Arno Dübel Drei Manager und Deutschlands bekanntester Arbeitsloser

Deutschlands bekanntester Sozialfall wird von drei Managern umgarnt. Wie sich mit Arno Dübel Geld verdienen lässt.

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Vergoldetes Lächeln Quelle: Gerrit Meier für WirtschaftsWoche

Das Treffen mit Arno Dübel kostet 300 Euro. Plus Mehrwertsteuer, auf Rechnung und inklusive Fototermin. Aber dafür hat Deutschlands prominentester Arbeitsloser sich diesen Tag ganz frei gehalten. So hatte es sein Medienmanager versprochen.

Der Besucherin mit dem Notizblock bietet Dübel das bequeme grüne Sesselchen im Wohnzimmer an, dann verschwindet er kurz in der Küche, um schließlich Kekse und zart geblümte Tässchen zum Couchtisch zu balancieren. Den Assamtee hat Arno Dübel an diesem Tag schnell noch besorgt. Normalerweise trinkt er Kaffee. Doch schon vor dem Interview hatte er nachfragen lassen, was er dem Gast servieren dürfe. Er will ein guter Dienstleister sein. Schließlich haben die Leute gezahlt.

Casting für Skurriles

Um es gleich zu sagen: Die WirtschaftsWoche legt gemeinhin für Interviews kein Geld auf den Tisch. Aber so sind nun einmal die Regeln bei Arno Dübel. Und auch das gehört in diesem Fall zur Geschichte. Deutschlands bekanntester Arbeitsloser nimmt seinen Auftrag sehr genau. „Was soll ich denn sagen?“, wird er zu Beginn des Gesprächs fragen. „War es das, was Sie hören wollten?“, wird er sich am Ende verabschieden. Als die Wohnungstür ins Schloss fällt, bleibt das schale Gefühl, dass Arno Dübel etwas käuflich sein könnte.

Für Geld macht Arno Dübel viel. Und weil er derzeit etwas klamm ist, macht er sogar sehr viel. Dübel verdient an Interviews und Fernsehauftritten, er lässt T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich krich vom Amt“ verkaufen und selbst eingesungene Songs im Internet vermarkten. Vielleicht wird es im Frühjahr sogar ein Dübel-Bier geben. Und man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man vermutet, dass er sich das alles unmöglich allein ausgedacht haben kann. Hat er auch nicht. Inzwischen sind es sogar drei Manager, die von sich sagen, dass sie einen Vertrag mit Dübel haben. Die Herren sind sich nicht grün.

Von den 300 Euro für den Interviewtermin etwa gehen nur 100 Euro als Aufwandsentschädigung an Dübel. Den Rest kassiert sein Medienmanager Peter Lindemann. Ihre Geschäftsbeziehung währt 17 Jahre, ihre Freundschaft auch. Manchmal half Lindemann beim Briefwechsel mit dem Amt. Ein Honorar hätte er von einem Sozialfall nie verlangt, sagt er. Aber fast immer, wenn Dübel Journalisten traf, verdiente der Geschäftsmann mit – über eine Vermittlungsgebühr.

Im normalen Leben betreibt Peter Lindemann eine Casting-Agentur. „Ich suche interessante Fälle für Boulevard-Themen“, sagt er. Und niemand füllte diese Kategorie besser aus als Dübel. Er war bei Arabella zu Gast, bei Britt und bei Franklin. Und sein Leben gab einiges her: Er trat als Tier-Messie mit einem Zimmer voller Sittiche auf, als Kassenpatient mit Zahnarztphobie oder in seiner besten Rolle als -Sozialfall mit chronischer Arbeitsallergie.

Den größten Sprung in Sachen Medienpräsenz machte Dübel im Januar, kurz vor dem Hartz-IV-Urteil des Verfassungsgerichtes. Da saß er in der ARD bei Sandra Maischberger und erklärte, die Stütze sei gutes Geld. „Warum soll ich da arbeiten gehen?“ Da wäre er ja blöd. Auf das Gespräch mit der WirtschaftsWoche scheint er anders vorbereitet worden zu sein. Er wolle ja arbeiten, sagt er da. Aber er sei einfach zu krank. Lungenkrebs.

In der Sendung von Sandra Quelle: dapd

Seit seinem Auftritt bei „Maischberger“ indes gilt Dübel als Zerrbild eines Hartz-IV-Schmarotzers – auch wenn das zuständige Hamburger Jobcenter beteuert, es handele sich nur um einen „bedauerlichen Einzelfall“. Medienmanager Lindemann findet, der Auftritt sei „Arnos Durchbruch“ gewesen. Wenn man mal davon absehe, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nicht so viel zahlten.

Fernsehauftritte und Honorare allerdings haben Vater Staat misstrauisch gestimmt. 30 Jahre lang hat Dübel von der Stütze gelebt. Seit April hat ihm das Hamburger Jobcenter keine Unterstützung mehr gezahlt. Nicht die 359 Euro Grundsicherung für Erwachsene und auch nicht die 406,88 Euro Warmmiete für die kleine Zwei-Zimmer-Wohnung.

