben.“

Dass diese Protesthaltung ausschließlich der AfD zugute kam, liegt laut Populismus-Forscher Marcel Lewandowsky auch an der Ausrichtung der Partei. „Die AfD hat im Gegensatz zu anderen Parteien dieses Spektrums nicht nur ein rechtspopulistisches, sondern auch ein konservatives und wirtschaftsliberales Profil“, erklärt der Wissenschaftler, der an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg lehrt.


„Die AfD wird sich auf fünf bis sieben Prozent einpendeln“

Gerade in ihrer Anfangszeit, als sie als gemäßigt-euroskeptische Partei auftrat, habe die AfD moderate Wähler an sich binden können. Bis heute profitiere die Partei daher von einem Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen rechtspopulistischen Parteien, die mit einem engeren und radikaleren Profil aufträten.

Besonders „Modernisierungsverlierer“ sind laut Lewandowsky anfällig für populistische Parteien. Denn vor allem Arbeiter und Arbeitslose wählen überdurchschnittlich häufig die AfD, eigentlich Kernwähler der linken Parteien. „Das sind die Bevölkerungsgruppen, die offenbar Sorge vor einem Konkurrenzverhältnis mit den Flüchtlingen wegen preiswertem Wohnraum und Arbeitsplätzen haben. Diese Wähler konnten SPD und Linke nicht überzeugen, weil beide Parteien den Flüchtlingen offen gegenüberstehen“, erklärt Träger.

Diese Wähler fürchten laut Wissenschaftler Poguntke, dass ihnen die Migranten „etwas wegnehmen“. „Wenn es um soziale Benachteiligungen geht, wird ein Sündenbock gesucht.“ Generell seien die Motive der AfD-Wähler aber sehr unterschiedlich. „Bei einem erheblichen Teil hat die Wahlentscheidung wenig mit linker oder rechter Einstellung zu tun, sondern war in erster Linie eine Protestwahl“, sagt Poguntke. Aber es gebe eben auch die Wähler, die tatsächlich rechts eingestellt sind – und jetzt ein Angebot haben.

Dass sich bisher keine Partei rechts der CDU im politischen Parteienspektrum etablieren konnte, hängt auch mit der deutschen Geschichte zusammen. „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“, proklamierte schon CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Poguntke spricht von einer „Immunität gegen rechtes Gedankengut“ in der Gesellschaft, die sowohl in Medien, Kultur als auch im politischen System sichtbar ist. Aber mit einem größeren zeitlichen Abstand zum NS-Regime nutze sich diese Immunität ab.

„Das rechte Spektrum in der Bundesrepublik traditionell organisatorisch zersplittert“, sagt Populismus-Forscher Lewandowsky. Es habe bislang keine Partei gegeben, die das rechte Lager jenseits der Union vereint hätte. „Parteien, deren Politikangebot konservativer ist als das von CDU und CSU, geraten schnell in den Verdacht der Nähe zum Rechtsextremismus beziehungsweise Nationalsozialismus und werden in den Medien und in der Politik stigmatisiert.“

Doch die Experten glauben, dass das Kernthema der AfD, die Flüchtlingspolitik, der Partei irgendwann verloren gehen wird. Damit bräche ihr dann auch ein entscheidenden Mobilisierungsinstrument weg. „Es wird für die Partei dann entscheidend sein, ob sie in der Lage ist, die Unzufriedenheit mit der Politik weiter zu bedienen und entsprechend zu mobilisieren“, sagt Lewandowsky.

Die AfD habe großes Wählerpotenzial. „Sie ist aber aus meiner Sicht noch nicht in dem Sinne etabliert, als sie über eine ausreichende Zahl von Stammwählern verfügt.“ Träger und Poguntke glauben, dass die sich bundesweit auf fünf bis zehn Prozent einpendeln wird. Im nächsten Bundestag werden dann sieben Parteien sitzen: Linke, SPD, Grüne, FDP, CDU, CSU und AfD.

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