Arbeitslosengeld Hartz IV-Bekenntnis bringt SPD-Chef Scholz Kritik aus den eigenen Reihen

Meinungsverschiedenheiten wollte die SPD eigentlich künftig intern austragen. Jetzt wird öffentlich über die Zukunft von Hartz IV gestritten.

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Olaf Scholz stellt sich bei seiner Finanzplanung für den Bundeshaushalt auf höhere Zinsen der Europäischen Zentralbank ein. Quelle: dpa

Berlin Die Kandidatin für den SPD-Vorsitz, Simone Lange, hat sich empört gezeigt über Aussagen des kommissarischen SPD-Chefs Olaf Scholz, der eine grundlegende Hartz IV-Reform derzeit ablehnt. „Ich erwarte von einem Parteivorsitzenden, das ist er aktuell ja noch, dass wir über dieses Thema offen diskutieren“, sagte die Flensburger Oberbürgermeisterin der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist ein fataler Fehler, das so abzuwürgen.“

Man müsse offen über eine Abschaffung reden und über die grundlegende Reform der Sozialgesetzgebung, sagte Lange. Scholz hatte nach dem Rücktritt von Martin Schulz das Amt kommissarisch übernommen – bis zu einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden.

Der Vizekanzler pocht auf die Beibehaltung des Grundprinzips von Hartz IV (Fördern und Fordern). Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht hier keine Änderungen vor, wohl aber die Einführung eines bis zu vier Milliarden Euro kostenden sozialen Arbeitsmarkts, der hunderttausenden Langzeitarbeitslosen helfen soll, wieder in Arbeit zu kommen - und so die Zahl der Hartz IV-Empfänger zu reduzieren.

Lange tritt in Wiesbaden gegen SPD-Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles an – erstmals in 155 Jahren Parteigeschichte wird eine Frau die SPD führen. Während Nahles wie Scholz bisher Hartz IV nicht in Frage stellt, will Lange eine breite Debatte darüber führen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte diese Debatte losgetreten, weil er wegen der Perspektivlosigkeit vieler von Hartz IV abhängigen Familien und der schweren Vermittlung von Langzeitarbeitslosen ein „solidarisches Grundeinkommen“ vorgeschlagen hatte. Demnach soll es 1200 Euro im Monat für alle Bürger geben, die zu gemeinnütziger, sozialversicherungspflichtiger Arbeit bereit sind.

Im Zuge der Arbeitsmarktreformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) waren Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur neuen Grundsicherung (Hartz IV) zusammengelegt worden. Im Februar bekamen 5,95 Millionen Menschen Hartz IV. Davon waren 4,26 Millionen erwerbsfähig. Rund zwei Drittel bekamen Hartz IV, ohne arbeitslos zu sein, etwa weil sie einem Minijob nachgingen (Aufstocker), Schule oder Hochschule besuchten oder wegen Krankheit arbeitsunfähig waren. Für Alleinstehende gilt derzeit der Regelsatz von 416 Euro im Monat.

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