Streitfall Nebenverdienst

Dübel habe zu viele Nebeneinkünfte, mutmaßt das Jobcenter und will Belege sehen. Den „sehr geehrten Herrn Dübel“ bat es schon am 8. November schriftlich um „die Vorlage Ihrer Buchführung für das Finanzamt im Rahmen Ihrer freiberuflichen Tätigkeit“. Den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 könne er gleich mitschicken. Eine tückische Aufforderung: Wer so viel verdient, dass er Steuern zahlen muss, der ist gewiss nicht auf staatliche Almosen angewiesen. Der wäre ein Arbeitsloser a. D. Und damit hätte Arno Dübel sein eigenes Lebensmodell beendet. Seine Miete hat er seit Monaten nicht mehr gezahlt. Die Räumungsklage seines Vermieters läuft.

Hilfe soll Dübel ein neuer Manager bringen. Inzwischen hat ihn der Musikproduzent Marco Delgardo unter seine Fittiche genommen. Er hat die Mietschulden in Hamburg beglichen und seine Anwälte beauftragt, den Streit mit dem Jobcenter zu schlichten. Dann ließ er seinen Schützling nach Mallorca fliegen, um einen Song aufzunehmen. In dieser Woche kommt der Titel „Ich bin doch lieb“ auf den Markt.

Dübel selbst sagt zwar von sich: „Ich kann gar nicht singen.“ Aber Delgardo hat große Pläne. Seine DMP-Studios mit Sitz auf Mallorca haben nach eigenen Angaben 120 Millionen Tonträger verkauft, bislang kümmerte er sich um Popbands wie Roxette und Atomic Kitten. Der Fall Dübel habe ihn gereizt, sagt Delgardo. „Wenn ich es hinkriege, aus einem Typen, der beinahe aus seiner Wohnung geflogen wäre, einen Medienstar zu machen, der von seinem Einkommen leben kann, dann wäre das ein echter Erfolg. Für uns beide.“

Inzwischen hat Delgardo das komplette Management übernommen. 25 Prozent aller Einnahmen gehen künftig an ihn. Seine Anwälte haben Medienberater Lindemann in der vergangenen Woche die Kündigung geschickt. Der will seinen Vertrag mit Dübel bald „wunschgemäß auflösen“. Nun hofft er, dass „Arno und ich wenigstens Freunde bleiben“.

Die Rechte an der Marke „Arno Dübel“ hat Delgardo längst beim Patentamt angemeldet. Er hat ihn für das neue Musikvideo in ein Kostüm gesteckt, das vom Glanz einer selbst finanzierten Zukunft kündet: Anzug und Glitzer-T-Shirt. Dass Arno Dübel beim Dreh auf Mallorca eine Freundin gefunden haben und von einer Rentnerin attackiert worden sein soll, konnte man in Deutschlands größtem Boulevard-Blatt nachlesen. Reiner Zufall natürlich, dass die „Bild“-Zeitung stets mit Fotografen vor Ort war.

Mit Bild-TV hat Delgardo eine exklusive Kooperation ausgehandelt, mit einem Fernsehsender lotet er eine Reality-Show aus, mit einer großen deutschen Brauerei verhandelt er über sein Bier-Projekt. „Arnos Giga-Dübel“ soll die Liter-Dose heißen. Und passend zur Produkteinführung, träumt Delgardo, könne man ja den nächsten Schlager auf den Markt bringen.

Das Problem ist nur: Das hätte auch ein anderer Musikmanager gern getan. Dirk Münchow, Chef von Baltic Music, veröffentlichte im Februar den ersten Dübel-Song: „Der Klügere kippt nach“. Dabei geht Münchow davon aus, dass Dübel eigentlich noch bis 2013 bei ihm unter Vertrag stünde – was allerdings Delgardos Anwälte bestreiten und Arno Dübel nicht mehr so ganz genau weiß.

Er werde jetzt „erst mal abwarten“, sagt Münchow. Schließlich sei es ohnehin nicht ganz einfach, Arno Dübel zu vermarkten. Seinen einzigen Bühnenauftritt brach das 54-jährige Nachwuchstalent im März nach drei Minuten ab. Er sei vom Publikum mit Bier bespritzt worden, sagt Dübel. „Die Frage ist immer, ob Arno Dübel gerade Lust hat oder nicht“, sagt Münchow. „Mit ihm ist schwer zu kalkulieren.“

Das Dübel-Debüt war übrigens ein Flop. Nur 79-mal verkaufte sich sein Song im Internet. 30 Prozent des Umsatzes gingen laut Vertrag an den Künstler, macht genau 11,40 Euro. Zur dübelschen Jingle-Bells-Version („Weihnachtsgeld, Weihnachtsgeld“), die Münchow ursprünglich geplant hatte, ist es dann gar nicht mehr gekommen. Dieses eine Mal hat der Arbeitslose sich verweigert.

Denn seit Rocky tot ist, kann Dübel mit Weihnachtsliedern und Glöckchengeklingel nicht mehr viel anfangen. Der Schäferhund-Mischling starb an Heiligabend vor drei Jahren. Seither thront seine Urne auf der Anrichte in Dübels Wohnzimmer.

Ob er Weihnachten in diesem Jahr überhaupt feiern soll, ganz ohne Rocky, das hat Dübel noch nicht entschieden. Er würde das Fest gern ausfallen lassen. Aber sein neuer Manager Delgardo hat ihn nach Mallorca eingeladen.

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