Asylsuchende strömen nach Deutschland Die hausgemachten Probleme bei der Flüchtlings-Aufnahme

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Theoretisch hervorragend, praktisch desaströs

Grundsätzlich stehen Asylbewerbern zwei Wege offen, um ihr Begehren vorzutragen. Sie können sich an die Polizei wenden oder an die Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer (siehe Grafik). Der Unterschied liegt allein darin, dass sie in ersterem Fall von der Polizei zur nächstgelegenen Erstaufnahme gebracht werden. Dort gibt es dann Außenstellen des BAMF, dessen Beamte die Bewerber registrieren. Damit beginnt der Prozess der Unterbringung, der theoretisch hervorragend geregelt ist – und praktisch täglich scheitert.

Übersicht der Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland. (zum Vergrößern bitte anklicken)

In der Theorie verteilt das BAMF die Flüchtlinge gleich bei der Ankunft mittels eines IT-Systems, das den hoffnungsvollen Name „Easy“ trägt, auf die Bundesländer – entsprechend der Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft. Dort bleiben die Asylbewerber bis zu drei Monate in den Erstaufnahmen, sodass die Anhörung im Asylverfahren dort stattfinden kann. Danach geht es in die Kommunen, wo die Bewerber den Ausgang des Verfahrens abwarten.

Bayern: Anlaufstelle Nummer 1

In der Praxis hakt es im System schon an Punkt 1, Registrierung und Verteilung. In Zirndorf bei Nürnberg ist die Polizei bereits morgens in Position. Drei Mannschaftswagen stehen vor dem Eingangstor der Erstaufnahme, auf dem Innenhof drängen sich mindestens 50 Menschen vor der Kantine. Auf der schmalen Freifläche neben den vier Gebäuderiegeln sind weiße Bierzelte aufgebaut, wie man sie von Volksfesten kennt. Bald kommt der erste Bus, das Tor öffnet sich kurz, schließt dahinter schnell wieder. Wieder 60 Menschen mehr, die sich auf dem Innenhof drängen. Die ehemalige Kaserne ist für 650 Menschen ausgelegt, im Moment übernachten dort 1200. Der Bus kommt aus einer der Not-Außenstellen, welche die Bezirksregierung Mittelfranken rund um Zirndorf eingerichtet hat; eine davon ist das Möbelhaus in Fürth.

In Bayern melden sich zurzeit so viele Flüchtlinge, dass das Bundesamt mit der Registrierung nicht nachkommt. Denn die Asylbewerber kommen entsprechend ihrer Reiserouten und Präferenzen an. Das hat zwei Folgen: Im Süden, in Berlin und den Großstädten im Westen ist der Zulauf besonders hoch. Das heißt zwar nicht, dass diese Länder überproportional viele Flüchtlinge aufnehmen, aber schon, dass sich hier besonders viele melden. Solange Easy aber nicht gesprochen hat, muss Bayern die Flüchtlinge bei sich behalten. In den Notlagern werden die Menschen versorgt, für die Registrierung zu den BAMF-Außenstellen in Zirndorf und München gebracht. Das kostet Zeit. Bloß: Auch für die bayrische Regierung sind diese Ströme an sich nichts Neues.

Vor diesen Problemen stehen die Zuwanderer
Teilnehmer eines Kurses "Deutsch als Fremdsprache" Quelle: dpa
Eine Asylbewerberin wartet in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Berlin Quelle: dpa
Eine Frau sitzt in einem Flüchtlingsheim in einem Zimmer Quelle: dpa
Ein Flüchtling sitzt vor einer Gemeinschaftsunterkunft der Asylbewerber Quelle: dpa
Verschiedene Lebensmittel liegen in der Asylunterkunft in Böbrach (Bayern) in Körben Quelle: dpa

„Die Regierung hat den Kopf in den Sand gesteckt, als der wachsende Flüchtlingsstrom längst absehbar war“, klagt Sozialamtsleiterin Vogelreuther. Sie erinnert sich gut an das Jahr 2010. Im Frühling wies die Bezirksregierung die Kommune an, eine große Gemeinschaftsunterkunft zu schließen, sie werde nicht mehr gebraucht. „Dabei war längst absehbar, dass die Zahl der Flüchtlinge wieder steigen würde“, so Vogelreuther. Nur Monate später folgte die Kehrtwende: Die Stadt wurde aufgefordert, neue Unterkünfte zu benennen. Da waren die Gebäude längst verkauft. An diesem Beispiel zeigt sich nicht nur, wie schlecht die Planung in manchen Bundesländern läuft, sondern auch, wie spezielle bürokratische Strukturen die Organisation lähmen. Grundsätzlich gilt: Je mehr die Kommunen zu sagen haben, desto besser klappt es.

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